Es ist in der Tat kaum zu glauben wie schnell die Zeit vergeht ! Gerade mal drei Jahre ist es her, dass ich Kiss zum letzten Mal  in Hamburg live on Stage gesehen hatte,  und schon befand ich mich erneut im Publikum des einzigen Deutschlandkonzertes dieser Band,  das sie innerhalb ihrer aktuellen  "Monster" Welttournee gaben. Eigentlich hatte ich mir 2010 nach dem Konzert vorgenommen, sie mir nicht mehr live anzusehen. Ich hatte alles ein paar Mal gesehen und irgendwann ist ja auch mal gut. Doch was ist geschehen? Erstens:  2012 erschien ihr respektables 20. Studioalbum "Monster". Zweitens: sie spielten auf der wunderschönen Waldbühne in Berlin. Und drittens:  Was interessierte mich mein Geschwätz von 2010 ?!
 



Gegen 19.30 Uhr sollte die Vorgruppe "Five Fingers Death Punch" die Stimmung anheizen.

Der Bandname bezieht sich auf den Film "Kill Bill Vol. 2." und eine, darin vorkommende tödliche Art von Karate. Nun, vielleicht hat ja jemand mit diesem Karateschlag ein Kabel zertrennt? Denn da es angeblich kleinere technische Probleme beim Aufbau der Bühne gab, hatte die Band kaum mehr als 4 Songs Zeit , das Publikum von ihren Qualitäten zu überzeugen. So richtige Stimmung konnte in der Kürze der Zeit natürlich nicht aufkommen, und nicht nur für mich passte sowohl die Optik als auch diese  Musik nicht so richtig um als Support für Kiss zu fungieren. Zumal es auch noch sicherlich ein schweres Los war, Anheizer für Kiss zu sein: Wer in seinem Vokabular  nach jedem dritten Wort ein fuck einwirft und fragt "Are you fucking ready for fucking Kiss ??!!" , der braucht sich auch nicht zu wundern, wenn ihm nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt wird. Vielleicht wollten Kiss auch auf Nummer sicher gehen und keine Vorgruppe mehr haben, die ihnen später das Wasser abgraben könnte. So wie in den 70er und 80er Jahren die damaligen Vorgruppen Scorpions, Iron Maiden und Bon Jovi mitunter getan hatten.
Aber es war zumindest eine prima Untermalung zum Bier holen.
 

Um 20.15 Uhr ging es dann endlich los. Dies geschah wohl deshalb so früh, weil man hier von Haus aus seitens der Stadt pünktlich um 23 Uhr (andere Stimmen sprachen von 22 Uhr) den Saft abdreht....München lässt grüßen.


Konnte man sich als Opener früher auf  "Detroit Rock City" und zuletzt  "Deuce" verlassen wie auf die Tagesschau um 20 Uhr, so wurde hier die Setliste praktisch auf den Kopf gestellt: "Psycho Circus" machte den Anfang, "Rock n Roll All Night" kam zum Schluss. Anschließend folgten noch drei Klassiker schlechthin , darunter war auch "I Was Made For Loving You" als Zugabe. Spätestens mit dem zweiten Titel "Shout It Out Loud" standen dann auch die Inhaber der Sitzkissen in den oberen Reihen auf den Bänken, denn der berühmte Funke war von Beginn an übergesprungen.  Kiss schafften es nicht nur aus meiner Sicht, in knapp 120 Minuten einen äußerst guten, musikalischen Bogen über ihre, immerhin 40-jährige Bandgeschichte zu spannen, welche hier gefeiert wurde.


Den Schmusesong schlechthin, 'Sure Know Something' nach dem zahlreiche Damen lechzten, durfte Eric Singer jedoch (wieder mal :-) ) nicht singen. Dieser Titel blieb nur einer Hand voll Fans vorbehalten, und zwar denjenigen, denen neben einem Shake Hand vor dem Konzert als Inhaber eines sündhaft teuren Meet & Greet Tickets als Leckerbissen auch noch ein privates Accoustic Set präsentiert wurde. Wow! 
 

Kiss ließen sich von Beginn an nicht lumpen und rollten auch hier wieder mit anscheinend mehreren Sattelschleppern voll Pyrotechnik an. Na ja klar !!  Unter anderem  waren  viele der 16000 bis 20000 Zuschauer (die Medien waren sich da nicht so ganz einig) , z.T. aus Polen, Süddeutschland und sogar aus Österreich, angereist. Selbst in Berlin lebende Fans aus Brasilien wollten  "die Legende" ein Mal live erleben und schminkten sich dafür sogar richtig gut . 

Das Alter des durchwegs begeistert wirkenden Publikums bewegte sich nach meiner Einschätzung so zwischen 8 Jahren und 55+. Und Gene Simmons drückte es für das ZDF Frühstücksfernsehen sinngemäß aus :  "Wir spielen schon für drei Generationen von Fans. Viele, die uns heute zum ersten Mal sehen, haben von unserer Legende gehört . Aber es stimmt: den Weihnachtsmann gibt es nicht , wir sind hier. "

Der eine oder andere Fan besaß zwar noch die Milchzähne , machte aber schon die Pommesgabel im (geschminkten!) Kiss Outfit wie ein Großer. Und die Fans der ersten Stunden ("Wir wollen aber nicht mit aufs Foto!")  brachten sogar ihren portablen Plattenspieler im Orangton der 70er Jahre mit. Somit konnten sie sich bei strahlendem Open Air Wetter mit den mitgebrachten 14 (!) Platten die Wartezeit bis zum Einlass versüßen - wie geil ! Und genau dieses Drumherum machte die Konzerte bisher immer zu einer Art Familientreffen, das ich bei anderen Bands bisher nie so intensiv erlebte. Vielleicht war das ja auch der wahre Grund, warum ich zum Konzert gefahren bin, wer weiß?  

Und die Band selbst  zeigte eine wahre Spielfreude, besonders Paul Stanley war sehr gut drauf  : "We gonna play now a song from 1983...one of the new ones". Oder : "Ick bin aain Bäälina!" - Schade,  dass die lokalen Zeitungen nur diesen Satz zitierten und damit den historischen Zusammenhang völlig zerrissen. Denn der darauf folgende Satz hieß: "My Mutta was born and grew up in Berlin in the Joakimstaler Street!" . Auch seine Stimme war viel besser als  2010 , so dass jene bei
"I Was Made For Loving You" dieses Mal nicht zum fremd schämen unter den Zuschauern führte. Den, nicht so guten Klang über den in einigen Konzertkritiken berichtet wurde, konnte ich nicht bestätigen. Aber mal ehrlich: niemand erwartete bisher bei Kiss einen Ohrenorgasmus wie zum Beispiel bei Pink Floyd ! Die anderen Herren boten ebenfalls einen soliden Job. Gene Simmons wirkte dabei allerdings schon etwas langsamer und eingeschränkter als  2010.
Eric Singer wirbelte wie eh und je die Drumsticks um sich herum.

Einzig Tommy Thayer machte für mich wie schon bisher den Eindruck eines "Ersatz-Ace" oder Lückenfüllers auf der Bühne. Irgendwie konnte er aus meiner Sicht trotz seiner musikalischen Fähigkeiten, nie vollständig den Platz von  Ace "Space" Frehley einnehmen. Die Kameraaufnahmen , die auf der riesigen Bildschirmleinwand zu sehen waren, bestanden zu gefühlten 70 Prozent  aus den Gründern dieser Band, Gene und Paul. So dass auch dem letzten Besucher klar wurde, wer Kiss und deren Motor 2013 eigentlich wirklich sind. 


(c)Belleville62

Ein paar Gimmicks funktionierten , warum auch immer , zwar nicht (die neue "Bühnenspinne" war starr, Gene flog nicht an die Decke und Paul nicht über das Publikum zur B-Bühne), aber das war hier überhaupt kein Problem. Zusammen gefasst ist zu sagen, das dieses Konzert für mich das beste war, das ich bisher gesehen hatte, und das obwohl die Show ca. zur Hälfte im Tageslicht gespielt wurde und den Herren Simmons und Stanley das eine oder andere Mal durchaus ihr Alter anzumerken war - Kiss Konzerte lebten bisher immer von der Show, und natürlich von den 4 Typen , die aus einem Comic entsprungen zu sein, schienen . Das war einfach eine geile Rock n Roll Party mit viel Geknalle, Feuer und Konfetti sowie tollen Songs, die selbst jeder Erstbesucher eines Kiss Konzertes mitsingen kann. Da war und ist es fast egal , wie alt sie sind oder ob sie nun Ace oder Tommy heißen. Oder wie Nina Hagen es in Ihrem Song "TV-Glotzer" ausdrückte :  " Ich kann mich gar nicht entscheiden, es ist alles so schön bunt hier!" Allerdings hatte ich mir nach dem Konzert vorgenommen, sie nun nicht mehr live anzusehen, denn irgendwann ist ja auch mal gut....oder ??! 
Bericht & Fotos: Matthias Grauer