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14. 4. 2003 München  Colosseum
Sisters Of Mercy


Ein klassisches 'Sisters' -Konzert-Photo

Jawohl, ja! Wie ich es erwartet habe, so ist es  auch! Andrew Eldritch hat wieder einmal seinen kompletten kreativen Vorrat an schillernd-diffusen Nebelschwaden mitgebracht. Und er hat uns geradzu verwöhnt damit. Das haben wir doch gar nicht verdient, oder?! In allen glitzernden Fassetten schweben die Wölkchen über die Bühne, teils wie sanfte Wattebällchen, dann wieder eher an dunkle Gewitterwolken erinnernd. Ach ist  das eine herrliche Aussicht! Dank einiger bunter Lichterkegel, gekonnt eingesetzt, wirkt die Bühnenlandschaft wie eine schottische Hochmoorebene, in der sich einige verirrte Nordlichter spiegeln. Und plötzlich mitten drin erscheint dunkel eine Silhouette, bei der einem im ersten Augenblick, dank der passenden Umstände, eher das Gespenst von Canterville einfällt. Erst beim näheren Hinschauen erkennt man den Urvater des sogenannten Gruftirocks, der, wenn ich richtig rechne, bald selbst in diesem Steinzeitalter sein müsste. Nun, wenigstens die drahtige Figur hat er sich erhalten. Und dieses Mal hat er, im Gegensatz zum letzten Mal, seinen rot/weiß/blau gestreiften Jogginganzug im Schrank hängen gelassen und  sich standesgemäß zumindest für eine schwarze Lederjacke entschieden. Kurz und gut, verändert hat sich rein gar nichts. Die Sisters Of Mercy arbeiten immer noch mit Drum- und Keyboardcomputer, wahrscheinlich um sich so einige Lohnkosten zu sparen. Ja, ja, man muss schon rechnen in der heutigen Zeit. Aber mit tonnenweise Trockeneisnebel (war wahrscheinlich das teuerste an der kompletten Produktion) lässt sich dieser Aspekt ganz gut vertuschen. Zumindest hüpfen noch irgendwo am Rande zwei Hampelmänner rum, die einen Bass und eine Gitarre bedienen. So zierlich die Obersister aber auch von der Statur her ist, so vermag es der gute Andrew doch, die ganze Bühne für sich allein zu beanspruchen und diese auch noch gekonnt auszufüllen. Er spult sein Programm runter, routiniert, souverän und mit der Einstellung, dass er einen Job zu erfüllen hat. Es gibt ja schließlich Kohle dafür. Von "Temple Of Love" bis hin zur Zugabe von "Vision Thing" ist alles dabei.

Nur beim größten Hit "More" hat der Fürst der Dunkelheit schon vor Jahren einen generelles Veto eingelegt. Wird nicht mehr gespielt, aus, basta, fertig. - Eines muss man Eldritch lassen. Denn die Sisters Of Mercy sind eigentlich nur er, und er ist die Sisters....! - Sie sind ein Phänomen, und das grad in der jetzigen Wirtschaftslage. Seit mehr als 10 Jahren keine neue Scheibe vorhanden, begeben sie sich alle paar Jahre, je nach Laune auf eine Tournee und spulen das gleiche Programm wie schon die fünf mal davor ab. Aber die Bude ist immer gerammelt voll. Gratuliere Andrew, Du hast es wieder einmal geschafft mit allen typischen Sisters-Statussymbolen- und Klischee's die Fans zu begeistern und sie hoffen zu lassen, dass doch irgendwann ein brandneues Scheibchen aus Deinem Oberstübchen  sprudelt, und du bald wieder samt sisterischen Kaskadenschleiernebel am Himmel des Düsterrocks erscheinst. Ja, ja, Kult ist eben Kult, mehr gibt's dazu wirklich nicht zu sagen. 

                                                                                           

 

8.4. 2003 München  Nightclub Bayr.Hof
Victor Bailey Group

Wenn es ein Pendant gäbe, was Beethoven für die Klassik  war, dann ist das Victor Bailey für den Fusion Jazz.  Beethoven  war ein Genie trotz seiner Behinderung, ohne selbst gewusst zu haben, wie er das eigentlich angestellt hat.  Vic weiß es auch nicht. Nein, - eigentlich ist es jedem Außenstehenden wie mir schleierhaft, wie dieser Überflieger das bewerkstelligt.. Es ist kaum in Worte zu fassen und noch weniger zu erklären, wie der Typ seinen Bass zu halsbrecherischen Höchstleistungen in Warpgeschwindigkeit zwingt. Wenn es so etwas wie ein Phänomen in der Musik gibt, dann steht bzw. sitzt es gerade leibhaftig auf der Bühne. Bei allen weatherreportischen Nachwirkungen, sowas bekommt man nicht alle Tage live zu sehen und zu hören. Joe Zawinul hat deutlich seinen Geist in Vic's Performance gelegt. Einzige Hürde, - man muss diese Musik verstehen um sie zu mögen. Und das ist alles andere als einfach. 

Gehobene Ansprüche paaren sich hier mit einer Riesenportion Exzentrik, die sich in einer Klangwolke sphärischer Improvisation zu einem mehr oder weniger asymetrischen Strickmuster verweben. Der 43-jährige Einstein der Fusionphilosophie managed es hervorragend, den Bass zur Leadgitarre um zu funktionieren und das Instrument Roulette mit sich selbst spielen zu lassen, nach dem Motto, - mal schauen, was dabei heraus kommt, - no risk no fun. in etwa. Und mit einem leichten Schuss Arroganz gibt Vic dem Publikum  das Gefühl alles 100%ig im Griff zu haben. Hat er das? - Irgendwie schon.....  Sonst wäre er ja kein Genie, - so wie eben Beethoven. Der hat seine Neunte auch erst geschrieben als er schon taub war....
Danke Vic,  für den Fortbildungskurs in  experimenteller Ästhetik und musikalischem Jazz-Striptease und für ...... ach Quatsch, lassen wir das.
 

                                                                                           


7. 4. 2003 München  Kl.Backstage
Eric Sardinas

Vater Unser im Himmel -  wirklich wahr! Dieser Mensch hier ist ein Naturtalent, wie es selten irgendwo zu finden ist. Aussehen tut er zwar wie ein L.A. Glam- & Poserrocker, aber sein Herz und seine Seele hat er dem Mississippi-Delta-Blues verschrieben. Da bleibt kein Auge trocken und kein Ohr verstopft. Eric Sardinas spielt sich buchstäblich das Hirn aus dem Kopf und die Finger wund, um gleichzeitig inbrünstig mit heiserer Bluesstimme den Spirit des Louisiana-Rhythmus zu singen. John Lee Hooker, Leadbelly, Washboard Sam und Reverend Gary Davis würden im Grab Purzelbäume schlagen und halleluja frohlocken, könnten sie diesen Erben ihres Liedguts hören. 

Mit erst 33 Jahren tritt Eric würdevoll die Nachfolge der vorhin genannten Blueslegenden an. Und er gibt dem Ganzen auch noch einen modernen Touch, mittels hartem Gitarrenriff. Dank Musikern wie ihm, wird der Blues Gott sei Dank noch lange nicht in Vergessenheit geraten, und die Salti von Hooker und dem Reverend könnte noch ziemlich anstrengend werden unter den Wurzeln der Radieschen........ Sardinas beehrt uns jetzt schon das vierte Mal, und so langsam wird sein Name auch bei uns zu einem Begriff, den man sich unbedingt tief ins musikalische Allgemeinwissen einritzen sollte. Ich kann nur sagen: lang lebe der Blues, der Mississippi, der Crossroad und der Spirit von John Lee Hooker.....

                                                                                            

 

04. 04. 2003 Wörgl/Austria  Komma
Gotthard

Was soll ich dazu noch sagen! Ich habe diese Band von Beginn ihrer Karriere weg pressetechnisch begleitet. Ich habe diese Band auch schon 100.000 mal gesehen, na ja, nicht ganz so oft. Und ich kenne diese Band in und auswendig. Ein objektives Urteil zu fällen, fällt mir dementsprechend schwer. Ja, okay... Gotthard  sind eine excellente Liveband, und ja, Gotthard haben auch Klasse-Songs. - Aber Schweizer Kirschstängeli von Lindt-Schokolade schmecken mir trotzdem noch besser auch wenn sie dick machen. Wilhelm Tell lässt grüßen und der Pfeil hat den Apfel auf dem Kopf schon lange durchbohrt, oder war's ein Vogel?..... Nichts desto trotz, die Schweiz bürgt für Qualität, sei's in Schokolade, Äpfel, Musik oder Toupets, gell Steve?! Gotthard sind nahezu perfekt. Aber wie erzählte mir David Lee Roth einmal im Vertrauen: "hey, wie sehen deine Lieblingsjeans aus? Meine haben ein großes Loch am Hintern und zwei an den Knien.- Ist das perfekt? Nein! - Aber es absolut wundervoll. -  Und das sollten gerade Gotthard bedenken. Grüazi und aufwiederluaga......

                                                                                       

29.3. 2003 München  Backstage
Killerbarbies

E'viva espania! Der Punk ist auch im Land der Stierkämpfer daheim.- Und die "Killerbarbies" gibt's nicht erst seit gestern,  allen voran ihre charismatische Frontfrau Sylvia Superstar.Spätestens seit der Veröffentlichung ihrer Single "DownTown", einem Punkcover des Oldies von Petula Clark, ist die Gruppe auch hierzulande in aller Munde. Nein, das hier ist nichts für Freunde anspruchsvoller, qualitativ-hochwertiger Musik. Das ist schlichter, simpler Punk, ohne Schnörkel und Firlefanz nach der hau-drauf-Methode. Sylvia verkörpert das Image zu 100% mit dem richtigen Outfit, dem Nietenhalsband, den falschen Haaren und einem Vorbau, dass selbst Jayne Mansfield vor Neid erblassen würde. Sie hat irgendwie Klasse, die Frau. Oh,- bitte nicht falsch verstehen, noch bin ich am richtigen Ufer gepolt was meine sexuellen Vorlieben angehen. Bei Sylvia bin ich mir da allerdings nicht so sicher. Aber das kann auch täuschen. jedenfalls weiß sie ziemlich genau sich in Szene zu setzen und die komplette Aufmerksamkeit des Publikums vor allem auf ihre Person zu ziehen. Sie huldigt den Ramones und erinnert an die Sex Pistols. Kein einziges Klischee´fehlt in ihrer Performance, laut, schrill, selbstbewußt und mit viel Spaß an der Sache. Der Rest der Truppe verschwindet im Schatten ihrer glamorösen Persönlichkeit. Die Killerbarbies, das ist Sylvia, die anderen sind Stafette. Wie gesagt, musikalisch nichts besonderes, nichts anspruchsvolles und schon gar nicht brillant. Aber es reißt mit, es ist keine Sekunde langweilig, der Funke springt über, und die Party explodiert. Und das ist doch eigentlich das ausschlaggebende bei einem Rockkonzert dieser Art, oder?!!!!

                                                                                            

 

25.3. 2003 Augsburg  Spektrum
Yngwie Malmsteen

Mein lieber Schwan! Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf.Aber nächstes Mal bitte mit entsprechender Vorwarnung. Sukzessives Schockerlebnis wechselt sich mit traumatischer Zwangsvorstellung ab, welche sich nicht abschütteln lässt. Nein, was sich da oben auf der Bühne als strahlender Gitarrengott präsentiert, hat ehrlich gestanden eher Ähnlichkeit mit einem fünfdimensionalen eigenartig, eckig vorformten Hefekloß. Jegliches Zwicken in den Arm oder in den Allerwertesten ist sinnlos. Wir träumen nicht. Das ist die reale Wirklichkeit, ohne Wenn und Aber. Und die kann, zumindest was den visuellen Aspekt angeht, ziemlich grausam sein. Doch die Macht der Gewöhnung an solch optische Folterungen übernimmt alsbald die Kontrolle. Im Gegenteil,. man verdrängt letztere im Verlauf der 
akustischen Trapezsprünge, die Meister Yngwie (ohne J.) Malmsteen in einer akrobatischen Glanzleistung vollführt. Wie ein aufgescheuchtes Huhn flattert er wild mit den Flügeln, pardon, Gliedmaßen, wollte ich sagen, um sich, und foltert sein heiliges Instrument wie ein Inquisitor sein Opfer im tiefsten Mittelalter. Nur die Methoden sind etwas anders und entlocken dem malträtierten Objekt mehr oder weniger himmlische Töne und keine Schmerzensschreie. Nein, man kommt nicht umhin ehrlch zuzugeben, dass der Hexenmeister seinen Kessel immer noch zum Kochen bringt und dank seines Zauberstabsdie Zuhörer in euphorische Begeisterung versetzt. Aber irgendwas hat er doch aus dem finsteren Mittelalter übernommen, und sei es bloß die Liebe zur klassischen Musik. deren eindeutige Strukturen sich durch das komplette Set ziehen.Ansonsten wird alles geboten was im reichhaltigen Repertoire des Gitarrenvirtuosen vorhanden ist. Na ja, fast alles, sonst wäre der Rahmen kategorisch überdehnt. Aber Rising Force darf natürlich nicht fehlen. - Wie auch immer, der Gladiator hat seinen Kampf in der Arena gewonnen. Und die optischen Visionen spielen keine Rolle mehr, auch wenn sie unwiderruflich Dreiviertel des Schauplatzes einnehmen. Dominant verteidigt Yngwie mit Hilfe von teilweise grotesken Verrenkungen und dem Verbrauch von mind. 250 Gitarrenlicks (ein weiterer Fall f. Guinessbuch der Rekorde) seinen Status und duldet kein störendes Individuum neben sich. Ach ja, bevor ich es vergesse..... war da nicht auch noch irgendwo eine Band.