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05.03. 2006 München, Zenith
Simple Minds

Jetzt wird’s schwierig für mich. Und zwar aus dem banalen Grund, weil ich mit dieser Band und ihrer Musik persönlich nie so wirklich etwas anfangen konnte. Genaus aus diesem Grund habe ich Jim Kerr und seine Truppe bis dato noch nicht live on stage gesehen, auch wenn ich mit dem Schotten schon mehrfach in diversen Interviews über das Wirken und Schaffen von den Simple Minds gefachsimpelt habe.- Aber gerade deshalb ist es wahrscheinlich spätestens jetzt Zeit geworden, um sich die Band auf der Bühne anzuschauen. - Laut meiner Erfahrung habe ich  in der Vergangenheit schon des öfteren die Feststellung gemacht, dass man einen Künstler zwar auf CD/LP nicht mag, sich dieser aber live dann als äußerst attraktiv erweist. Und andersrum gab und gibt es nach wie vor Fälle, wobei mir die Scheibe außerordentlich gut gefällt, aber live ist's dann Essig. Aber da man als Journalist schließlich aufgeschlossen, und auf keinen Fall voreingenommen sein sollte,  und die Simple Minds sowieso noch eine Lücke in meinen Konzerterfahrungen darstellen, ist  es dieses Mal endlich soweit. Auch wenn das Spektakel wieder einmal in unserem, ach so ungeliebten Zenith stattfindet, und ich dank absolutem Schneechaos hier in München, über eine Stunde Weg in Kauf nehme. Einziger Trost ist, dass sich außer mir,  noch ca. 3.000 andere Leidgenossen dieses schlimmen Winters, aufgerafft haben heute hier her zu kommen.

Eines möchte ich an dieser Stelle auch einmal betonen, nämlich den Umstand, dass man ein Konzert  und eine Band der größeren Gattung viel intensiver erlebt und spürt, wenn man nur ca. 1 – 2 Meter entfernt von der Bühne im Fotograben steht, und diese sozusagen hautnah erlebt. Leider bekommt man als Fotograf dieses Privileg meist nur für die Dauer von drei Songs. Und da ist man dann so konzentriert und beschäftigt damit, gute Shots zu bekommen, dass das Vergnügen des intensiven Konzerterlebnisses  schnell wieder geschmälert ist. -

Und sie beginnen das Set mit einem einfach ‚hello, how are you’ von Jim Kerr, der mit seinem pfiffigen Grinsen nach wie vor  wirkt, als wenn er eine Quantensprung durch 6 Zeitzonen gemacht hätte. Dabei ist der gebürtige Schotte und nunmehr Wahl-Sizilianer, auch schon ein rüstiger Endvierziger. Aber, das muss man ihm lassen,  eine Ausstrahlung hat er, da pfeift's dich um, zumindest hier vorne. Und er ist der beste Beweis, dass es keiner großartigen Kostümierung bedarf oder einem Picasso Make-up, um als Entertainer das Publikum in seinen Bann zu ziehen. Jim weiß sich zu behaupten on Stage. Er verrenkt sich, er winkt, er kniet sich nieder,  er sitzt am Bühnenrand und er  legt sich hin.

Er macht alles, nur nicht wie ein Spazierstock da stehen. Und das  in stinknormalem Jeanslook und einem Wohlstandsbäuchlein, das ab und an keck hervor spitzt. Ist nur menschlich. Kurz und gut, der Mann hat mehr Espirit auf der Bühne als die meisten Langhaar-Rocker im Glitzerlook, glaubt es oder nicht.  Aber, und das ist wieder  der springende Punkt, das kriegt man wahrscheinlich eben nur ganz vorne im Fotograben so intensiv mit. Das Gegenteil davon, habe ich nur kurz vor Beginn der Show erfahren, als  am Backstage Eingang  ein unscheinbarer Schatten an uns vorbei in die Garderobe huschte, dem bei der Ankunft kein Mensch auch nur einen müden Blick schenkte.
 

Zurück on stage - der Rest der Band, - klar der ist auch vorhanden, wenn auch nur schemenhaft und im Schatten des Frontmanns verschwindend. Die Simple Minds sind ein klassisches Bandgefüge.  Mastermind Charlie Burchill an der Gitarre, Bass, Keyboard und Schlagzeug im Schatten des, alles einnehmenden Sängers. Und die Fans lieben ihn dafür. Natürlich hat auch hier das aktuelle Album 'Black & White 0505050' Vorrang. Und mit ‚Home’ hat Jim Kerr einen Song geschaffen, der für mich so ziemlich das Beste dar stellt, was die letzen Monate an Singles hervor gebracht haben. Dieses Stück ist eigentlich total Simple Minds untypisch, aber es hat eine Intensität und Stärke, dass der Wunsch entsteht, es möge niemals enden. Vielleicht mag ich es deshalb so gerne. Und vor lauter Begeisterung vergesse ich fast zu fotografieren. Es ist einer jener Momente, wo es einem kalt über den Rücken läuft und man eine gewisse Art von Erregung spürt, die einen in höheren Sphären schweben lässt. Nur leider dauern solche Momente nicht ewig an, und man wird oft  schnell wieder herunter geholt vom Gipfel der Ekstase. 

Der Rest ist ein Greatest Hits Programm  und lässt uns mental zurück in die Achtziger wandern (siehe Setlist). Der Haken bei der Sache ist nur, - ich kann mich nach wie vor nicht wirklich mit der Musik von den Simple Minds identifizieren, bis auf wenige Ausnahmen und natürlich ‚Home’.  Und auch wenn die Melodien, zugegebenermaßen wirklich gut sind, so lassen sie aber doch  im Laufe der Zeit  eine Spur von Langeweile aufkommen. Wenn man dann noch nach dem knipsen  abseits der golden Mitte steht, wo der Sound ohne Übertreibung eine einzige Katastrophe  darstellt, dann trägt das  nicht unbedingt zu Begeisterungsstürmen mit bei. Es pfeift und rasselt stellenweise wie ein verrosteter Presslufthammer. – Aber dafür kann die Band nichts. Unser tolles Zenith tut wieder sein Bestes, um uns den Laden noch mehr verwünschen zu lassen. 
Kurz und gut. Ich habe  die Simple Minds endlich live gesehen, habe Jim Kerrs Sexappeal gespürt (Anm: ist mir bei Interviews komischerweise nie aufgefallen -
Interview mit Jim gibt's hier ) –und ich habe festgestellt, dass ich persönlich noch immer nicht ganz klar komme mit dem Sound der Gruppe.... bis auf... na ja... ‚Home’ versteht sich.  Aber im Großen und Ganzen  war’s ein solider, musikalisch durchaus hochwertiger Ausflug in die Past-Present-Tense. Lang lebe Jim Kerr!               

                                                                                                        

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                                                                               so sah die Gästeliste der Simple Minds in München aus