33

25. 8. 2004 München  Gr. Elserhalle
Velvet Revolver

Ei, ei, ei, - wenn ich es nicht besser wüsste, dann hätte ich mich fast der Halluzination hingegeben, dass Freddy Mercury von den Unsterblichen aus dem Nirvana zurückgekehrt sei. Aber aus Nirvana gibt’s erstens keine Rückfahrkarten, und unsterblich ist unser guter alter Freddy-Boy, höchstens was seinen Spirit in – „We Are The Champions“ und „We Will Rock You“ angeht. Nun, vielleicht ist dieser verkappte Village People Polizist da oben, der lang verschollene Zwillingsbruder oder gar die Reinkarnation des Queen Sängers. Weiß man’s? Okay, okay, im Ernst, ich glaube weder an esoterischen Schnick-Schnack noch an irgendwelche parapsychologischen Irrealitäten. –  Und eigentlich sind neunundneunzig Prozent der anwesenden Fans sowieso nur aus einem einzigen Grund da. Nämlich, um sich der Illusion hinzugeben, Guns’n’Roses wären in alter Frische zurück gekehrt, um ein Welcome to the Jungle zu zelebrieren. – 

Nein, nicht doch! Klar wissen wir, dass diese Band hier, sich Velvet Revolver nennt, und dass hier nicht Axl Rose das Zepter schwingt, sondern ein gewisser Scott Weiland, ehemals Sänger von den Stone Temple Pilots. Aber die Tatsache, dass gleich drei Röschen der einstigen Kultband ebenfalls mit regieren, lässt uns unterschwellig in der Illusion wuseln, dass die verlorenen Kinder eben nunmehr wieder heim gekommen sind. – Das Problem ist nur, dass diese Band hier mit Guns’n’Roses ungefähr so viel gemeinsam hat, wie  Elvis mit den Wildecker Herzbuben, und der Frontmann eine fast schon banale Kopie von – Gott hab ihn selig – Freddy Mercury ist. Zumindest was die grazile Erscheinung und die eindeutigen Bewegungsabläufe angeht. Hilfe....! Ne’ Bohnenstange ist ein Fettkloß gegen dieses Individuum da oben, das mit silberner Glitzerhose und der eindeutig zur Schau gestellten physischen  Neigung, seine Show abzieht und jede Sekunde auseinander zu brechen droht. – Aber Ausstrahlung hat er, das muss man ihm lassen, und das um Längen mehr als alle drei Ex-Guns’n’Roses Brüder zusammen. Und so resultiert die anfängliche Euphorie was Slash, Matt Sorum und Duff McKagan angeht, in totaler Hingabe und Huldigung an einen halbverhungerten  Spargel-Gary Glitter, der sich redlich bemüht, die katastrophalen, örtlichen Klangverhältnisse mit intensiver Selbstdarstellung zu  vertuschen. Weiland gibt sich souverän und überheblich. Hat er doch bereits zu Beginn dieser Europa-Tournee einen individuellen Sieg gefeiert in Form von einer vom kalifornischen Gericht aufgebrummten, aber gestundeten Drogen – Entziehungskur, damit diese Konzertreise überhaupt stattfinden konnte. Jawohl, Victory über die Autoritäten nennt man so was. Und Victory feiert er jetzt auch über die Fans, und zwar im Alleingang. Fast scheint es so, als ob die drei Gunners plus einem Gitarristen, der irgendwie eigentlich gar nicht dazusein scheint, nur noch notwendiges Beiwerk sind. Und die anfangs euphorischen – Slash – Rufe aus dem Publikum sind schon längst verstummt. Auch Guns’n’Roses Flair sucht man vergebens. Vielmehr macht sich ein gewisser alternativer Espirit bemerkbar, der lediglich durch vertraute Gitarrenriffs etwas relativiert wird. – „Und wenn jetzt noch ein einziger Bierbecher auf die Bühne fliegt, dann hören wir augenblicklich auf“, - keift unser Möchte Gern – Freddy und plustert sich auf wie ein Pfau. Bislang mit nur einer, aber dafür mehrfach platinierten Scheibe im Polster, katapultiert sich diese Band in einen Superstarstatus, den sie eigentlich gar nicht hat. Hochgepuscht vom Business und den Medien und dem Guns’n’Roses Vergangenheits-Bonus lassen sich Velvet Revolver feiern wie Halbgötter mit unantastbarem Heiligenschein. Nach dem Motto, egal was die da oben machen, oder ob Slash einen Ton daneben trifft, - Hauptsache der Zylinder sitzt gerade. –

 Abgesehen von all diesen Aspekten ist es obendrein höchstfraglich, ob die zahlreichen Apostel da unten im Publikum überhaupt in der Lage sind, diese Performance wirklich richtig einzuschätzen. Zusammengequetscht wie Ölsardinen, dank dem Umstand, dass die 1.100 Kapazitäten umfassende Halle tatsächlich ganze 1.800 Schäflein inne hat, kämpft die Konzentration der meisten Anwesenden zwischen verzweifeltem Selbsterhaltungstrieb und dem auf der Bühne stattfindenden Kunstgenuss, Äquartorialer Saunaeffekt inbegriffen. Aber egal, - da oben stehen drei glorifizierte Kultfiguren und ein affektierter Paradiesvogel, der uns alle obendrein verschaukelt. Denn Eingeweihten ist es bekannt, dass Herr Weiland allemal glücklich verheiratet ist, und zwar mit einem Partner weiblichen Geschlechts. Sollte er jedenfalls des Singens irgendwann überdrüssig werden, könnte er gern und gut auch als Travestiekünstler arbeiten. Bewusst wird an altem Guns’n’Roses Material gespart und fast ausnahmslos das Programm der CD „Contraband“ runter gespult, bis auf eine abstrakte Komposition, aus der „Welcome To The Jungle“ gerade noch erkennbar ist. Aber auch das ist Honigkuchen..... Wir sind Slash Duff und Matt so nah wie noch nie, zumindest was die Entfernung in Metern angeht, und   Scotty beamt uns up mit seiner unwiderstehlichen Aura aus dem, im wahrsten Sinne des Wortes, schweißtreibenden Hexenkessel, aus dem es kein Entrinnen gibt.
Die Show ist over, und war obendrein viel zu kurz mit nur eineinviertel Stunden. Aber frei nach dem Motto, - seid froh, dass wir überhaupt da waren, - entschwinden die Pseudo-Superstars, oder sollte ich sagen, Eintagsfliegen in ihrer Limousine, huldvoll winkend in eine ungewisse Zukunft....

PS.: Und was die Unsterblichkeit angeht, - tja, die bleibt dann letztendlich wohl doch unserem guten alten Freddy vorbehalten, der sich da oben auf Wölkchen 7 ins Fäustchen lacht.... Aber wer weiß, vielleicht gibt’s bald eine brüderliche Versöhnung zwischen Axl Rose und ..... Na ja, und Velvet Revolver heißen dann wieder Guns’n’Roses... – sorry, ich mein ja nur.....

                                                                                                        mehr Fotos  h i e r

Ach ja, eine Supportband gibt’s natürlich auch, und die heißen „Backyard Babies“. Im Schatten der überbewerteten Pseudokulties, rudern sich die vier Schweden die Seele aus dem Leib, um ebenfalls ein Stück vom Kuchen Anerkennung zu erhaschen. Teilweise gelingt das auch, aber der Zauber ihrer ansonsten ehrlichen, rauhen und durchaus guten Performance bleibt hierbei auf der Strecke bzw. im Fahrwasser, - leider. Und trotzdem stehen die Überlebenschancen 150 zu 1 für sie, im Gegensatz zu Velvet Revolver, - denk ich mal.... Kommt wieder Boys, wenn auch in kleinerem Rahmen, so bitte doch als Einmaster. Steht Euch bei weitem besser, beim gesegneten Rock’n’Roll Seemannsgarn. Heute hat sich der Untergang der Titanic jedenfalls wiederholt und die schwedische Arche Noah ist von der Spitze des Eisbergs Velvet Revolver zermalmt, na ja, zumindest angeschlagen worden, dank Fehlnavigation...Hey,..... ein Flaggschiff ist nicht notwendig, - und die eigenen Segel setzen, ist doch nun wirklich kein Problem, oder?! – Beim heiligen Christopherus.....

 

                                                                                            


9. 8. 2004 München Backstage Club
Tito & Tarantula


Arriva!!! Und da sind wir wieder,... zurück aus dem tiefsten Mexiko, - na ja, zumindest spirituell, denn außer Tito Larriva selbst,  hat keiner in der Band mexikanisches Blut in den Adern fließen. – Einige Jährchen ist es jetzt schon her, dass Tito & Tarantula in dem Horror-Gewalt-und Gruselvampirschocker „From Dust ‚Till Dawn“ für Furore sorgten und zu High Speed Ruhm gelangten. Aber die Zeit hinterlässt eben Spuren, vor allem was den Begriff Popularität betrifft, die schon so einiges an Glanz eingebüßt hat im Laufe der vergangenen Monate und eben Jahre. Seit „After Dark“ und „Angry Cockroaches“ ist es dem Wahlamerikaner nie mehr gelungen, einen weiteren großen Fisch an Land zu ziehen. Und nicht mal sein bester Freund Quentin Tarantino konnte ihm dabei noch helfen. – Dabei ist es wirklich jammerschade, denn Tito ist live gnadenlos temperamentvoll und wirklich gut. Scheiß drauf, dass der Sound  hin und wieder nicht ganz stimmt, dank Übersteuerung der Gitarrenamps. Und scheiß auch drauf, dass Tito im Verlauf des Sets zunehmend Probleme mit seiner Stimme hat, die irgendwann mehr an Rabe Rudi erinnert als an mexikanische Lebensfreude. Speedy Gonzales ist am Ende seiner Kräfte, - vielleicht auch, weil er im Gegensatz zum letzten Besuch in deutschen Landen, mindestens um 15 kg weniger auf den Rippen hat. Steht ihm aber nicht schlecht. – Andalusia ist das Motto, und englische Lyrics wechseln sich mit mexikanischer Lebensphilosophie  ab. – Versteht hier eh kein Mensch. Aber was soll’s. Tito schlägt sich wacker und gibt nicht auf, holt sich Vokal - Verstärkung aus dem Publikum, und die Fans danken es ihm....  Im Titty Twister Club (aus dem Movie) – hätt’s nicht höllischer zugehen können als hier. Die Erde bebt, der Kessel ist am dampfen, und alles was nur irgendwie im Weg still rum steht, wird gnadenlos von der wahnsinnig gewordenen Meute mitgerissen. Mit „Angry Cockroaches“ Titos größtem Gassenhauer, - und das wird er wohl auch bleiben, - hat die Stimmung ihren Siedepunkt überschritten. Das Kartenhaus bricht zusammen in absoluter Erschöpfung. Tito kann nicht mehr, - die Fans können auch nicht mehr... Und trotzdem ist die Sucht nach mehr stärker, und zum allerletzten Schlag ausholend setzt Mr. Larriva an und fragt auch noch: „Should I Stay Or Should I Go“.... Ich glaube, diese Frage erübrigt sich, denn egal ob er geblieben wäre oder gegangen ist,.... er hätte ohnehin keinen Ton mehr heraus gebracht. Und wisst Ihr was?.... Alles in allem war es oberaffengeil und die 150%ige Befriedigung eines wirklichen gelungenen Konzertabends hat seine Nachwirkungen in Form von 3 Tage anschließender Heiserkeit meinerseits.... Juhuuuu...wo hab ich mich da bloß angesteckt.....

                                                                                           



2. 8. 2004 Wörgl / Austria  Komma
DIO









Mit 66 Jahren – da fängt das Leben an.....
Nun, da hat unser guter alter Ronnie James Dio ja noch vier Jährchen Zeit, bis sein, mindestens, neuntes neues Leben beginnt. – Aber müde oder alt wirkt der Tenor des Heavy Metal noch immer nicht, auch wenn sein Gesicht eher an einen verschrumpelten Apfel erinnert. Konditionsmäßig up to date, meistert er die 2-Stunden Show in diesem Backofen hier jedenfalls mit links. Herrschaftszeiten, - Ronnie, - hast Du schon mal gedacht bei Marathon in Athen mit zu laufen? Die Chancen stünden zu 99% nicht schlecht. – Ein neues Album ist on the Way. Aber auch wenn sich der eine oder andere melodische Neuling ins Set verirrt, so sind es doch die alten Gassenhauer, die unsere Tiroler Hardrock Spezialisten hinterm Ofen hervor holen. Dazu gehört „Don’t Talk To Strangers“ (übrigens mein persönlicher Lieblingstune) ebenso wie „The Last in Line“. Meilensteine jedenfalls, die schon an die 20 Jahre auf dem Buckel haben, aber immer noch nicht wirklich aus der Mode gekommen sind. 

 
Aber Ronnie ist nicht egoistisch und schwimmt lediglich auf seinen eigenen Lorbeeren. Er lässt Rainbow wieder auferstehen mit „Man On The Silver Mountain“ und „Long Live Rock’n’Roll“. Ein Juwel reiht sich an das andere. Und verstärkt durch Ausnahme - Gitarrero Greg Goldie und Bassist Rudi Sarzo unterstreicht der Miniatur –Troubadour, zumindest in Sachen Körpergröße, eine Darbietung die im Metal-Genre keine Wünsche offen lässt ganz im Stil der Achtziger Jahre Sentimentalität. Einziger Minuspunkt ist die schier unerträgliche Hitze, die die Lokalität in einen Hochofen verwandelt. Im wahrsten Sinn – hotter than hell.... und das alles bei ausverkaufter Kapazität.  Und zum guten Finale "Holy Diver" fragt sich, - wer hat mehr Kalorien verbraucht, - der Hexenmeister höchstpersönlich oder wir armen  Zauberlehrlinge da unten im Gewühl...? – Dio unser im Himmel, geheiligt seien Deine Teufelshörner, dein Wille geschehe, und wir verlassen die Stätte des Geschehens, gebadet und getauft und huldigen dem Master of The Moon.....