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19. 5. 2004 München  Garage
Shylock/Wicked Sensation

Shylock

Ein weiteres dieser Melodic Rock Gastspiele in unserer lieben Garage hier in München, das von vorne herein eine Totgeburt darstellt in Bezug auf die Zuschauerzahl. Und das liegt mitnichten an mangelnder Werbung und Propaganda, sondern simpel an der Tatsache, dass diese Art von Musik tot, tot und noch mal tot ist. Das traurige ist, dass es weniger die Musik selbst ist, als vielmehr der Begriff. Und dieser steht vorne an. Es ist traurig, aber es ist die Wahrheit.
Shylock sind jung, dynamisch und aus Würzburg. Die Band rund um das blonde Goldengelchen Matthias Schenk lebt ihren Sound. Und die deutlich erkennbare Spielfreude ist der große Bonus der Franken. Sie sind keine Perfektionisten und auch keine Traumtänzer, aber sie sind schwungvoll, sowohl in der Bewegung als auch im Rhythmus, und die Fans übernehmen diesen Vibe. Und das ist letztendlich das ausschlaggebende Plus

Anders bei Wicked Sensation bei denen seit kurzem Fernando Garcia das Gesangsmikro schwingt. Den Herrn kennen wir noch gut aus alten Victory-Tagen. Mein Gott ist das schon wieder lange her! Und bei ihm haben die Jahre tatsächlich so ihre Spuren hinterlassen, sei es die physische Statur oder der immense Beweglichkeits-Radius von sage und schreibe höchstens 2 cm. Meine Herren, meine Oma ist da mit 92 noch ein Spring ins Feld dagegen. Oder sei es der Kehlkopf-Espirit, der anno dazumal noch Gläser zum zerspringen gebracht hatte, uns aber heute keinen Schauer mehr über den Rücken jagt. Der Rest der Truppe wäre gar nicht mal so übel. Aber  wie bei den meisten Formationen  bestimmt nun mal der Frontmann das äußere Erscheinungsbild. Und das erinnert uns gelinde ausgedrückt,  mehr an die Regensburger Domspatzen oder Wiener Sängerknaben, - wie auch immer.
Wicked Sensation holen jedenfalls mit dieser Strategie keinen müden Fan mehr hinterm Ofen hervor. Und als Profis darf man sich halt nun mal von mangelnder Anhängerschar nicht beeinflussen lassen. Denn bei der anfangs erwähnten momentanen Situation, in der sich der Melodicrock befindet, kann sich ein Künstler Spiel Unlust nun wirklich nicht erlauben.


Wicked Sensation

                                                                                              

 

17. 5. 2004 München  Backstage Club
Zombies


Colin Blunstone

 


Rod Argent

Jesus, Maria und Joseph, es gibt sie immer noch, bzw. wieder muss man der Richtigkeit halber sagen. Wir Alten erinnern uns noch an „Time Of The Season“ und „She’s Not There“, zwei Songs, die uns über all die Jahre begleitet haben. Fit sieht er aus der gute Rod Argent und wirkt mit seinen immerhin 60 Jahren mindestens eine Dekade jünger. Und fit ist er auch nach wie vor an seinem Keyboard, das er da malträtiert als gelte es noch schnell den Geschwindigkeits-Weltrekord einzustellen und das mit exzellenter Perfektion. Auch an Colin Blunstone sind die Jahre scheinbar spurlos vorüber gegangen, was die akustische Seite angeht. Visuell...na ja, reden wir nicht drüber. Noch ein Ur-Mitglied von Rod Argents legendärer zweiter Band Argent ist mit von der Partie, und zwar am Bass  sein Cousin Jim Rodford. Und damit alles in der Familie bleibt, sitzt am Schlagzeug Jims Sohn Steve. Fehlt nur noch die Gitarre, und die wird von Keith Airey bedient. Der Name kommt Euch bekannt vor? Klar, das ist Don Aireys Bruder. Und jener spielt im Augenlick bekanntlich Keyboards bei Deep Purple.

Die Zombies sind nur für 3 Konzerte nach Deutschland gekommen, und eines davon findet Gott sei Dank hier in München statt. Da kommt Nostalgie auf und die Erinnerung an alte Tage. Aber, und das ist der springende Punkt, der moderne Touch fehlt keines wegs, denn man will ja schließlich zeitgemäß sein. Und Hits hin oder her, einer darf als letzte Zugabe auf keinen Fall fehlen: „God Gave Rock’n’Roll To You“, den die meisten jüngeren Zuhörer nur in der Version von Kiss kennen. Das Original aber stammt eben von Argent und hört sich, ehrlich gestanden von den Oldies um Längen besser an.
Warum auch immer diese Reunion der Zombies stattgefunden hat, sei es aus finanziellen Gründen, was anzunehmen ist, oder auch aus sentimentalen Aspekten, fest steht, die Band rund um Rod Argent besitzt nach wie vor genügend Potential, um sich auch weiterhin oder wieder zu behaupten. Fehlt nur noch eine neue Hitsingle.


Daddy ...Jim Rodford


...& son Steve

                                                                                          

 

15. 5. 2004 München  Tonhalle
In Extremo

...oder wie das Mittelalter Walzer tanzt. Na ja, sagen wir mal eher Heavy Metal. Zu Robin Hoods Zeiten hätte man Euch wahrscheinlich bei lebendigem Leib geteert und gefedert und anschließend vergenußwutzelt. – Aber wir leben ja Gott sei Dank nicht im Mittelalter, sondern im Atomzeitalter. Und da ist so manches erlaubt, inklusive der Vergewaltigung einer Harfe mittels Hardrock Riff. -
Aber zugegeben es hat was. Sei es der antik-exotische Look unserer Paradiesvögel hier, oder der im reinsten Hochdeutsch gesungene Jargon altgermanischer Epen und Mythen. Wikinger trifft Siegfried den Drachentöter samt Hodenschutz und Military-Springerstiefel der American Airforce. Trotz der etwas skurrilen Mischung der inextremischen Belleboque ziehen die Berliner ihre Fans an wie das Licht die Motten. Und da sich gleich und gleich gern gesellt, findet man auch unter den zahlreichen Besuchern so manchen verkappten Raubritter und Möchtegern-Junker.

Diese Band erfreut sich unheimlicher Beliebtheit, das merkt man. Auch wenn sie selber vom Münchner Publikum hier behaupten, dass es eher in bescheidener Anzahl vorhanden sei mit ‚nur’ etwa 3000 eingefundenen Seelen. Deshalb werden auch prompt drei Songs von der üblichen Setlist gestrichen, weil es lohne sich ja eh nicht. Aber dieser Abzug fällt kaum ins Gewicht bei ca. 2 stündiger Spielzeit, da dies ohnehin schon länger ist, als bei üblichen Rockkonzerten. Da dampfen sie, da schwitzen sie und lassen den Dudelsack Purzelbaum schlagen. Und Sänger Micha entspricht optisch einer Mischung aus Brad Pitt trifft Jean Claude Van Dam(nich) Sexappeal hat er ohne Zweifel, und die meisten Mädels im Publikum würden ihn sicher nicht von der Bettkante werfen. Gott sei Dank haben In Extremo ihren sehr persönlichen Stil und sind nicht etwa eine Kopie von Hinz und Kunz oder wem auch immer. Das ist wahrscheinlich darauf zurück zu führen, dass es diese Gruppe zwar noch nicht in der Antike aber immerhin in der ehemaligen DDR gegeben hat, wo sie sich langsam und allmählich zu dem entwickeln konnten, was sie heute sind. „Ich Bin So Wild Nach Deinem Erdbeermund“... eine Paradenummer mit großer Resonanz seitens der Fans. – Hey, so heißt doch auch Klaus Kinskis  skandalöse Autobiographie. Und die ist alles andere als mittelalterlich. – Nun es soll Zufälle geben was Namensähnlichkeiten angeht. Tatsache ist, bei einem Konzert von In Extemo, auch wenn es mehr als 2 Stunden dauert, wird es keine Minute langweilig. Man muss die Dudelsack-Lauten-Philosophie nur mögen. Und das ist so eine Sache.....