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16.01. 2006  München,  Elserhalle
Helloween / Primal Fear

.... und zwei weitere deutsche Metal-Ikonen beglücken uns, grade mal einen Tag nachdem uns U.D.O. mit seinen Schallwellen getauft hat. Aber doppelt bzw. dreifach hält bekanntlich besser, und so eruieren wir, ob die Kürbisköpfe noch immer reif und prall gefüllt sind, oder ob der Schrumpfprozess fortschreitender Evolution  auch vor den Hamburger Hardrockern nicht halt gemacht hat. Alles nur menschlich möchte man meinen. Aber dank Frischzellen-Theraphie in Form von diversen Line up Changes und dem vielbewährten Motto – Back To The Roots, lässt sich so einiges wieder gut machen oder zumindest vertuschen.

Und so nennt sich Helloweens Strategie auch „Keeper Of The Seven Keys Part....“ und man wird allein beim Titel des aktuellen Longplayers automatisch zurück in die Achtziger Jahre versetzt. Auch wenn Meister Großkopf noch so vehement beteuert, dass das Songmaterial auf der Scheibe kein wieder - aufköcheln   ehemaliger Kronjuwelen darstellt, sondern eine Fast Forward Kollektion hochmoderner Kontroversen darstellt. – Nein, Jungs, Ihr könnt die Vergangenheit nicht verleugnen, die noch heute, zumindest in Eurem Liveset enthalten ist und wie ein guter Geist im Scheinwerferlicht mit vibriert. Der Tanz auf Wolke Sieben hat gerade erst begonnen und allen voran, Leithammel und  Blondlocke Andy Deris, der sich gekonnt in Szene setzt inklusive braunem Leder, einer Menge Charme und  stimmlich im 2-Oktaven Bereich. Im Gegensatz dazu unser alter Weiki, stets lasziv den Glimmstängel im Mundwinkel platziert mit ausdrucksloser Mimik und dieser – die Welt kann mich mal – Einstellung. Bassisten haben’s dagegen einfacher, - so gibt sich's der Illusion. Bei Auftritten von Helloween hat man allerdings eher den Eindruck, dass gerade jener die anstrengendste Schwerarbeit leistet. – Und das stets mit einem selbstzufriedenem happy go lucky Smile um die Augen. Und damit hätten wir ihn schon den harten Kern der Maschinerie. Obwohl sogar dieser sich nicht als 100%iges Urgestein bezeichnen kann, hat doch Andy Deris anno dazumal den Platz von Herrn Kiske eingenommen. Tja und der Rest vom Schützenfest, sprich Leadgitarre und Schlagzeug wird zwar von den Fans wahrgenommen und geduldet, ohne sie geht’s ja  nicht, aber so ganz akzeptiert hat man sie bislang noch nicht. Denn gerade bei diesen Beiden hat sich das Wort Austauschbarkeit schon weitgehend etabliert.
                                                           

Egal, es gilt das hier und heute, was es zu kritisieren gilt. Fest steht, die Kürbisköpfe haben die Produktion wieder hoch gefahren und zwar um Längen.  Man gibt sich souverän, sophisticated, wie der Engländer sagen würde, und durch und durch professionell. Was mir an diesem Abend ein wenig abgeht, ist die 150%ige Spielfreude, die ich bei Helloween in früheren Konzerten so oft erlebt habe. Oder bilde ich mir das nur ein? Bin ich vielleicht zu kritisch in meinen journalistischen Ansichten? Wer weiß. Hauptsache den 700 Fans gefällt das Spektakel. Und zumindest bei den ersten 10 Reihen ist diese Tatsache mehr als offensichtlich. Auch die örtlichen akustischen Verhältnisse entpuppen sich als nicht absolut durchhörbar. Aber ich bin sicher, das liegt nicht an den Künsten unseres Allround Talents Ernstl, der sich die größte Mühe gibt, die Klangkaskaden klar zu strukturieren. Letzteres kann ich zumindest für den Mittelpunkt auf Höhe Mischpult bestätigen. Über anderweitige Perspektiven lässt sich streiten. Meine Meinung dazu, ich habe schon wesentlich schlechtere Misstöne erlebt. Aber nun gut, Meckerer wird es immer geben. Für den wirklichen Fan stellen jene Umstände sowieso nur Randerscheinungen dar, denn seinen persönlichen Hero von 5 Meter Entfernung zu erleben ist das non plus ultra. Wenn dann die Heldenerscheinung auch noch ein Plektrum oder gar Drumsticks in die korrekte Gerade schickt, dann ist die Party gelaufen.

Helloween proben Understatment und versuchen zugleich ihre Künste auf gehobenem Niveau zu vermitteln. Wir sind schließlich alle älter, weiser und erfahrener geworden. Man will mit musikalischem  Können überzeugen und nicht ausschließlich mit der –Wild Child of Rock’n’Roll Attitude. Allerdings kann man’s auch übertreiben. Und in einigen Abschnitten entpuppt sich die Theatralik  ein klein wenig  langatmig und überkandidelt. Doch letztendlich siegt dann doch die Vergangenheit. Und bei ‚Future World’ und ‚I Want Out’  (Kai Hansen sei selig)  keimt die alte Begeisterung just wieder auf und kennt kein Halten mehr.
Fazit des kompletten Oratoriums letztendlich: es war einmal.....und es war schön. Und hätte man im Laufe der Jahre nicht einige Schnitzer ins Getriebe gebracht, dann könnte es heute noch viel schöner sein....Aber im Endeffekt war's heute Abend  dann doch ein gelungenes Intermezzo.

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PRIMAL FEAR

Um auch noch ein Wort zum Sonnt... äh Supportact zu verlieren, bedarf es nur eine Strophe zusätzlich, vom Lied der Glocke. Primal Fear verkörpern noch um Lichtjahre ausschweifender den Inbegriff der treudeutschen Heavy Metal Fraktion, strikt dem Zauberwort Klischee folgend. Ohne Ecken und Kanten aber mit viel deutschem Akzent zieht sich das Schall-Gewitter durch’s Programm. Nicht übel, aber auch nicht ein einziger Ton dabei, der mich aufhorchen lässt, weil er sich eventuell vom Rest differenziert. Die Band rund um Ralf Scheepers und Matt Sinner läuft somit Gefahr sich in der Masse der so und so schon viel zu vielen germanischen Heavy Metal Partien zu verlieren. Und das wäre eigentlich schade. Denn wie gesagt, im Großen und Ganzen sind Primal Fear ein solides Unternehmen, dass den Bedarf des Kuttenträgers voll und ganz zufrieden stellen kann. Die Betonung liegt auf kann. Nur, wie soll man es am besten beschreiben? – Das berühmte Tüpfelchen auf dem i fehlt noch. Und eine graue Eminenz wie es Helloween darstellt, sind sie nun mal  nicht, - noch nicht.  


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15.01. 2006  München Backstage Club
U.D.O.



Jawohl, da is’ er wieder, unsere Stilikone des deutschen Hardrocks, unser Oberfeldwebel im Military-Look, unsere liebenswerte Institution der harten Klänge, die aus den Annalen deutscher Schwer Metal Philosophie nicht mehr weg zu denken ist. Man möchte es kaum glauben, aber seine Truppe, gleichen Namens, hält unser Udo jetzt auch schon sage und schreibe 17 Jahre zusammen und kämpft sich durch den Dschungel der, Ignoranz, Neider, Konkurrenz, Bürokratie und letztendlichen Akzeptanz. Und ständig folgt ihm der Schatten von Accept. Ja, klar, er ist stolz auf die Vergangenheit. Er holt sich jene auch hin und wieder zurück in die Gegenwart mit diversen Reuniongigs, Händchen haltend mit den alten Kupferstechern von anno dazumal, um einmal mehr die Hoffnung alter Accept-Anhänger neu anzuschüren. Aber nein, nein, nein, Udo – beinhart, bleibt bei seiner Entscheidung, die Dauer dieser Ausflüge in die Past Tense strikt zu begrenzen. Der Funke ist nicht mehr da, die berühmte Magie fehlt. (PS. Hat er selbst gemeint)  Und schwupp di wupp ist U.D.O. wieder angesagt, um mit neuer Mission X  einmal mehr zu betonen, dass dieses Projekt hier die Future ist und nicht die Sure 481 von vor-vorgestern. – Dennoch begleitet U.D.O. nach wie vor ein Stückchen Nostalgie in Form von einigen Accept - Hymnen, die ganz simpel zum VaterUnser gehören, wie das Amen in der Kirche. – Jawohl, der Fan erwartet das. Vor allem diejenigen im Publikum unter uns, die sich schon bei Konzerten der legendären Balls To The Walls -  Hardrocker anno dazumal das Gehirn aus dem Schädel zum Cocktail geshaked haben. – Man macht einfach die Augen zu und lauscht dem Nachtigall – Gezwitscher von Meister Pumu.... pardon, - Dirkschneider, und ist augenblicklich zurückversetzt um Lichtjahre ins Nirvana der acceptischen Goldära. – Denn, seien wir mal ehrlich, es ist die Stimme die letztendlich entscheidend ist. Und mein Gott Udo, Du hast Dich keinen Deut verändert. Das Timbre klingt wie eh und je, durchdringend und alles übertönend, und Deine Silhouette ist nach wie vor kurz, leidenschaftlich und treu deutsch korrekt stramm gestanden und alles und jedes übertönend. – Hey, das ist eine Liebeserklärung, nur das wir uns recht verstehen, gelle?!

It’s Showtime Boys, und das mit Kaliber 144 in Hab acht Stellung. U.D.O. plädieren für den tragenden Sound, tonnenschwer und knallhart, - aber, und das ist der springende Punkt, – mit sehr viel Herz vorgetragen. 22 Songs umfasst die Setlist. Und ja, unser Kleiner hat den Accept - Anteil drastisch gekürzt. Mit Recht ! Sein Solo-Repertoire umfasst genug Arien, um drei Nächte hintereinander pokern zu können, was wann wie und wo gespielt werden würde. Und neben all den Ohrwürmern ist auch was für’s Auge geboten. Sexy in dezentem Camouflage bringt Udo seine grazile Figürlichkeit zur Geltung, um zwischendurch die Haute Couture gegen den allerletztem Schrei der französischen Notre Dame Kutten-Eleganz auszutauschen in warmen Brauntönen und Kapuze frei nach dem schwarzen Abt von Edgar Wallace. Als Accessoire offenbart sich eine  neunschwänzige Katze, die apart den Pater Brown Fashion-Style  unterstreicht,  passend zu „Mean Streets“,  Udos Paradesong.
                                                                        
Anschließend ist wieder wie zuvor dirkschneiderische Uniformsjacke angesagt.  Aber genug jetzt. Wir sind schließlich nicht bei einer Modenschau, sondern bei einem Heavy Metal Konzert, - und zwar bei einem guten! Da geht es Schlag auf Schlag, und es bleibt kaum Zeit zum durchschnaufen - das richtige Konditionstraining, wie Udo stets betont, denn jeglicher andere Sport ist sowieso nur Mord. Unser junggebliebener Showman der Knüppel-Strategie, verfügt auch noch über ein photographisches Gedächtnis, merkt er sich doch jede Zeile seiner 22 Gebote im Kopf und benötigt keinerlei Hilfsmittel, wie so mancher seiner Kollegen. Und das mache ihm erst mal einer nach mit seinen  immerhin schon 54 Lenzen. – Aber was Ronnie James Dio mit 65 nach wie vor hinlegt, das schmettert Udo noch fünfdimensional und mit der Leichtigkeit des Seins eines 25jährigen. Wie auch immer, drei Accept Gassenhauer haben’s dann letztendlich doch wieder auf die Setlist geschafft – Princess of The Dawn, Metal Heart und Balls To The Walls. – Und seien wir mal ehrlich, jeder eingefleischte Die Hard U.D.O. Fan hat insgeheim auch genau darauf gewartet. Nur Fast As A Shark bleibt diesmal auf der Strecke trotz einigen hartnäckigen Demands. Tja, damit ist vielleicht der erste Schritt getan, die Leute ganz langsam aber sicher doch vom Accept  Shadow zu distanzieren.

Die Band spielt sich sprichwörtlich den Arsch auf, harmoniert und schenkt sich selbst das Herz Ass, genauso wie den ca. 400 anwesenden Seelchen. Einen  kleinen Wermutstropfen gibt’s dennoch, der etwas bitter schmeckt. Warum nur, frage ich mich, schafft es unser kleiner, großer Figaro nicht noch mal, den Olymp des Heavy Metal bis zum Gipfelkreuz  zu bezwingen? Sicherlich nicht, weil Sohnemann zur Zeit lieber Tokio Hotel vergöttert als seinen Daddy. Das sind lediglich Fata Morganas, die kommen und gehen.  Udo hat sich auch nicht verändert im Laufe der Jahre, und auch nicht die Strategie,  die Qualität und die Güte. – Nur, na ja wir wissen's ja, nur das verdammte Business, ja ja,..... das hat sich weiß Gott verändert.....

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