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24. 6. 2004 München  Gr. Elserhalle
Queensryche











Mein Gott waren das noch Zeiten, als Geoff Tate und Chris DeGarmo mit Wallemähne, Hahnenkamm Frisur und spektakulärem Bühnen Outfit die Welt des progressiven Hardrocks unsicher machten. Die Operation Mindcrime und das anschließende Empire Anfang der Neunziger Jahre sorgten für aufsehenerregende Furore. Seitdem ist einige Zeit vergangen und mit ihr auch der Glamour, die Bombastik und der Großteil der Original-Mitglieder. Nur Geoff Tate hält noch eisern die Fahnenstange hoch, und die Stimme hat noch nicht gelitten auf Grund von Alterserscheinung und Zipperlein. Gott sei Dank, sonst würde Queensryche zur Lachnummer verkommen. So aber lässt uns Mr. Tate, mittlerweise auch rüstiger Anfang-Vierziger, doch noch den  Spirit von Operation Mindcrime fühlen inklusive einer voluminösen Blondine, die ihn stimmkräftigst unterstützt. Und da ihm die noch vorhandenen Pluspunkte  vollkommen bewusst ist, schlachtet er jene auch bis zum abwinken aus, indem eben jene Operation Mindcrime Scheibe von A bis Z durch geackert wird, und zwar bis zum letzten Ton. Allerdings kommt dieses Bewusstsein seitens Tates erst ungefähr nach der Hälfte des Sets zum Vorschein. 

Und bis zu diesem Punkt windet sich das Programm eher wie ein zäher Brei durch die Logistik, und die Stimmung bei den gerade mal 500 Seelen liegt beim absoluten Nullpunkt. Die Operation schließt ab mit dem absolut einmaligen „Eyes Of A Stranger“, um noch mal aufzuleben mit dem Exitus „Empire“. Einziger wirklicher Minuspunkt ist des Frontmannes verwegene Jeansjacke, die als Propaganda - Werkzeug umfunktioniert, politische Meinungen demonstriert. (siehe Bild rechts oben). Nur meiner Meinung nach, gehört Politik zwar überall sonst wohin, aber nicht in eine Unterhaltungsshow.     
Alles in allem eine bodenständige Darbietung die an Können der einzelnen Musiker nichts zu wünschen übrig lässt. Und sogar die WASP – geschädigten Gemüter, die für das abgesagtes Spektakel jener Band, Queensryche frei und franko erleben durften, werden irgendwie entschädigt, wenn auch auf etwas andere Art und Weise. Geoff Tate is back again mit frischem Tatendrang, nostalgischer Erinnerung an längst vergangene Tage, moderner Attitude und nach wie vor gewaltigem Tenor. Nur.... mit Queensryche von damals hat das ganze ungefähr so viel zu tun wie Mozart mit den Rolling Stones.... Sei’s drum....das Empire schlägt zurück, und wir akzeptieren – The Art of Live und Queensryche 2004.

                                                                                           


21. 6. 2004 München  Tollwood Festival
Brides Of Destruction / Alice Cooper

Bei allen fünfdimensional-kastrierten Osterhasen, aber Paradiesvögel sind Bankbeamte gegen diese vier Individuen, die uns hier entgegen springen wie wildgewordene Amazonas-Schneehühner. Und genau in jener Sekunde, als die Horror-Picture-Show die Startposition sprengt, ist mir sonnenklar, warum mein  Rendevouz  zum persönlichen Gedankenaustausch mit diesen Karnevalsfiguren samt Pauken und Trompeten geplatzt ist. Da bleibt wirklich kein Auge trocken. Klar, Nikki Six, glorifizierter Mötley Crüe Oberindianer ist das Aushängependant der Zerstörungsbräute. Vor exakt 20 Jahren habe ich den Kerl das erste Mal vor dem Interview-Mikro gehabt, und er sieht immer noch genauso aus. Na ja, fast. Die Leibesfülle hat sich von vertikal auf eher horizontal verlagert, besonders was die Frontseite unterhalb des Brusthaars angeht. Meine Herrn, ein bayrischer Kampf-Biertrinker, würde vor Neid zerplatzen. Der zweite Turm im Bandgerüst heißt Tracii Guns, und ist auch kein unbeschriebenes Blatt mehr, zeichnet doch vor allem er für die Geburt von einstiger Supergroup „Guns’n’Roses“ in den Achtziger Jahren verantwortlich, um diese dann allerdings umgehend wieder zu verlassen, bevor sie überhaupt bekannt waren. Durchgewurschtelt hat sich Tracii dann mit seinen LA Guns, bis auch da das Schachmatt nicht ausblieb.

Seitdem tauchte man zwar unterschiedlich im Glamrock-Gewirr der kalifornischen Pazifikküste wieder aus der Nudelsuppe auf, um sich sofort wieder an den versalzenen Backerbsen zu verschlucken, wenn Ihr versteht, was ich meine. –Aber jetzt, hier und heute kann ja nichts mehr schief gehen. Nikki Six, wobei der Mötley Fan nach wie vor im Unklaren gehalten wird, ob die Band wie und wann auch immer.... und Tracii Guns, dessen einstige Stoßtruppe inzwischen ohne ihn aber mit halleluja durch die Einöden gestrandeter Rock’n’Roll Bands tingelt, haben sich verlobt und ewige Treue geschworen in Sanktus Spiritus.
Und als ob dies nicht genug wäre übt man sich in Bigami dank einem Exotic-Caruso namens London LeGrand  (klingt bombastisch dekadent) und dem Schlagzeug-Guru Scot Coogan. Hillfffeee... here comes the Brides... im wahrsten Sinn des Wortes. Hoch leben die Achtziger, hoch lebt Gary Glitter, der Erfinder dieses Images und hoch lebe unsere Sentimentalität und die Erinnerung an Mötley Crüe. Die Spuke bleibt im Kehlkopf  kleben, wenn diese vier bereits glorifizierten Fantasie-Amis ihre Show abziehen. Abgefahren, total verrückt und....jawohl - hochprofessionell. Denn das sind sie, trotz vermutlicher Drogenbedingter Wahnvorstellungen, mit 100%iger Sicherheit. Hier stimmt jedes Detail, jeder Ton und jeder Move. Nichts ist wirklich dem Zufall überlassen, auch wenn Spontanität  die Szene zu beherrschen scheint. Und ab und an kann ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass jetzt gleich ein Unglück passiert, weil eben jene ausgeklügelte Masche auszuarten droht. Positiver Aspekt stellt auf jeden Fall die Tatsache dar, dass zwar Nikki Six und Tracii Guns die Polposition einnehmen, was den Bekanntheitsgrad und den Kultstatus angeht, aber die anderen beiden noch relativ unbekannten  Querulanten dank effektvoller Zurschaustellung mindestens genauso ins Visier  aller anwesenden Fans geraten. Und letztendlich erleben sie fast die gleiche Anerkennung wie die beiden Oldtimer. Fazit ist eine Einheit, die es wahrlich versteht sich ins richtige Licht zu rücken, fantastisch, eindrucksvoll und absolut durchgedreht. „Here Comes The Brides“ das Ei des Kolum.... äh der Brides wird von vorne nach hinten durch geackert, -  klar will ja auch verkauft werden... und da keinerlei individueller Nachschlag existiert, wird Mötley Crüe von den Toten auferweckt und muss herhalten mit „Dr.Feelgood“, „Live Wire“ und wie könnte es anders sein, mit dem krönenden Abschluss „Shout At The Devil“. Ehrlich gestanden, würden die Originalgötter selbst auf der Bühne stehen, es hätte keinen wirklichen Unterschied gemacht. Die Brides Of Destruction als würdigen Nachfolger zu verkaufen, ist allerdings nicht wirklich am Platz. Mit einer absolut beeindruckenden Performance, die Headliner Alice Cooper mit Tuten und Trompeten an die Wand spielt, nur ganzen zwei Auftritten in Germany und sämtlichen geplatzten Presse-Interviews, zumindest was München angelangt, haben die Bräute der Zerstörung für Furore, Eindruck und todsicheren  Wiedererkennungswert gesorgt. Ob wir sie heute zum ersten und letzten Mal live gesehen haben, sei dahin gestellt. – Warum? – Nun, nächstes Jahr soll’s die Farewell Tour von Mötley Crüe geben, und wenn er Rubel rollt.... dann haben die Brides jetzt schon meinen Segen und ein Vater Unser zur Beisetzung. But that’s Rock’n’Roll....


                                                                                                                    mehr Fotos von BOD  h i e r





Alice, Alice.... bring uns noch ein Hell.... nein nicht doch... wir sind ja nicht auf dem Oktoberfest. Aber, und das ist der springende Punkt, er bringt sie nicht, seine Boa Constrictor, sein Fallbeil und seine, üblicherweise auf der Bühne verstreuten, Liebesknochen. Grund dafür wären die unzähligen Festival-Auftritte in diesem Sommer, die ein installieren der kultigen Cooper Utensilien nicht zulässt, da dieses zu aufwendig und zu kostspielig sei, hieß es. Ja ja, auch Super-Kult-Stars müssen sparen in der heutigen Zeit. Also lässt man es bei einer stink normalen Bühnen Staffage bewenden und gibt sich cool und ungezwungen. Lediglich Mr. Coopers Make up und modisches Odeuvre war noch drin um nicht ganz das Marktwertzeichen zu verlieren. Der Meister der Horrorszenarien beschränkt sich diesmal auf Hut und Stock, Säbel und Peitsche und versucht uns durch gestikulierende und typische Alice-Bravur zu überzeugen. Schafft er – teilweise. Den Alten unter uns geht zwar das Tomatenketchup Spektakel ab, aber nicht die Alltime-Klassiker wie „School’s Out“, „No More Mr.Nice Guy“, „Billion Dollar Baby“, „I’m Eighteen“ und „Poison“.

 
Und die Jungen, derer auch einige unter den nicht mal halb so vielen Zuschauen wie gestern bei Status Quo – selber Ort, selbe Zeit – sind, kennen eben kein Massaker – Schlachtfest, wie es Onkel Alice sonst stets zelebriert. Also wo liegt das Problem? Ganz einfach, aufgeputscht durch eine Wahnsinnsvorstellung einer paradoxen Supportkapelle, empfinden wir das nachfolgende Schauspiel als etwas eintönig und monoton, so als ob irgendwas, irgendwie und sowieso fehlt. Der Zauber ist futsch, und Alice wirkt wie Pater Brown mit Heiligenschein gegenüber den Bräuten des Höllen-Magics.
Man sollte halt beklopfte aber charismatische Individualisten wie Brides Of Destruction nicht vor einer Kultfigur mit hohem Erwartungswert legen. Das könnte auf Dauer in die Hosen gehen... und zwar für Mr. Nice Guy.... Deshalb hol nächstes Mal die Boa wieder aus der Kiste, das Fallbeil und die Gulaschknochen, und verspritz den Tomatensaft über die Kultmelodien aus drei Jahrzehnten mit jenem Espirit, der Alice wirklich Alice sein lässt.... Und vor allem, - schick die Brides zum Jupiter, damit sie uns nächstes Mal mit ihrer eigenen Headliner Show in ihrer abgedrehten Genialität beglücken.... Und über allem schwebt, wie könnte es anders sein,  der Geist von Mötley Crüe...... Amen.
  


Million Dollar Baby


I'm Eighteen