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20. 02. 2005 München  20 Uhr  Elserhalle
Megadeth / Diamond Head

Diamond Head

Also eines muss man Dave Mustaine bei allen Sympathie-Defiziten lassen. Professionell ist er in jeder Beziehung. Ob das Pünktlichkeit ist, die übertriebenen Sicherheitsvorkehrungen oder Superstargebaren, das uns Fotografen, statt nach den üblichen drei ersten Songs, bereits nach zwei Gassenhauern aus dem Graben befördert, um anschließend unter Security-Aufsicht unser Werkzeug an der Garderobe abgeben zu müssen. Unsere gute alte Elserhütte scheint langsam das Flair von Olympiahallen-Niveau zu erhalten. Da kommt Freude auf.

Aber zurück zum Geschehen, das erstmal um, wie schon erwähnt, Punkt Acht, den Support „Diamond Head“ auf die Bretter schickt. Okay, ich gebe ja zu, dass ich des öfteren die Anheizer unserer Rock’n’Roll Lieblinge etwas vernachlässige in meinen Reviews. Aber dieser ist es allemal wert erwähnt zu werden, schon allein wegen der Tatsache, dass meine erste Reaktion war: „waaaasss, - die gibt es immer noch?!!!“ – Und so ist es wirklich und leibhaftig. Allerdings verwette ich meine geliebte Kamera, dass 99% aller Fans weder wissen, dass es diese Formation bereits in den Achtzigern gegeben hat, noch dass eigentlich nur mehr der Gitarrist vom Original Line-up übrig ist. Geschweige denn, dass die Kids irgendwelches Songmaterial von früher kennen. – Und last but not least passt diese Gruppe musikalisch so gut zu Megadeth wie Journey zu Slayer. Meine Hochachtung, sie werden trotz allem von den zahlreichen Megadeth Fans äußerst frenetisch angenommen und auch abgefeiert. Diamond Head werden nach wie vor in die sogenannte Melodic Rock Ecke eingeordnet. Und mit sehr viel Melodie beginnen sie auch ihr Set. Allerdings werden sie im Laufe ihrer genau abgesteckten Time Schedule in Speedgeschwindigkeit immer härter. Und ganz zum Schluss hat sich der Support fast an den Headliner angepasst, was Härte und Metal angeht. Tja, so muss es denn wohl sein.



Megadeth

Und Megadeth.... ?! Nun, das Individuum steht in der Mitte, gibt sich äußerst sophisticated, mit Designerhemd und ganz normalen Jeans. Auch der Haarstil ist nicht mehr so metallisch, sondern vornehm ambient. Und überhaupt scheint Dave Mustaine maßvoll  gesetzt zu wirken im Gegensatz zu anno dazumal in seinen rebellischen Jahren. Älter und weiser geworden...?! Ich kann es nicht sagen, da mir ein persönliches Rendevouz diesmal verwehrt geblieben ist. Muss aber zu meiner Entschuldigung und den früheren Erfahrungswerten dazu sagen, dass ich über diese Tatsache nicht wirklich vergrämt bin. Mustaine ist nämlich nicht unbedingt der verträglichste Zeitgenosse im normalen Leben. Und sein individuelles Entgegenkommen hängt von der jeweiligen Tageslaune ab. Sagen wir mal so, ich habe ihn so und so und in allen Fassetten kennen gelernt, Fassetten die teilweise alles andere als erstrebenswert sind. Fakt ist, dass er hier und heute in Anführungszeichen relativ gut aufgelegt ist, und sich sogar herab lässt mit dem Publikum persönlich zu kommunizieren zwischen den Tracks. Das ist bei einem Megadeth Gig nämlich beileibe nicht alltäglich. Sein Programm besteht hauptsächlich aus einem Greatest Hits Package. „Holy War“ ist genauso vertreten wie „Peace Sells, But Who’s Buying“ und auch sämtliche überarbeiteten Songversionen von „The System Has Failed“ finden ein Stell Dich ein. –

Alles in allem hat sich Mustaine äußerst gut gehalten, kann ich nur bestätigen, sowohl was sein Aussehen als auch seine Performance betrifft, die immer noch kraftvoll und voluminös wie zu besten Zeiten vonstatten läuft. Die Menge dankt es ihm sichtlich emotional gerührt. Was mich dann letztendlich doch noch in meiner Überzeugung bestärkt hat, nämlich, dass nicht nur an mir, sondern auch an Davie Boy die Jahre nicht spurlos vorüber gegangen sind, (wir sind im exakt selben Alter, deshalb stellen sich automatisch die physischen  Vergleichswerte) beweist nicht nur, dass die Phasen des nackten Oberkörpers on stage passe’ sind  (seufz und schade für uns sowieso schon rar gesähten Girls im Publikum) sondern auch ein hübsches weißes Blatt Papier, welches dezent versteckt, sorgfältig am Boden vor seinem Mikrophon platziert ist. Und um das gut behütete Geheimnis zu verraten, das von den Fans Gott sei Dank unbeobachtet bleibt. - Es handelt sich dabei nicht um die übliche Setlist, sondern um eine kleine Gedächtnisstütze, was diverse Songtexte angeht. Ha, ha, erwischt, Dave! Und glaubt es, da reichen „nur“ eineinhalb Song-Zeitlimit, um nebst knipsen was das Zeug hält,  dieses und alle anderen Umstände da oben festzustellen. Noch ein Blick direkt in die Augen, emotionslos, und nicht nachvollziehbar, ob seine grauen Zellen mich wieder erkannt haben, ist der letzte Kontakt. Mustaine hält sich abermals an den Zeitplan. Und mit einer Zugabe verabschiedet er sich abrupt ohne jeglichen weiteren Kommentar, - genauso wie man es von ihm gewohnt ist oder auch nicht. Ach ja, um es nicht komplett außen vor zu lassen. Natürlich legt Dave auf dieser Einstandstournee, oder soll ich sagen, neuerlichen Abschiedstournee nach so und so vielen Jahren der Abstinenz, , - keinen Soloauftritt hin, sondern wird von Gitarre, Bass uns opulentem Schlagzeug begleitet. Aber notwendige Übel werden selten beim Namen genannt, oder?! Ein überdimensionales Ego ala’ Infant terrible genügt, um dem Image, den Fans und der eigenen Psyche Genüge zu tun.

Langer Rede kurzer Sinn.... Mustaines akurater Überpünktlichkeit  habe ich es jedenfalls zu verdanken, dass mir hinterher  ein Sprung von einem Ende der Stadt zum anderen ermöglicht war, um auch noch von Gravediggers Gastspiel am selben Abend, ein Stück vom Kuchen zu erhaschen. – Long live Rock’n’Roll kann ich nur wieder mal bestätigen in Ewigkeit Amen.
Merci´ Dave.  




2 Stunden später am 20. 02. 2005 - ca. 0 Uhr Backstage Club
Gravedigger 





siehe auch Diary

Juhuhuu und danke Boys für Eure Late Night Show. Sonst hätte ich es am heutigen Abend nämlich nicht mehr geschafft, nach absolviertem Megadeth Spektakel am anderen Ende der Stadt, Euch mit meiner Anwesenheit noch zusätzlich zu beglücken.

Mit fliegenden Fahnen und außer Atem, - (da seht Ihr mal, wie ich Euch liebe!) beziehe ich umgehend meinen Stammplatz-Posten rechts vorne neben der Bühne und vor allem neben meiner treu-gehassten Lautsprecherbox, um eventuell hier auch noch ein paar  passable Shots zu bekommen. Und die krieg ich auch doppelt und dreifach serviert, nicht nur was die Anzahl der Fotos angeht, sondern auch was den ausladenden visuellen Aspekt genau vor mir  angeht. Manni, ich hab wirklich jedes Gramm an Dir lieb, keine Sorge, und das seit mehr als 15 Jahren. Aber Du nimmst mir heute tatsächlich vehement die Sicht auf Deine Family da oben, und ich bin gezwungen, nach meinem Sprint von Gig zu Gig, jetzt auch noch Hochleistungssport zu betreiben, um Deine Kollegen auch noch hin und wieder vor die Linse zu bekommen und nicht nur Dich. Ganz nebenbei bemerkt, meint Ihr es wieder mal nur allzu gut mit uns Heavy Metal Fans, was die glockenreinen Klänge, gemessen in Dezibel, angeht. Mein lieber Herr Gesangsverein!!! Da vibriert der Gehörgang und das Trommelfell fährt Achterbahn. However, danke im voraus für für ein imaginäres Bienenstock-Olympia mit einem drei Tage Garantieschein. Aber man muss schließlich dem Genre gerecht werden. Und Heavy Metal ist nun mal laut und kein Sommerlüftchen im Mai. Versteht mich bitte nicht falsch. Megadeth waren auch laut. Nur ist der Unterschied in Sachen Akustik immens, wenn man in einer 2.000er Halle auftritt, oder ob, so wie hier in diesen Club, gerade mal 700 Seelen hinein passen. – Gott sei Dank sind meine Befürchtungen, was eine eventuell mangelnd, anwesende Gravedigger Fangemeinde angeht, unbegründet. Und die Tatsache bestätigt sich, dass der Heavy Metal noch lange kein last Supper gekocht,- sondern gerade mal beim Hauptgericht gekostet hat. Egal ob es sich dabei um Megadeth oder so wie hier und jetzt um Gravedigger handelt. Vergleiche lassen sich trotzdem nicht ziehen zwischen diesen beiden Acts. Ist der eine ein Individuum mit schwierigem Charakter und kompromissloser Attitude, der von seinen Zuschauern, absolute Selbstaufgabe oder ein – schert euch zum Teufel – verlangt. So sind die anderen, also Gravedigger, eher eine Einheit, die in die Ernsthaftigkeit des Hardrocks doch den gewissen Spaß an der Freude hinein legen und diesen Aspekt auch noch mit schwungvoller Lockerheit auf die anwesenden Headbanger übertragen.  Jawohl, das letzte Abendmahl ist zum vernaschen da, schmeckt vorzüglich und unser Fünf Sterne  -Küchenchef Chris Boltendahl würzt die musikalische Pointe noch mit Chillipfeffer in C Dur und mit erotischem Timbre. Schade nur, dass auch hier wie drüben, die Femme Fatale des Rock’n’Roll äußerst spärlich gesät ist. Und ich steh schließlich außer Konkurrenz als stille Beobachterin.

Gravedigger sind jedenfalls das, was man unter einer soliden hardrockenden Party-Tanzkapelle versteht mit dem notwendigen Drive... samt einem hervorragenden Gitarristen, der trotz seinen wohlproportionierten Rundungen fit und fidel mit erstaunlicher Kondition die gehaltvolle Beilage zum Gourmet-Rezept serviert. Gestreckt mit drei Zugaben samt süßem Sahnehäubchen im Dreiviertel Takt der Arnold’schen Schlagstöcke, dürfte wohl so jeder satt und zufriedengestellt sein. Und das ganz ohne ansetzende Kalorien, aber mit suchtartigem Verlangen nach mehr. 


(Anm. - Notfalls lässt sich etwaiges Fett aber auch absaugen. Ich hätte da schon eine gute Adresse zur Weiterempfehlung. - Anmeldungen werden gerne entgegen genommen!)


 Das Kochbuch von Wotan und Walhalla wird jedenfalls wieder einmal zu geschlagen, der Ofen erlischt, um hoffentlich schon bald wieder erhitzt zu werden. Wir verlieren  schließlich nie den Appetit – auf ein Heavy Metal Supper ala’ Gravedigger.
PS: Süßes bevorzugt, - jedenfalls was mich betrifft.....


                                                                                               



18. 02. 2005 München Titanic Club
Nick Woodland







Wenn es in der Musik etwas interessantes gibt, dann sind es Kontraste. Ich meine damit jetzt nicht in erster Linie die generellen Unterschiede zwischen Musikern und Musiklinien, sondern vielmehr die internen Kontraste, die sich ein Künstler selbst auferlegt. Nick Woodland, gebürtiger Engländer, aber seit Jahrzehnten in München ansässig, ist so ein Künstler-Exemplar, der sich während eines Auftritts solche Kontraste selbst auferlegt. Das sind Gegensätze, die sich unterschiedlicher nicht streiten könnten. Auch drängen sich mir etwaige Vergleich auf, zu dem kürzlich stattgefundenen Auftritt seines Kollegen Rev.Rusty & The Case, der sich ja ungefähr im gleichen Genre bewegt. Ungefähr - nur deshalb, weil, was der eine fast eine Spur zu rockig ist für den Blues, das ist der andere wiederum zu lyrisch und folkorientiert. Nicht dass diese Akzente von Nachteil sind, jeder hat schließlich seine eigene Art, den Blue zu interpretieren, und Woodland ist ebenfalls ein begnadeter Gitarrist, keine Frage. Aber bei dem Engländer, der ebenfalls in zwei Sets sein Programm runter spult, hängt mir beim ersten Streich die Waagschale mit den Folkelementen fast einen Tick zu tief unten. Langeweile wäre das falsche Wort, aber ein Hauch von Monotonie legt sich auf mein Gemüt bei so viel melodischer Softblueserei. Mir fehlen etwas die Ecken und Kanten, die Ups and Downs oder soll ich sagen das Feuer im A.....

Wie auch immer. Das ändert sich schlagartig im zweiten Go von Nick Woodland, wo er sich seiner Rock’n’Roll Wurzeln erinnert und dem Blues die vorhin fehlende Energie  einhaucht. Vergiss Bob Dylan und lang lebe Stevie Ray Vaughn. Genauso könnte man die Strategie dieses Folgekapitels beschreiben. Jetzt ist er aufgewacht unser Mr. Mojo  vom Weißwurstäquator. Er findet sichtlich selbst Gefallen daran, der Funke springt (endlich) über und die Fans danken es ihm, indem sie sich standepede vom Background ganz nach vorne bewegen um buchstäblich die Puppen tanzen lassen bzw. sich selbst. Die Party hat etwas verspätet, aber sie hat angefangen. Und Mr. Woodland muss sich selbst erst im second Part seiner Show so richtig wohl gefühlt haben. Er strahlt die ganze Epoche der Woodstock Ära wieder, sowohl im visuellen als auch im spirituellen Aspekt. Man fühlt sich automatisch zurück versetzt in eine Blumenkinder Mentalität der Posthum 70er Jahre, zumindest was die Aura angeht, die sich von der Bühne aufs Publikum überträgt. Und klar, der Großteil des anwesenden Publikums hat die Sechziger Jahre bereits bewusst miterlebt, und schwebt deshalb auch in seligen Sphären bei der Musik aus ihrer Jugendzeit. Und letztendlich, und alles in allem gewinnt Nick die Schlacht anhand der Tatsache, dass der Blues halt doch eine zeitlose, nicht totzukriegende  und  immer wiederkehrende Musik ist. Oder sollte ich sagen Lebensphilosophie für nostalgische Trendsetter?! Nur bitte, - lass nächstes Mal Bob Dylan zu Hause Golf spielen und streu der Lyrik noch mehr Pfeffer in...... okay, okay, das hatten wir schon... in Sanktus Spiritus.....