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06.08. 2005 München, Herkulessaal
Blackmore's Night

Nein, nicht „Back To The Future“ ist heute abend das Motto, sondern man sollte es lieber als „Forward To The Past“ bezeichnen. Und das fängt schon beim Betreten der heiligen Stätte unseres äußerst noblen Herkules Saales in der Münchner Residenz an. Ja, kruzifuffzgerl, wie der Ur-Bayer sagt, sind wir hier im 15.Jahrhundert gelandet, oder noch früher?! Da staunen sogar die Monumental-Statuen aus Blattgold im Fojer, auch wenn diese eher aus dem Spätbarock stammen als vielmehr aus der Renaissance, welche just an diesem Abend den Ton angibt. – Für alle, die mit dieser Epoche und deren Künsten nichts anzufangen wissen, eine kurze Aufklärung im Stenostil: Der Begriff wurde um 1820/30 von den Franzosen zunächst aus dem italienischen rinascimento abgeleitet und dann im deutschsprachigen Schrifttum um 1840 aus dem Französischen entlehnt, um eine kulturgeschichtliche Epoche Europas während des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit zu benennen. Wir sprechen also von einer Zeitspanne zwischen 1400 und in etwa 1600 innerhalb der sich die Baukunst, Malerei, Literatur und auch die Musik neu orientierte. Einer der bekanntesten Komponisten jener Epoche war Orlando di Lasso. -  Soviel zur Allgemeinbildung.

Aber wir schreiben das Jahr 2005, sind modern und aufgeschlossen, ständig auf der Suche nach dem Neuen, und bumsvallera landen wir just wieder im 15.Jahrhundert. – Jawohl, da lustwandeln sie, die Fans von Blackmore’s Night in Samt und Seide mit Puffärmeln und Spitzenhaube und Federkiel am Hut, und unsereins in Jeans und Lederjacke kommt sich vor, wie ein Alien aus der fernen Zukunft. Den Auftakt macht ein Herr aus Amiland, von dem ich, und wahrscheinlich alle anderen 1.500 Besucher  in dem ausverkauften Auditorium ehrlich gestanden noch nie etwas gehört haben. Und bitte schlagt mich nicht, ich habe  mir auch den Namen nicht gemerkt. Es scheint sich jedoch um einen sehr engen und guten Bekannten von Mr. & Mrs. Blackmore zu handeln. Denn diesen Umstand betont der Renaissance Elvis on stage mehrmals mit nachhaltiger Vehemenz. Er besitzt auf alle Fälle Unterhaltungswert dank verrenkter Versuche seinen germanischen Sprachschatz einen Salto Mortale schlagen zu lassen. Oder etwa durch Ankündigungen wie: „der nächste Song wurde von einem Engländer in Österreich in französich geschrieben, um dann von einem Schweizer vertont zu werden, damit es ein Ami, nämlich ich, in Deutschland singen kann“.
                                                      
                                                                               Maskottchen 'Brunhilde'  ist auch immer dabei


Die Renaissance Comedy findet ein jähes Ende um nach einer Viertelstunde Pause wieder aufzuleben, und das im wahrsten Sinn des Wortes. Da nützt auch Ritchie Blackmore’s übliche Grabesmiene nichts. Candice hat die Lacher auf ihrer Seite. Die Frau hat wirklich Humor, alle Achtung. Und genau das bewirkt, dass alle, auch die 450 Deep Purple Altrocker-Fans hier drinnen, den Meister aller Klassen fast vergessen und ihre gesamte Aufmerksamkeit auf seine hübsche Angetraute verlegen, die mit ihrer legeren Art, der lässigen Lockerheit und einer Wahnsinnsstimme sämtliche Register zieht. Da gibt es sogar Standing Ovations. Herrschaftszeiten, die Frau ist der helle Wahnsinn. Und nicht nur ich, bin äußerst positiv überrascht von ihrem Talent und ihrer sympathischen Ausstrahlung – zumindest on stage. Off stage könnte ich eine andere Story erzählen. Aber erstens gehört die nicht hier her und zweitens der Vergangenheit an. Also was soll’s. 

Anerkennende Pfiffe sind die Antwort auf eine bezaubernde Darbietung die durch Ritchies Gitarrenakrobatik und Legendenstatus noch fünfmal unterstrichen wird. Die einzigen Deppen, die das Geschehen kurzzeitig wirklich verfluchen sind zwei Fotografen, (einer davon bin ich) bezugnehmend auf die spärliche Beleuchtung, speziell was Mr.Blackmores Erscheinung angeht. Warum haben die Chefs hier eigentlich, gemäß dem Ambiente nicht gleich frisch Fackeln verwendet, frage ich mich?! Meine arme Kamera muss akrobatische Überflieger leisten, um da überhaupt noch was raus zu holen, und dass auch noch in Hockeposition meinerseits dank bestuhltem Environment und in der Rekordzeit von 3 x ca. 5 Minuten. Mein anschließender Knieschnackl hat’s mir jedenfalls während der restlichen 2 ½ Stunden Performance gnadenlos heimgezahlt. Und sitzen is' nicht. -  Ausverkauft, - sagte ich doch schon. Musikalisch bewegt sich das Programm zwischen Kompositionen aus eben jener Renaissance  versehen mit einem doch, unüberhörbaren Touch der Moderne. Sogar Heinrich der Achte hat augenscheinlich zu dem Liedgut mit beigesteuert.
 Und irgendwann geht mit Ritchie Blackmore doch noch das alte Rocker Temperament durch, (jawohl, das tut es) und er vertauscht die akustische  Laute mit der elektrischen Gitarre und erinnert sich seiner eigentlichen Wurzeln. Ein Stück , dass er mit David Coverdale zusammen geschrieben hat findet Gehör, und auch der Deep Purple Klassiker „Child In Time“. Aber das sind und bleiben die Ausnahmen der Regel inklusive Beethovens Neunter, der „Ode Of Joy“  oder wie sagt man so schön „Freude schöner Götterfunken kyrie in elesium ...“. Aber auch die hat er schon zu Purples Zeiten immer angespielt im Liveset. Mit dem romantischen Titel „Ghost Of A Rose“ – samt Flöte und Laute, wird das reguläre Set abgeschlossen.


 Yep, es hat eingeschlagen, - auch bei den dienstältesten Die Hard Deep Purple Fans und eben solchen, die eher konservativ ihr Ohr  mittelalterlicher Klassik verschrieben haben. Im Gegensatz zu verbitterten Depri - Posen ala’ Purple,  springt Blacky die Spielfreude hier förmlich aus der nach wie vor schlanken Silhouette, die Perücke sitzt auch noch hervorragend und zu einem Smile muss er sich nach 40 Jahren immer noch zwingen. Ansagen überlässt er seiner besseren Hälfte, die diese mit größter Wahrscheinlichkeit und viel Charme ohnehin viel besser vom Stapel lässt. Anerkennende Pfiffe und Applaus sind die Belohnung, und ein Kompliment an Candice wird sofort mit besitzergreifender Gestik und einer umwerfenden Komik seitens Blackmore beantwortet. Zum schreien, ich habe selten so gelacht wenn der Meister aller Klassen sein Bestes gegeben hat.
Fazit sind fast drei Stunden beste Unterhaltung mit antikem Flair und viel Atmosphäre, vermischt mit einer Prise Rock’n’Roll Riff, und ob Ihr’s glaubt oder nicht,  sehr viel Humor – .......und zwei Beinen, die mich den Rest der Nacht dank Überanstrengung schikaniert haben. Hoch lebe das Mittelalter – aber bitte im hier und heute mit all seinen Annehmlichkeiten.... Prost und Amen.....


siehe auch Diary

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