Nein,
nicht „Back To The Future“ ist heute abend das Motto, sondern man
sollte es lieber als „Forward To The Past“ bezeichnen. Und das fängt
schon beim Betreten der heiligen Stätte unseres äußerst noblen
Herkules Saales in der Münchner Residenz an. Ja, kruzifuffzgerl, wie der
Ur-Bayer sagt, sind wir hier im 15.Jahrhundert gelandet, oder noch früher?!
Da staunen sogar die Monumental-Statuen aus Blattgold im Fojer, auch
wenn diese eher aus dem Spätbarock stammen als vielmehr aus der
Renaissance, welche just an diesem Abend den Ton angibt. – Für alle,
die mit dieser Epoche und deren Künsten nichts anzufangen wissen, eine
kurze Aufklärung im Stenostil: Der Begriff wurde um 1820/30 von den
Franzosen zunächst aus dem italienischen rinascimento abgeleitet
und dann im deutschsprachigen Schrifttum um 1840 aus dem Französischen
entlehnt, um eine kulturgeschichtliche Epoche Europas während des Übergangs
vom Mittelalter zur Neuzeit zu benennen. Wir sprechen also von einer
Zeitspanne zwischen 1400 und in etwa 1600 innerhalb der sich die
Baukunst, Malerei, Literatur und auch die Musik neu orientierte. Einer der
bekanntesten Komponisten jener Epoche war Orlando di Lasso. -
Soviel zur Allgemeinbildung.
Aber wir schreiben
das Jahr 2005, sind modern und aufgeschlossen, ständig auf der Suche
nach dem Neuen, und bumsvallera landen wir just wieder im 15.Jahrhundert.
– Jawohl, da lustwandeln sie, die Fans von Blackmore’s Night in Samt
und Seide mit Puffärmeln und Spitzenhaube und Federkiel am Hut, und
unsereins in Jeans und Lederjacke kommt sich vor, wie ein Alien aus der
fernen Zukunft. Den Auftakt macht ein Herr aus Amiland, von dem ich, und
wahrscheinlich alle anderen 1.500 Besucher
in dem ausverkauften Auditorium ehrlich gestanden noch nie etwas
gehört haben. Und bitte schlagt mich nicht, ich habe mir auch den Namen nicht
gemerkt. Es scheint sich jedoch um einen sehr engen und guten Bekannten
von Mr. & Mrs. Blackmore zu handeln. Denn diesen Umstand betont der
Renaissance Elvis on stage mehrmals mit nachhaltiger Vehemenz. Er
besitzt auf alle Fälle Unterhaltungswert dank verrenkter Versuche
seinen germanischen Sprachschatz einen Salto Mortale schlagen zu lassen.
Oder etwa durch Ankündigungen wie: „der nächste Song wurde von einem
Engländer in Österreich in französich geschrieben, um dann von einem
Schweizer vertont zu werden, damit es ein Ami, nämlich ich, in
Deutschland singen kann“.
Maskottchen 'Brunhilde' ist auch immer dabei
Die Renaissance Comedy findet ein jähes Ende um nach einer
Viertelstunde Pause wieder aufzuleben, und das im wahrsten Sinn des
Wortes. Da nützt auch Ritchie Blackmore’s übliche Grabesmiene
nichts. Candice hat die Lacher auf ihrer Seite. Die Frau hat wirklich
Humor, alle Achtung. Und genau das bewirkt, dass alle, auch die 450 Deep
Purple Altrocker-Fans hier drinnen, den Meister aller Klassen fast
vergessen und ihre gesamte Aufmerksamkeit auf seine hübsche Angetraute
verlegen, die mit ihrer legeren Art, der lässigen Lockerheit und einer
Wahnsinnsstimme sämtliche Register zieht. Da gibt es sogar Standing
Ovations. Herrschaftszeiten, die Frau ist der helle Wahnsinn. Und nicht
nur ich, bin äußerst positiv überrascht von ihrem Talent und ihrer
sympathischen Ausstrahlung – zumindest on stage. Off stage könnte ich
eine andere Story erzählen. Aber erstens gehört die nicht hier her und
zweitens der Vergangenheit an. Also was soll’s.
Anerkennende Pfiffe
sind die Antwort auf eine bezaubernde Darbietung die durch Ritchies
Gitarrenakrobatik und Legendenstatus noch fünfmal unterstrichen wird.
Die einzigen Deppen, die das Geschehen kurzzeitig wirklich verfluchen
sind zwei Fotografen, (einer davon bin ich) bezugnehmend auf die
spärliche
Beleuchtung, speziell was Mr.Blackmores Erscheinung angeht. Warum haben
die Chefs hier eigentlich, gemäß dem Ambiente nicht gleich frisch
Fackeln verwendet, frage ich mich?! Meine arme Kamera muss akrobatische
Überflieger leisten, um da überhaupt noch was raus zu holen, und dass
auch noch in Hockeposition meinerseits dank bestuhltem Environment und
in der Rekordzeit von 3 x ca. 5 Minuten. Mein anschließender
Knieschnackl hat’s mir jedenfalls während der restlichen 2 ½ Stunden
Performance gnadenlos heimgezahlt. Und sitzen is' nicht. -
Ausverkauft, - sagte ich doch schon. Musikalisch bewegt sich das
Programm zwischen Kompositionen aus eben jener Renaissance
versehen mit einem doch, unüberhörbaren Touch der Moderne.
Sogar Heinrich der Achte hat augenscheinlich zu dem Liedgut mit
beigesteuert.
Und irgendwann geht mit
Ritchie Blackmore doch noch das alte Rocker Temperament durch, (jawohl,
das tut es) und er vertauscht die akustische
Laute mit der elektrischen Gitarre und erinnert sich seiner
eigentlichen Wurzeln. Ein Stück , dass er mit
David Coverdale zusammen geschrieben hat findet Gehör, und auch der
Deep Purple Klassiker „Child In Time“. Aber das sind und bleiben die
Ausnahmen der Regel inklusive Beethovens Neunter, der „Ode Of Joy“
oder wie sagt man so schön „Freude schöner Götterfunken
kyrie in elesium ...“. Aber auch die hat er schon zu Purples Zeiten
immer angespielt im Liveset. Mit dem
romantischen Titel „Ghost Of A Rose“ – samt Flöte und Laute, wird
das reguläre Set abgeschlossen.
Yep, es hat
eingeschlagen, - auch bei den dienstältesten Die Hard Deep Purple Fans
und eben solchen, die eher konservativ ihr Ohr
mittelalterlicher Klassik verschrieben haben. Im Gegensatz zu
verbitterten Depri - Posen ala’ Purple,
springt Blacky die Spielfreude hier förmlich aus der nach wie
vor schlanken Silhouette, die Perücke sitzt auch noch hervorragend und
zu einem Smile muss er sich nach 40 Jahren immer noch zwingen. Ansagen
überlässt er seiner besseren Hälfte, die diese mit größter
Wahrscheinlichkeit und viel Charme ohnehin viel besser vom Stapel lässt.
Anerkennende Pfiffe und Applaus sind die Belohnung, und ein Kompliment
an Candice wird sofort mit besitzergreifender Gestik und einer
umwerfenden Komik seitens Blackmore beantwortet. Zum schreien, ich habe
selten so gelacht wenn der Meister aller Klassen sein Bestes gegeben
hat.
Fazit sind fast drei Stunden beste Unterhaltung mit antikem Flair und
viel Atmosphäre, vermischt mit einer Prise Rock’n’Roll Riff, und ob
Ihr’s glaubt oder nicht, sehr
viel Humor – .......und zwei Beinen, die mich den Rest der Nacht dank
Überanstrengung schikaniert haben. Hoch lebe das Mittelalter – aber
bitte im hier und heute mit all seinen Annehmlichkeiten.... Prost und
Amen..... |