Bluesgarage Isernhagen

Samstag Abend in Isernhagen und die Konzertgäste auf dem Balkon trennten sich von ihrem  Klammermöbel . Männer, deren musischer Sinn  in Wallung geriet, wollten Teil des Schlagzeuges sein. Und ein Fotograf machte sich zum Affen ohne es zu merken.
Was um Himmels Willen war bloß passiert, dass "normale Menschen"  solch ein merkwürdiges Verhalten an den Tag legten?  Im Grunde zunächst nichts außergewöhnliches: Man buchte drei schwarze Musiker namens "Challenge" für einen Auftritt in der  Blues Garage.

Aber der Reihe nach. Zunächst ließ man es etwas langsamer angehen. 

Denn vorher trat die, aus Michigan/USA stammende Dacia Bridges mit ihrer Band als Support auf. Ziemlich harmonisch und melodisch war das Zusammenspiel zwischen diesem akustischen Set und ihrer durchdringenden Stimme. Wobei der Gesang nicht immer ganz meinen persönlichen Nerv traf. Aber ich  fand, dass sie Aufmerksamkeit verdiente.

Ja und wen wollten die gut 300 Zuschauer dann endlich sehen und hören? Zunächst war das TM (Thomas Michael) Stevens, ein wirklich ganz schön abgefahrener Vogel.In der Vergangenheit verdingte sich der Amerikaner als Studiomusiker u.a. für James
Brown, Joe Cocker und Tina Turner - um nur einige zu nennen. Er gilt auch als Erfinder des HMF (Heavy Metal Funk) . Groß, mit dicken Rastalocken und tiefer Stimme, einem in afrikanischen  Farben und beleuchtetem Bass sowie einer schwarzen Sonnenbrille ausgestattet, gab er eine nicht imposante Erscheinung ab.
www. tmstevens.com

Dann war da noch Kat Dyson. Die Amerikanerin war nicht nur Lead Gitarristin von "Prince & The New Power Generation" bei zwei seiner Tourneen. 

Sondern sie war ebenfalls Studiomusikerin für Künstler wieCindy Lauper, Dave Stewart und Mick Jagger. Sie spielte auch mit B.B. King, Patti LaBelle und Carlos Santana zusammen.
www.katdyson.com

Zu guter Letzt  war da die kleine Cindy Blackman, die ihre Karriere als Jazz-Schlagzeugerin  in den Strassen von New York begann. Und die das Wort "Schlagzeug" wörtlich nahm: ein Zeug zum schlagen. Dies tat sie in der Vergangenheit u.a. bereits bei Lenny Kravitz.

www.myspace.com/cindyblackmanmusic

Und dann ging er los - der  "RAW!!" , der Riesige Akustische Wirbel, oder auch Totalangriff auf Augen und  Ohren. Denn diese drei begnadeten Musiker schnappten sich  ihre Instrumente und - ließen das Partytier heraus - yeeaaah!

TM zappelte mit seinem Leuchtbass dermaßen umher, dass ich  zwischendurch erschreckt schaute, ob er vielleicht einen Stromstoss erhalten hatte. Als ob das nicht genug war, quälte er die Instrumente zum Teil so, wie man einen Teppich mit dem
Teppichklopfer behandelte, um zum allgemeinen Erstaunen auf diese Art sogar noch die schrägsten Töne zu liefern und nebenbei seine Späße mit den Fotografen und dem Publikum zu treiben.

Kat Dyson zupfte  professionell die Saiten bis es eine von ihnen nicht mehr aushielt und riss. Sie zauberte Riffs und Akkorde in den Raum, und das  mit einer souveränen und doch sexy Ausstrahlung. Auch hatte sie richtig Spaß mit einem der Profifotografen: Während dieser an seiner, mit einem fetten Objektiv bestückten Kamera, direkt vor ihr angestrengt seine Bilder prüfte, plauderte Kat mit laszivem Blick und entsprechenden Hand- und Augenbewegungen über  "this guy here in front of me with his big thing...I mean: ...real big thing".  Er war jedoch so vertieft in seinem Tun, dass er es gar nicht mitbekam wie das halbe Publikum über ihn lachte :-))

Cindy Blackman, die kaum über ihr Instrument schauen konnte, hämmerte wie von Sinnen und mit vollem Körpereinsatz auf Becken und Trommelfelle ein. Ich hatte den Eindruck, dass sie sich zwischendurch auch mit Improvisation übte, was aber keinesfalls mein Hörvergnügen schmälerte. Da ich kein Musiker bin, kann ich nicht beurteilen, inwieweit sie zum  Schlagzeugolymp gehört. Aber sie spielte sehr beeindruckend. Das kannte ich bisher nur von Mike Portnoy (Dream Theater), allerdings, bei allem Respekt lieber Mike, du bist nicht annähernd so  verdammt sexy :-))  In anderen Worten: auf einer Optikskala von 1-10 war Cindy eine klare 25 ;-) Ähnliches äußerten auch die beiden Bielefelder Herren neben mir.
Während ich mich jedoch gerade noch beherrschen konnte, kreischte einer von ihnen immer wieder "Ciindyyyy - let me be your snare!!!" Das Pfeifen in meinem Ohr hatte dann erst am Dienstag langsam nachgelassen.

Das war 1 1/2 Stunden ein einwandfreier Musikmix: Rock, Blues, Reggae, Funk, Soul - optisch und musikalisch wirklich klasse dargeboten. Die fette  Partystimmung reizte bald alle zum mitbewegen. Selbst die Landeier am Balkongeländer trennten sich  von ihren heißgeliebten Barhockern und wackelten mit dem Hintern.

Als der ultimative "RAW!!" dann vorbei war und sich die Gemüter langsam wieder sammelten, dachte ich an die  Empfehlung, mir "Challenge" unbedingt einmal anzusehen. Dafür vielen Dank!!
Text & Fotos: Matthias Grauer