Konnte man sich als Opener früher auf "Detroit Rock
City" und zuletzt "Deuce" verlassen wie auf die
Tagesschau um 20 Uhr, so wurde hier die Setliste praktisch auf den Kopf
gestellt: "Psycho Circus" machte den Anfang, "Rock
n Roll All Night" kam zum Schluss. Anschließend folgten noch drei
Klassiker schlechthin , darunter war auch "I Was Made For Loving
You" als Zugabe. Spätestens mit dem zweiten Titel "Shout It
Out Loud" standen dann auch die Inhaber der Sitzkissen in den
oberen Reihen auf den Bänken, denn der berühmte Funke war von Beginn
an übergesprungen. Kiss schafften es nicht nur aus meiner Sicht,
in knapp 120 Minuten einen äußerst guten, musikalischen Bogen über
ihre, immerhin 40-jährige Bandgeschichte zu spannen, welche hier
gefeiert wurde.

Den Schmusesong schlechthin, 'Sure Know Something' nach dem zahlreiche
Damen lechzten, durfte Eric Singer jedoch (wieder mal :-) ) nicht
singen. Dieser Titel blieb nur einer Hand voll Fans vorbehalten, und
zwar denjenigen, denen neben einem Shake Hand vor dem Konzert als
Inhaber eines sündhaft teuren Meet & Greet Tickets als Leckerbissen
auch noch ein privates Accoustic Set präsentiert wurde. Wow!
Kiss
ließen sich von Beginn an nicht lumpen und rollten auch hier wieder mit
anscheinend mehreren Sattelschleppern voll Pyrotechnik an. Na ja klar !!
Unter anderem waren viele der 16000 bis 20000 Zuschauer
(die Medien waren sich da nicht so ganz einig) , z.T. aus Polen, Süddeutschland
und sogar aus Österreich, angereist. Selbst in Berlin lebende Fans aus
Brasilien wollten "die
Legende" ein Mal live erleben und schminkten sich dafür sogar
richtig gut .
Das
Alter des durchwegs begeistert wirkenden Publikums bewegte sich nach
meiner Einschätzung so zwischen 8 Jahren und 55+. Und Gene Simmons
drückte es für das ZDF Frühstücksfernsehen sinngemäß aus : "Wir
spielen schon für drei Generationen von Fans. Viele, die uns heute zum
ersten Mal sehen, haben von unserer Legende gehört . Aber es stimmt:
den Weihnachtsmann gibt es nicht , wir sind hier. "
Der
eine oder andere Fan besaß zwar noch die Milchzähne , machte aber
schon die Pommesgabel im (geschminkten!) Kiss Outfit wie ein Großer.
Und die Fans der ersten Stunden ("Wir wollen aber nicht mit aufs
Foto!") brachten sogar ihren portablen Plattenspieler im
Orangton der 70er Jahre mit. Somit konnten sie sich bei strahlendem Open
Air Wetter mit den mitgebrachten 14 (!) Platten die Wartezeit bis zum
Einlass versüßen - wie geil ! Und genau dieses Drumherum machte
die Konzerte bisher immer zu einer Art Familientreffen, das ich bei
anderen Bands bisher nie so intensiv erlebte. Vielleicht war das ja auch
der wahre Grund, warum ich zum Konzert gefahren bin, wer weiß?

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Und
die Band selbst zeigte eine wahre Spielfreude, besonders Paul
Stanley war sehr gut drauf : "We gonna play now a song from
1983...one of the new ones". Oder : "Ick bin aain Bäälina!"
- Schade, dass die lokalen Zeitungen nur diesen Satz zitierten und damit
den historischen Zusammenhang völlig zerrissen. Denn der darauf
folgende Satz hieß: "My Mutta was born and grew up in Berlin in
the Joakimstaler Street!" . Auch seine Stimme war viel besser
als 2010 , so dass jene bei
"I Was Made For Loving You" dieses Mal nicht zum fremd
schämen unter den Zuschauern führte. Den, nicht so guten Klang über
den in einigen Konzertkritiken berichtet wurde, konnte ich nicht bestätigen. Aber
mal ehrlich: niemand erwartete bisher bei Kiss einen Ohrenorgasmus wie
zum Beispiel bei Pink Floyd ! Die anderen Herren boten ebenfalls
einen soliden Job. Gene Simmons wirkte dabei allerdings schon etwas
langsamer und eingeschränkter als 2010.
Eric Singer wirbelte wie eh und je die Drumsticks um sich herum.
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Einzig
Tommy Thayer machte für mich wie schon bisher den Eindruck eines "Ersatz-Ace"
oder Lückenfüllers auf der Bühne. Irgendwie konnte er aus meiner
Sicht trotz seiner musikalischen Fähigkeiten, nie vollständig den
Platz von Ace "Space" Frehley einnehmen. Die
Kameraaufnahmen , die auf der riesigen Bildschirmleinwand zu sehen
waren, bestanden zu gefühlten 70 Prozent aus den Gründern
dieser Band, Gene und Paul. So dass auch dem letzten Besucher klar
wurde, wer Kiss und deren Motor 2013 eigentlich wirklich sind.
Ein
paar Gimmicks funktionierten , warum auch immer , zwar nicht (die neue
"Bühnenspinne" war starr, Gene flog nicht an die Decke und
Paul nicht über das Publikum zur B-Bühne), aber das war hier überhaupt
kein Problem. Zusammen gefasst ist zu sagen, das dieses Konzert für
mich das beste war, das ich bisher gesehen hatte, und das obwohl die
Show ca. zur Hälfte im Tageslicht gespielt wurde und den Herren Simmons
und Stanley das eine oder andere Mal durchaus ihr Alter anzumerken war -
Kiss Konzerte lebten bisher immer von der Show, und natürlich von den 4
Typen , die aus einem Comic entsprungen zu sein, schienen . Das war einfach
eine geile Rock n Roll Party mit viel Geknalle, Feuer und Konfetti sowie
tollen Songs, die selbst jeder Erstbesucher eines Kiss Konzertes
mitsingen kann. Da war und ist es fast egal , wie alt sie sind oder ob
sie nun Ace oder Tommy heißen. Oder wie Nina Hagen es in Ihrem Song
"TV-Glotzer" ausdrückte : " Ich kann mich gar
nicht entscheiden, es ist alles so schön bunt hier!" Allerdings
hatte ich mir nach dem Konzert vorgenommen, sie nun nicht mehr live
anzusehen, denn irgendwann ist ja auch mal gut....oder ??!
Bericht
& Fotos: Matthias Grauer |