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25.9.2002 München  Bongo Bar
Dr.Feelgood

Jawohl - here we go! Das ist Rock'n'Roll, nicht mehr und nicht weniger. Von wegen abgetakelte Rentner-Oldieband. Auch wenn Dr.Feelgood zum größten Teil so aussehen wie rüstige Opas jenseits der Midlife-Crisis, die Vorstellung, die diese Combo da oben bietet, übertrifft jegliche Vorstellungen. Da krachen die Schwarten, da biegen sich die Bühnenbretter, die die Welt bedeuten, um gleichzeitig ein gewaltiges Inferno zu entfachen. Und glaubt mir - kein Wort ist hier auch nur einen Millimeter übertrieben.

 Dr.Feelgood, die Band mit absolutem Kultstatus sind 100% Power, lassen keine Zeit zum atmen, steigen auf Tische, werfen sich ins Publikum, klettern bis unter die Decke und gehen brachial zu Boden. Und ganz nebenbei legen die Engländer eine musikalische Genialität an den Tag die seinesgleichen sucht. Ich bin beeindruckt, und nicht nur ich. Spätestens bei "Milk & Alcohol" steht keiner mehr still an seinem Platz, und der Club kocht wie Hot Chilly, extra scharf, kurz vor dem Siedepunkt. Eine Sonneneruption ist ein Rinnsal auf einer Blumenwiese, verglichen mit dem was da abgeht. Es gibt keinen, aber auch wirklich absolut keinen einzigen Kritikpunkt an diesem Intermezzo.- Amen!

Heilige Jungfrau Maria, ich hoffe, du hast Josef gelehrt, wie man Tschatschatscha tanzt.-  Man sollte so mancher Hardrock-Band wirklich einmal vorführen was richtiger Rock'n'Roll ist, und vor allem wie er sich darstellt. - Unter uns Betschwestern,.... mehr gibt's dazu wirklich nicht mehr zu sagen. Außer vielleicht dem Umstand, dass es nur eine Sache gibt, bei der man hinterher noch mehr k.o. ist. ....... Beide sind nebensächlich aber immerhin am schönsten, oder?


24.9.2002 Augsburg   Rockfabrik
Hughes/Turner Project

Rock-Ikonen sind auch nur Musiker. PENG!
Diese Tatsache hat mich spätestens beim Blick durch den Sucher meiner Kamera wie ein Blitzschlag getroffen. Mein lieber Schwan! - Was für ein Segen, dass uns der moderne Fortschritt heutzutage  so viel High-Tech in Bezug auf Beauty-Estethik beschert. Somit ist es auch dem, am längsten gedienten Rockstar möglich, der breiten Masse ewige Jugend vor zu gaukeln, wenn auch mit einigen Macken. 
Wie auch immer, solange die Darbietung faltenfrei bleibt, und dort kein Lifting von Nöten ist, sieht man über die, etwas zu glatt gezogene Mimik, ein Toupet und ein Wohlstandsbäuchlein  geflissentlich hinweg. Joe Lynn Turner (den dies vor allem betrifft) und Glen Hughes sind zwei solche Ikonen, jeder auf seine Art und Weise. 

Und da doppelt gewickelt bekanntlich besser hält, und man die Liquidation eines Mythos vermeiden will, treten die beiden "Gods Of Classic-Hardrock" eben gemeinsam auf. Die zwei Legenden massieren sich gegenseitig, sei es in Bezug auf doppelte Aloe Vera an Klassikern, die Rockgeschichte gesalbt haben, oder die Wechselbäder akkustischer Darbietung auf Grund von eventuellen altersbedingten, rheumatischen Handicaps. Eines muss man Glen Hughes und Joe Lynn Turner neidlos zugestehen. Die orale Ausdrucksstärke hat, jedenfalls bis jetzt, den unvermeidlichen physischen Alterungsprozess spurlos überstanden. Turner jubiliert nach wie vor wie eine Nachtigall auf Freiersfüßen, und Hughes schafft locker die drei Oktaven, die ihn schon 1973 auszeichneten, als er, (lt. eigener Aussage heute abend,)  die Erleuchtung durch Meister Blackmore erhalten habe. Deshalb dürfen auch die Purple-Klassiker "Burn" und "Stormbringer" nicht fehlen. Ebenso sind Black Sabbath und Rainbow - Tunes im Repertoir des Duos enthalten, als regenerierendes Peeling sozusagen. Die Frischzellen-Kur stammt hingegen hauptsächlich aus dem aktuellen Huges/Turner Projekt-Album. 
Resultat dieses Wellness-Pakets samt kosmetischem Feinschliffs ist eine solide Grundierung mit Camouflage-Make-up versehen, dick aufgetragen, und perfekt in Szene gesetzt. Nur die leichten Schatten unter den Augenringen erinnern an vergangene, bessere Zeiten. Aber Spiegel sind geduldig, und Schatten lassen sich vertuschen. Lang lebe die Industrie!

19.9.2002  22Uhr30, München  Garage
Raging Slab

Southernrock is dead, hoch lebe der Südstaatenrock! Hier bei uns in Good old Germany ist weder das eine wirklich der Fall, allerdings das andere schon überhaupt nicht. Ja, es gibt sie noch, die Die-Hard-Südstaatenflaggen-T-Shirt-Träger mit Cowboyboots- Hut- und Sporen und der obligatorischen Bier- bzw. Whiskey-Cola Dose. Und der selbstgedrehte Joint darf selbstverständlich auch nicht fehlen.

 Hin und wieder sieht man die Nostalgiker der Mississippi-Philosophie bei dem einen oder anderen Smoke Stakes Lightning-Event. Nur an diesem Abend hatte der Spruch "Vom Winde Verweht" grausame Realität angenommen aus was immer für welchen Gründen. Raging Slab gibt's seit fast 20 Jahren, Raging Slab haben ein gutes Dutzend Scheiben im Gepäck, aber Raging Slab sind noch immer Unbekannte im exotischen Germany. Und sogar in ihrer Heimat kennt man die sogenannten Stonerrocker nur südlich des Missouri. Schade, denn die vier Patrioten hätten einen näheren Augenschein wahrlich verdient. Die Gitarren werden bearbeitet, als handele es sich dabei um dampfende 12-Zylinder-Motoren von 20 Formel-1 Boliden, und der Schlagzeuger macht den Eindruck, als ob er Pate bei "Einer flog über's Kuckucksnest" gestanden hätte. 

Meine Herrn, da bleibt kein Ohrstöpsel an seinem Platz. Aber es nützt alles nix in dieser Nacht, und viel "Lärm um nichts" kann wortwörtlich genommen werden. Schade, denn hier handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um eine Band, die mit dem Publikum wächst. Demzufolge ist ihr wahres Talent heute abend  nur unterm Elektronen-Mikroskop erkennbar. Bevor ich's vergesse.... wie war das mit "Bent For Silver... why Don't You Bend For Gold?"


19.9.2002  20Uhr München  Colosseum
Right Said Fred  

Da oben steht er, die Inkarnation eines Sexsymbols schlechthin, der erotischste Mann auf diesem gottverdammten Planeten. Und da steh ich unten im Fotograben, mit dem Finger auf dem Auslöser meiner Kamera und vergesse vor lauter Verzückung den Knopf zu drücken. Beim Anblick von soviel geballter Ladung Sex in Form von stählern, durchtrainierten Muskeln, eingeölter, stark behaarter Brust und Oben-Ohne Markenzeichen (Glatzen können ja so erotisch sein!), entschlüpft mir nur ein wehmütiger Seufzer, und der Gedanke: warum bin ich kein Mann?! Aber man kann halt nicht alles haben im Leben, und unserem göttlichen Richard Fairbrass gefallen, im Gegensatz zu seinem Bruder Fred, bekanntlich kleine Jungs besser als die Mädels. Da bist du einfach machtlos, - was soll's. 
"Right Said Fred" sind Brit-Pop pur. "Right Said Fred" sind sieben Leute auf der Bühne, aber eigentlich ist da nur einer. Alles andere ringsum degradiert zur Bedeutungslosigkeit. Spätestens bei "I'm Too Sexy - For Your Love" braucht keiner mehr Viagra in dieser heiligen Halle, ob Mann mit Frau, ob Frau mit Mann, oder eben Mann mit Mann, um sich den nötigen Kick zu holen. Dafür sorgt schon unser Valentino des 21sten Jahrhunderts mit der Leichtigkeit des Sein und eben jenem Sexappeal der die Orgasmusfähigkeit  eines jeden zweiten Besuchers um Welten verbessert. 

"Right Said Fred" sind Lebensfreude pur, - zum mit-singen, zum mit-wippen, zum mit-tanzen und zum mit....... okay lassen wir das. Erregung öffentlicen Ärgernisses lohnt sich nicht. 
Ach ja, und wie gesagt, ich bin immer noch eine Frau...........






31.8.2002 München  Königsplatz
Peter Gabriel

Ach du heiliges Kanonenrohr. Wach ich, oder träum ich. Ich dachte immer, Jahre gehen spurlos an Rockstars vorüber, sieht man mal gnädig von diversen Exzessen ab, die die Gesichter der Künstler  oftmals wie ein umgegrabenes Salatbeet zeichnen.-

Erinnern wir uns an Peter Gabriel, als dieser vor mehr als 10 Jahren sein damaliges Werk "US" mit zeitlosem jugendlichem Elan promotete. Jetzt ist (endlich) "UP" da und mit ihm auch wieder Peter Gabriel, nur mit dem kleinen Unterschied, dass vom jugendlichen Elan nicht mehr viel übrig geblieben ist. Aber wenigstens fehlen die vorhin genannten Ackerfurchen. Ja, was denn nun? Kurz und gut, da oben auf der Bühne steht ein angehender Großvater, jenseits der Midlife-Crisis. Etwas in die Breite gegangen, ergraute Schläfen und oben ohne, strahlt die Ikone des Art-Rocks doch jene ihm so eigene intellektuelle Souveränität aus, die ihn schon zu Genesis-Zeiten auszeichnete. Allerdings ist Gabriels spontane Gestik einer wahrscheinlich, altersbedingten Gemütlichkeit gewichen. Auch die Tatsache, dass es sich bei diesem Auftritt zum 20-jährigen Jubiläum von Virgin-Records auf dem Münchner Königsplatz  nur um eine eingeschränkte Headliner-Performance handelt, vermag es dennoch den Allrounder nicht hinter seiner Keyboard-Festung am linken Bühnenrand  hervor zu locken. Töchterchen Melanie, gleich neben Daddy platziert, steht ihrem alten Herrn in Bezug auf spritzigen Esperit in nichts nach und gibt dem Begriff Mauerblümchen eine neue Sichtweise. Nein, Ironie beiseite, bei der Gabriel-Band handelt es sich definitiv um erstklassige Musiker, die ihr Handwerk wahrlich verstehen, und was wichtig ist, äußerste Spielfreude an den Tag legen. Da stimmt wirklich jeder Ton und jede Harmonie. Stücke vom brandneuen Werk "UP" wechseln sich mit alten Perlen ab. Nur die Chorgesänge einiger treuer Anhänger, verlangend nach "Shock The Monkey" und "Sledgehammer" werden vom Meister geflissentlich überhört. Er hat's halt einfach nicht mehr notwendig. -

The "Best known Baldhead in the Business" stellt ihn Peter vor. Ist zwar zu bezweifeln, was die breite Masse angeht, aber Tony Levin gehört mit Sicherheit zu den brillantesten Bassisten auf diesem Planeten, und das sieht man, pardon - hört man auch bei dieser Performance. Aus dem geplanten 60 Min. werden ganze 90, und Gabriel lässt es sich nicht nehmen noch ein allerletztes Mal zurück zu kommen, um im Alleingang noch eins drauf zu setzen. Mit "Hier Kommt Die Flut" brilliert er mit seinem germanischen Sprachschatz, auch wenn wir,unter uns gesagt, die englische Version wahrscheinlich besser verstanden hätten. Danach ist endgültig Zapfenstreich. - Der Flieger wartet schon, und alte Herren können halt nicht mehr so lange..... die Nacht durchmachen....