War ich doch gerade erst am Sonntag in Hamburg bei den „Flying Colors“ gewesen, so rollte ich am Dienstag bereits wieder in die freundliche Hanseatenstadt. Dieses Mal wurde der Wagen jedoch nicht im Halteverbot am Hauptbahnhof sondern ganz artig in einem unbelüfteten , schäbigen Parkhaus zwischen Penny Markt und Döner Bude abgestellt. Denn genau hier, auf dem "Kiez" , startete Joss Stone , welche mit gerade mal 16 Jahren ihr Debütalbum "The Soul Sessions" veröffentlichte, den Europateil ihrer derzeitigen World Tour 2012 .  
Die Große Freiheit 36, das ist der wunderschöne Musikclub mit viel Charme auf besagtem „Kiez“ zwischen Freudenhaus, Bierkneipe und diversen wirklich fragwürdigen Gestalten. Ich war in diesem Club das erste Mal und musste fest stellen, dass ich mich praktisch sogleich in diese Spielstätte "verliebt" habe.  Nach meiner Einschätzung fasste dieser Club gut und gerne ca. 1000 - 1200 Zuschauer. Und die gerade erst, 25 jährige Engländerin hatte offenbar ohne Probleme für ein praktisch ausverkauftes Haus gesorgt.   

Zum aufwärmen spielte die Band "Yes Sir Boss" . 

Diese überzeugte das Publikum mit ihrer frischen Spielart und ihrem wirklich nicht so einfach zu definierendem Musikstil, der neugierig auf mehr machte. Nicht nur ich hörte hier Ska, Reggae, Blues, etwas russische Melancholie, ein bisschen Sintimusik und verspielten Rock heraus. E-Gitarre, Posaune, Saxophon, Xylophon, kerniges Schlagzeug und knackiger Bass plus frische, lebhafte Melodien gepaart mit auf den Punkt passendem Gesang - so war die Kurzbeschreibung. Und wie nannte sich dieser Musikstil nun ? Keine Ahnung - "You name it". Das antwortete mir nach Ende des Konzertabends der Gitarrist und einer der Sänger Josh, während er draußen vor der Tür deren EP „Desperados“ für absolut faire 5,- EURO verkaufte. Erwähnenswert wäre noch, dass diese EP von Joss Stone produziert wurde und auf ihrem eigenen Label „Stone’d Records“ (ein Schelm, wer böses dabei denkt…) erschienen ist. Vielleicht hat sie mit dieser Band und dem Label einfach mal die Gelegenheit genutzt , ihre bisherigen Pfade zu verlassen um sich musikalisch ungezwungen auszutoben ? Wen dem so war, dann ist ihr dies voll und ganz gelungen. 

Um kurz nach 21 Uhr war dann die Bude wirklich rappeldicke voll, und es ging endlich los. 


Sie hatte mit einer erstaunlichen Lässigkeit das Publikum innerhalb weniger Sekunden im Griff . Etwa nach einer halben Stunde fragte sie kichernd und mit lasziver Stimme "Are we in a sexy mood ?" Oh ja, Joss, das waren wir! Sie tänzelte barfuß auf der Bühne herum und stand den gesamten Abend praktisch nicht still, außer wenn sie ihren Ingwertee aus der, mit gebrachten Thermoskanne trank. Mit einer scheinbaren Leichtigkeit jedoch mit absoluter Professionalität hauchte sie dem Club in etlichen Tonlagen bis in den letzten Winkel den Soul ein. Sie präsentierte nicht nur Songs ihres neuen Albums („The Soul Sessions II“) sondern auch Klassiker anderer Künstler wie z.B. „Teardrops“ von Womack & Womack in einem neuen Soul-Gewand. Und ich fragte mich die ganze Zeit woher diese zierliche kleine Person bloß diese Kraft und Dynamik ihrer Stimme her holte ?    
Natürlich durfte man auch die sehr gute Begleitband nicht außer Acht lassen welche ihr zuverlässig das notwendige musikalische Korsett bot. Nach meinem Hörgefühl wurden nicht alle Titel so wie auf CD gespielt sondern immer wieder mit feinen Nuancen ein klein wenig improvisiert. Die Backgroundsängerinnen waren dann noch die akustische Kirsche auf der Sahne. Nach gut 65 Minuten war zunächst Schluss bevor es noch zwei Zugaben gab. Und auch das Hamburger Publikum hatte wiederum zu einem schönen Abend beigetragen.  
Nach ca 95 Minuten war das akustisch und optisch edle Soul-Feuerwerk dann wirklich zu Ende. Sie verschwand mit einem kurzen Winken einfach so von der Bühne und ließ die Band weiter spielen bis diese sich dann schließlich ebenfalls nach und nach verabschiedete  ein sehr charmantes Konzertende.  
Zusammen gefasst war zu sagen, dass sich mir wiederum bestätigt hat, dass Clubkonzerte bei einigen Künstlern einfach das Optimum und durch rein gar nichts zu ersetzen sind. Von daher wäre es wirklich ganz bitter, wenn Clubs wie dieser auf Grund des derzeitigen Gema Behördenwahnsinns und der damit verbundenen exorbitanten Abgaben schließen müssten. Aber noch hatte ich das Glück nach einem weiteren Highlight meines Konzertjahres 2012 zufrieden nach Hause fahren zu können.
Text & Pics Matthias Grauer



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