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14. 11. 2003 München  Babylon
Thin Lizzy

Dazu möchte ich dieses Mal nicht mehr viele Worte verlieren, habe ich doch das Thema erst im Juni ausführlich zerkaut und zwar nicht gerade im positvsten Sinn.
Also will ich so kurz drauf nur einige wenige Vergleiche zu letzten Mal ziehen. Verändert hat sich nicht viel. Vor allem nicht die Setlist. Aber kein Wunder.... Thin Lizzy hatten nur eben jene Songs, nicht mehr und nicht weniger. Und es werden auch in Zukunft nicht mehr dazu kommen. Aus, basta und finito. John Sykes, angeblich krank an jenem Abend, sonnt sich nach wie vor im Rockstar-Dasein, gibt sich charmant und betont lassiv. Und Scott Gorham als Twin Tower hält dagegen, allerdings mit einem gekonnteren Maß an symphatischer Bescheidenheit. Die Arroganz eines Herrn Sykes hat sich Gott sei Dank nie auf ihn übertragen. Ansonsten ist alles beim alten. The Boys Are Back In Town und werden, wenn die Kohle stimmt, sicher noch einige Male mehr zurück kehren. Immer die alte Leier, aber  souverän vorgetragen mit der Professionalität alter Show Biz Hasen. Man will ja schließlich den Spirit von Thin Lizzy am Leben erhalten heißt es allgemein. Und seine Brötchen muss man schließlich auf die alten Tage hin, auch noch verdienen. Und wenn’s schon mit einer Solokarriere nicht hinhaut, dann verlassen wir uns lieber auf Legenden, die wir nicht ruhen lassen. Dann klappt’s wenigstens mit dem Zaster. Na ja, zumindest einigermaßen... Ein paar Nostalgiker gibt’s immer noch, die uns unterstützen in der Beziehung.... 
Und Phil Lynott gibt seinen Segen von oben, - oder auch nicht.... Aber der muss schließlich keine Knete mehr verdienen. In Sanktus Fidibus.....  


                                                                                           

13. 11. 2003 Innsbruck  Treibhaus
Marcus Miller

Himmel Hergott und alle Eisheiligen, - nenn mir die drei weltbesten Bassisten dieses gottverdammten blauen Planeten, und ich kann Dir mit Sicherheit einen von ihnen nennen, nämlich Marcus Miller. Der gute Mann hat nicht nur einen Hut auf dem Kopf, sondern auch Wespen im Hintern, bzw. in seinen Fingern. Miles Davis hat ihn zur Koryphäe erhoben und ihn wie Hermes den Götterboten in den Himmel des Jazz-Olymps  aufsteigen lassen. Trotzdem kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Mr. Miller der Rock’n’Roller unter den Cross Over Jazzern ist. Wer so die Sau raus lässt, wie eben Marcus der Große, der kann nur Rock’n’Roll im Blut haben, auch wenn es sich um Jazz, Fusion oder Cross Over handelt. Aber das ist ehrlich gesagt auch sch... egal. Wer „Come Together“ von den Beatles mit so einer geballten Power vom Stapel lässt, als gelte es AC/DC in Grund und Boden zu stampfen, der würde auch Highway To Hell kastrieren, - jede Wette! Miles Davis dem Mentor aller jazzmentalen Dreigestirne wird Tribut gezollt, sozusagen als kleines Dankeschön für den Fußstapfen – Erb- Nachlass. Und irgendwie kann ich mich des unsteten Gefühls nicht erwehren, dass sich unser guter Marcus nicht wirklich für eine stilistische Richtline entscheiden kann.Und recht hat er. Musik ist doch eigentlich nur Musik, egal welchen Pfad wir einschlagen. Und Bass wird schließlich auch überall gezupft, nur vielleicht nicht mit solch einer Leidenschaft, wie eben Marcus Miller es tut. Der Fusion hat eine Zukunft, - Marcus Miller auch, - and he can leave his head on..... 
Wir haben nichts dagegen, - im Gegenteil! Miles Davis Erbe ist gerettet, und Zeus lässt Hermes frohlocken mit Leidenschaft, vier Basssaiten und .... – einem Hut!

                                                                                        

12.11. 2003 München  Zenith
Skid Row/Def Leppard

Ein Dreierpack mit Handycaps….

Ricky Warwick einst Aushängeschild von “The Almighty”, versucht sich im Alleingang eher als intellektueller Songwriter lammfromm im akustisch-melancholischem gehobenen Niveau beheimatet. Nein, mein Guter, - das gelingt Dir nicht wirklich. The Almighty waren böse, aggressiv und wirklich Heavy Metal…. Und das war gut so. Das was Du uns hier präsentierst, ist ein müder Abklatsch, eine Verleugnung seiner selbst und eine Performance, die uns  hoffen lässt, hoffentlich ist’s bald vorbei. Aber wer weiß, wenn der Zaster erst zur Neige geht, dann reformieren sich auch The Almighty wieder.... Wäre ja nicht die erste Reunion aus diesen Gründen.....

Skid Row, auferstanden von den Toten, allerdings ohne ihren Heiland Sebastian Bach. Tja, was soll man dazu sagen. Bach ist und war Skid Row in den Achtzigern, ohne wenn und aber, Mädchenschwarm mit blondem Endlosshaar und Babyface, aber markantem Stimmorgans. Klar, die Songs haben andere geschrieben, Snake Sabu und Rachel Bolan. Und genau jene haben das gesunkene Schiff wieder hochgehievt. Die Ruder sind nach wie vor vorhanden, nur der Mast fehlt eben. Und vom traditionellen skidrowischen Hardrock hat man sich zum sogenannten New Metal bekannt. Wahrscheinlich um up to date mit den Youngsters der Szene mithalten zu können. Ja, ja, auch hier bewahrheitet sich wieder das Sprichwort: Schuster wärst du doch bei deinem Leisten geblieben. Ihr wärt wahrscheinlich wesentlich besser gefahren. Snake hat sich vom Langhaar Adonis in einen Posthum Punker verwandelt, der die alten wilden Zeiten in gewisser Hinsicht aufleben lassen will, und Rachel scheint am Ozzy Osbourne Look A Like Contest teilgenommen zu haben. Sorry Boys, aber das bringt das Fass auch nicht mehr zum überlaufen. „Remember Yesterday“ in neuem Gewand von der Power-Ballade zum aggressiven Punkrock-Plädoyer umformatiert, reißt das Ei auch nicht mehr aus der Schale. Nein, Jungs, da müsst Ihr Euch schon was besseres einfallen lassen, um die Glory Times von einst wieder Revue passieren zu lassen. Wie wär’s zum Beispiel mit einer Versöhnung mit Sebastian? – Um den Anfang zu machen......

Def Leppard, nun, - auch beim dritten Streich an diesem Abend hat der Zahn der Zeit genagt. Und das liegt vor allem an dem altersbedingtem Verschleiß  der Stimmbänder von Herrn Elliott, dem Schmunzelmonster. Nein, nicht wirklich, der ist nur der Namensvetter, - sorry. Musikalisch wäre an den tauben Leoparden ja auch  nach wie vor nichts zu bekritteln, aber die Vocals sind nun mal das A und O einer Rock’n’Roll Performance. Und wenn die den Opa nicht mehr hinterm Ofen hervor holen, was dann sonst? Sämtliche hervorragende Gitarrensoli eines Phil Collen nützen nichts, um dem Gesamtbild den notwenigen letzten Pfiff zu verleihen. Wenn dann noch die Akustik der Wirkungsstätte mehr als nur zu wünschen übrig lässt, dann trägt das nicht gerade dazu bei, die Fachwelt und die Fans der ersten Minute von einem durch und durch gelungenen Auftritt zu überzeugen. Verglichen mit dem absloutem Supergau von vor drei Jahren im Circus Krone verhält sich diese Zur Schau Stellung wie ein mildes Mailüftchen im Dezember. Lediglich bei „Pure Some Sugar On Me“ kommt die alte Leidenschaft und die energiegeladene Nostalgie von einst zur Geltung. Gott sei Dank kann man nur sagen, sind im Publikum genügend Fans und Rock’n’Roll Liebhaber, die gewisse Aspekte nicht ganz so kritisch beäugen wie wir kompetenten Presseheinis. Deshalb  gibt’s auch alles in allem positive Resonanzen, die lediglich bei uns Fachidioten einen etwas bitteren Nachgeschmack hinterlassen. I don’t know…. Vielleicht sind wir einfach nur zu überkritisch. Rock’n’Roll ist doch eigentlich Fun, - und hinter uns die Sintflut... Jeder hat mal einen schlechten Tag, oder?!!!!  

                                                                                     

9. 11. 2003 München  Garage
Pride Of Lions

Ab und zu muss man immer wieder feststellen, dass, je weniger man sich von einer Sache verspricht, desto eher wird man dann positiv überrascht. Klar, wir wissen, dass Pride Of Lions, das neue Projekt von Jim Peterek, dem Gitarristen, der einst mit Survivor und „Eye Of The Tyger“ für einen Welterfolg sorgte. Lang, lang ist’s her, und wiederholen hat er das ganze auch nie wieder können. Wär auch zu schön gewesen. Der Schatten vom Tigerauge wird den Gitarrero wohl den Rest seines Musiker - Lebens begleiten. Damit hat er sich auch abgefunden. Aber eine Reunion, bzw. nochmalige Zusammenarbeit mit Survivor, bzw. mit dem was davon noch übrig ist von damals, kommt für ihn nicht mehr in Frage. Das steht fest. Sein täglich Brot verdient er so genauso, wenn auch nicht mehr ganz so üppig. Und momentan versucht er sich mit Toby Hitchcock, einer jungen hoffnungsvollen Nachtigall, die erstens easy sein Sprössling sein könnte, und zweitens locker die kompletten Fischerchöre in den Schatten stellt, dank seines Stimmvolumens. Wahrscheinlich aus finanziellen Gründen kommen die Beiden als Duo zu uns für eine vorerst einmalige Kostprobe ihres Könnens. Nach dem Motto: mal schaun, wie’s überhaupt ankommt. Bass und Schlagzeug kommen aus dem Computer, - ist wie schon erwähnt billiger. Und genau anhand dieser Tatsache sind auch unsere Erwartungen weniger in astronomische Höhen geschraubt. Zumal der Club nicht gerade aus den Fugen birst anhand nicht vorhandener Massen. Und die Wenigen die mit ihrem Bier in der Hand der Dinge harren, die da kommen sollten, glänzen auch nicht unbedingt in erwartungsvoller Stellung. Aber genauso schnell wie Sonnenschein auf Regen folgt, ändert sich das Klima in den heiligen Räumlichkeiten der Garage schlagartig. Und wir alle wachen auf wie beim berühmten Paukenschlag von Joseph Haydn. 

Das was hier abgeht, ist schlichtweg phänomenal gut. Nein, es ist so hervorragend, dass viele von uns sich weigern zu glauben, dass Tobys Stimme nicht vom Band kommt, sondern er singt tatsächlich und wahrhaftig live. Mit diesem glasklaren, kraftvollen, absolut fehlerfreien Tenor stellt er sogar Placido Domingo in den Schatten. Wer hätte das gedacht. Und er tut das auch noch mit einer Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit, als ob er nur grade mal ein Ständchen pfeift. Abgesehen davon harmoniert sein Organ so eindrucksvoll mit Peteriks Gitarren - und zeitweiligem Keyboardintermezzo, dass man vergisst, dass hier eigentlich nur eine halbe Band auf der Bühne steht. Vergessen sind alle Vorurteile und verächtlichen Mutmaßungen. Das hier Gebotene ist kraftvoller und ausdrucksstärker als so manche Sechs-Mann-Kapelle. Wir fragen uns, wie ist das erst, wenn alle Bandmembers aus Fleisch und Blut sind, und loslegen? Ein Album unter dem Pseudonym Pride Of Lions liegt bereits vor. Und dieses wird auch durchgeackert. - Um es gebührend zu promoten, versteht sich. Allerdings wäre es in diesem Falle sch.... egal gewesen, was die beiden Amis dahin geschmettert hätten. Dank diesem göttlichen Kehlkopf und der perfekten Untermalung dazu, hätten sie auch Freddy Quinns gesammelte Werke präsentieren können. Es hätte sich wahrscheinlich ebenso himmlisch angehört, na ja, sagen wir mal fast....Und was gibt es besseres, als dieses symphonische Liedgut mit der Hymne schlechthin abzurunden – „Eye Of The Tyger“..... Yiiippiiieehh – Rocky lässt grüßen - ...
und schickt Euch hoffentlich bald wieder nach Europa....

                                                                                          

3.11. 2003 München   Backstage
Helloween/Rage

Wie sagt man so schön? Aller guten Dinge sind Drei. Aber manchmal sind die Dinge besser, wenn sie nur Zwei sind, speziell wenn es um Rockkonzerte geht, wo drei Künstler hintereinander auftretend, leicht zum ermüdenden Bandwurm werden können. Der erste, bzw. die erste Band, meist von eher nicht so großartigem Kaliber,  vermag die Meute nicht aus der Lethargie zu holen. Nummer Zwei, schon etwas bekannter, lässt die Horde schließlich aufwachen und stachelt sie an. Aber wenn dann erst das eigentliche Zugpferd in den Startlöchern liegt, ist die Kondition meist schon im Keller gelandet.... Deshalb ist es, so wie hier allemal fast so was wie ein Glücksfall, dass der erste Anheizer wegen Krankheit, die Segel streichen musste. Rage, Dauer-Durchstarter in Deutschland seit, ich weiß nicht wann, haben Gott sei Dank den Bonus bei den anwesenden Fans fast schon genauso beliebt zu sein wie die Meistros von Helloween selbst. Hier wartet man nicht gelangweilt, dass endlich das Hauptintermezzo beginnt. Hier startet man von der ersten Sekunde voll durch mit sämtlicher Gleich- und Wechselstrom-Energie, die die anatomische Konstitution zulässt. Rage, das sind drei Individuen, die unabhängig voneinander agieren, um dann trotzdem letztendlich eine Einheit zu bilden. Der Big Boss, im wahrsten Sinn des Wortes steht für Imagepflege genauso solide da, wie für visuelle und akustische Hau-drauf-Impressionen. Himmel, hast Du Dich verändert Junge im Laufe der Jahrzehnte. Das Wallehaar von einst, ist dank genetisch bedingter Membran-Verluste einem Heavy Metal Up-to-date Kojak – Hairstyle gewichen, welcher sicherlich so einige Vorteile birgt in Bezug auf Midlife-Crisis - Hitzewallungen und Respekt-einflössender Bühnenpräsenz. Hast mi? – Unterstrichen wird das Powerpaket durch einen Gitarristen, der einerseits beweist, dass es auch noch  ästhetisch ansprechende Figuren in diesem Genre gibt, jedenfalls was uns Frauen betrifft. Andererseits verlässt sich dieser Adonis aber auch nicht einzig allein auf diesen Vorzug, sondern zeigt mit einer wahren Leichtigkeit des Seins, wie brillant er obendrein sein Instrument beherrscht. Kurz und gut, der Wunderknabe spielt genauso gut wie er aussieht. And last but not least und der Dritte im Bund ist das Tier im Mann am Schlagzeug, dass die Welt bedeutet, - jedenfalls für ihn. Und er trischt darauf ein, dass man den Eindruck bekommt, er wolle die komplette Philosophie  des Hardrocks aus den Fellen heraus prügeln. Und das tut er mit einem Feingefühl, als gelte es Libellenflügel zu streicheln.  Alles in allem verträgt sich die Kombination dieses Trio mit all seinen konträren Ambitionen so einzigartig gut, dass man sogar in dieser Art von Musik eine Art von Harmonie erkennen kann. Namen, Songtitel spare ich mir hier an dieser Stelle, denn mit diesem Monolog hier ist eigentlich alles gesagt. Alles weitere ist Ansichtssache.

Helloween, deutsche Institution im Genre haben es nicht nötig sich einmal mehr zu profilieren. Sie sind wer sie sind, und damit Schluß aus und basta. Irritationen gibt es keine nur laszive Gelassenheit nach dem Motto: Ihr könnt uns alle mal. – Wir machen das seit zwei Jahrzehnten, wir gehen keine Kompromisse ein, und wir sind eben Helloween. Egal ob in den nächsten 10 Jahren noch 20 Line up Wechsel folgen, Weiki und Markus halten die Stellung. Egal auch, ob es noch weitere Stilbrüche gibt, oder wir irgendwann – alle meine Entchen – spielen. Dank eben jener Institutionsgeschichte haben Helloween den Bonus sämtliche Vorteile zu genießen, die man in dieser Position eben nur genießen kann. Die Bude ist so oder so voll, und die Fans der ersten Stunde lechzen noch immer nach „Future World“ und „I Want Out“.  – Andy gibt’s ihnen, eindrucksvoll mit unendlich dehnbaren Stimmbänder. All das wird dann noch durch Weikis unschlagbarem Sexappeal samt erotischem Glimstengel im Mundwinkel unterstrichen. Aber das gehört nun mal dazu, sonst wäre Weiki nicht Weiki.... Halleluja mit all seiner energiegeladener Stimulans.

Na ja, alles in allem ein solider Heavy Metal Abend, treu deutsch, treu laut und treu phlegmatisch. – So wie wir’s gewohnt sind, seit 20, oder waren es 25, oder... ach weiß der Geier, wie viel Jahren... ist ja auch sch... egal....  Jünger werden wir eh nimmer.....

                                                                                     

31. 10. 2003 München  Olympiahalle
Deep Purple

Eines möchte ich sofort klar stellen. Steve Morse wird auch nach neun Jahren noch „Der Neue“ bleiben, nicht zuletzt dank seines breiten Ami Slangs. Und er wird auch nie und nimmer einen Ritchie Blackmore ersetzen. Und Don Airey kann den geheiligten Keyboard – Thron  von Jon Lord keinesfalls  mit Meister Proper Hochglanzreinigung rundum erneuern. Ian Gillan wird kein „Child In Time“ mehr schmettern, weil der, wahrscheinlich altersbedingte Kehlkopf-Tenor die obere Oktave nicht mehr erreicht, und Ian Paice wird dank seines frisch-jugendlichen neuen  Hairstyles nie wieder im Zwillings-Kopftuch - Look mit Roger Glover konkurrieren.

Und soll ich Euch „Smoke – On – The – Water – Die Hard - Hardcore - Rock - Fans was ins Trommelfell flüstern?! – Scheiß drauf und schlagt Purzelbäume. Entschuldigt mein französisch. Aber das was hier serviert wird ist schlicht und ergreifend überdimensional fantastisch und einfach himmlisch. Der visuelle Beweis sind 8.000 Irre, Blackmore Verfechter und Lord Anhänger, die ihre sturköpfig-verbohrte Boniertheit von einer Sekunde auf die andere ins Weltall schicken, oder nach Montreux, oder was weiß der Geier wohin, und augenblicklich vergessen, dass Mr. Blackmore jemals mit seinem alten Feind und Kupferstecher Ian Gillan auf der Bühne die Säbel gewetzt hat.

Bei allen Fender Stratocaster – außerirdisch-galaktischen ¾ Takt Akkorden. Aber 8.000 ausflippende, nostalgische  Purple – Patrioten können nicht lügen. Da bleibt kein Augapfel stumpf und trocken. Im Gegenteil, der Glanz stellt jeden Weihnachtsbaum in den Schatten. Ian Gillan, schätzungsweise 15 kg schlanker, - wie hat er denn das geschafft? – und zumindest 10 Jahre jünger geworden, vollführt on stage einen indianischen Regentanz, als gelte es, noch schnell etwas mehr Kondition für den New Yorker Marathon zu schinden. Namensvetter Paice, ebenfalls verjugendlicht wie schon vorhin erwähnt, malträtiert sein Instrument wie Petrus der beim kegeln die Kugel am Horizont verdrischt. Er holt auch noch den allerletzten Beat aus der großen Basstrommel, die wahrscheinlich denkt, ihr letztes Vater Unser hätte geschlagen. Arme Kreatur! - Auch Sir Roger, stets die Fassung würdevoll tragend, gibt sich neuerdings sichtlich schwungvoller und hält sich mitnichten nur vornehm im Hintergrund. Aber der strahlende Mittelpunkt ist mit 1.568facher Sicherheit Steve Morse, der hier und jetzt einen Stunt hin legt, dass wir fast vergessen, dass Jimi Hendrix je existiert hat. Mit Blackmore hat Morse ungefähr so viel gemeinsam wie Harry Belafonte mit AC/DC. Denn dies hier ist keine in sich gekehrte, weltfremde Trauerweide, die einem das Gefühl vermittelt, eigentlich gar nicht anwesend zu sein, und sich als Phantom selbst ein Ständchen präsentiert. Nein, das hier ist ein Super-Strahle-Ami-Sunnyboy, blond blauäugig, dem der Schalk im Nacken sitzt, und der vor Elan und Spielfreude nur so strotzt. Eigentlich kommt Steve Morse aus der filigranen Jazzecke, in der er sich, was seine Soloausflüge betrifft, auch nach wie vor wohler fühlt. Aber wahre Talente sind nun mal Alleskönner. Und Steve gehört mit Sicherheit dazu. Himmel Herrgott und all seine spirituellen guten Flaschengeister. Wir sind noch nicht besoffen, das Bier bleibt in der Kehle kleben und die Begeisterung kennt keine Schallmauern. Morse dealt mit jeder Situation 100%ig perfekt. Sei es ein exzellent inszeniertes „Strange Kind Of Woman“ oder ein brachial proportioniertes „Smoke On The Water“. Dieser Zwerg, der mit 49 aussieht wie 25, na ja, wenigstens aus der Entfernung, aber die Saiten bearbeitet, als gelte es einen neuen Rekord fürs Guinness Buch  zu erzielen, ist der Held des Abends. Der Nibelungenring ist perfekt und Jung-Siegfried hat den Drachen besiegt, pardon, ich meine natürlich das Publikum. Jawohl, das ist Deep Purple der Gegenwart.

Schließen wir die Vergangenheit ab, lassen wir Ritchie Blackmore weiterhin im Mittelalter Barockmusik zelebrieren und Jon Lord Mozarts Erbe fortsetzen. Die Legende hat sich endgültig gehäutet, und aus der alten Boa Constrictor ist eine leuchtend grüne Mamba geschlüpft, die ihr Poison samt Bananas mit nachhaltiger Wirkung und seinem zusätzlichen amerikanischen Giftzahn verspritzt. Vergessen wir den Smoke über Montreux und konzentrieren wir uns auf die Explosion des hier und jetzt und heute. Deep Purple forever again und again und noch mal und überhaupt.... oder wie Roger Glover zu sagen pflegt: say always no, when you mean yes. Oder etwa nicht, oder doch, oder überhaupt, oder wie.....?! Wie schon gesagt, - sch... drauf , - Ladies und Gentlemen, - This is Deep Purple!“