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12.04. 2006 München, Zenith
In Flames / Sepultura











Haferlschuhe und rote Kringelsocken... jawohl, das ist er, der allerletzte Modeschrei der filigranen Thrashmetal Kultur. Dazu noch eine dezente Krawatte, sowie frisch geföntes Rasta-Hairstyling. Und fertig ist das visuelle Markenzeichen von... na ja, - von eben In Flames.
Gerade in letzter Zeit wurde ziemlich viel Wind um diese Formation aus Schweden gemacht. Und so manch einer, der nicht 100%ig mit dieser musikalischen Gangart vertraut ist, hat sich gefragt, was denn so besonderes an dieser Band sei im Gegensatz zu ihren unzähligen thrashigen Kollegen, bei denen so mancher wie grade mal der nächste klingt. -


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Und... jawohl, sie sind tatsächlich anders als andere. Und das liegt mitnichten an den Haferlschuhen, den Kringelsocken und der Seidenkrawatte. Das Zauberwort heißt in dem Fall ‚Struktur’. Ja, In Flames haben Stil und sie haben eine Struktur, sowohl was die Stage Show betrifft, als auch die Musik selber. Während man allerdings bei ersterer augenblicklich im Bilde ist, so kristallisiert es sich bei letzterem, also der Musik,  oft erst nach einleitender Prügelpartitur heraus, zumindest was die Mehrheit der Songs angeht.

Feurio, - da sprühen die Funken samt Donnerhall, im wahrsten Sinn des Wortes. Und zwar so heftig, dass so manches Trommelfell Tango tanzt. Die Euphorie ist grenzenlos und gottergeben. Und so mancher opfert seine Wenigkeit um in hohem Bogen in Richtung Altar zu fliegen. Nur leider wird das Ziel nicht erreicht und von fürsorglichen Erzengeln streng bewacht. Aber Erzengel sind auch nur Menschen, und haben hinten keine Augen. Deshalb auch die unsanfte Landung eines dieser lebenden Wurfgeschosse auf  meiner Wenigkeit, welche verzweifelt versucht inmitten dieses Wahnsinns auch noch einige gute Schnappschüsse zu erzielen. Aber erst einmal küsse ich den Boden, instinktiv die Kamera hochhaltend,  und hoffe im selben Moment, dass außer ein paar blauen Flecken nichts zurück bleiben möge. Dafür werde ich zu allem Überfluss auch noch Bier – getauft. Soll gut für die Haare sein, heißt es doch. Also was soll’s. Trotzdem bin ich froh und dankbar, als die Schlacht um Waterloo...., pardon im zenithischen Fotograben ein Ende hat, unentschieden für sämtliche Parteien.


’Come Clarity’ hat im Februar das Licht der Welt erblickt, und seitdem ist der Schwedenexport nicht mehr zu bremsen. Waren sie im vergangenen Jahr schon als Support von Judas Priest auf Freiersfüßen, so setzt der Vierer jetzt zum Triumphzug  an. Vorerst in Europa, aber bald schon um den kompletten restlichen Globus. Und sie haben’s verdient, denn In Flames sind tatsächlich was besonderes. Die Fachwelt würde sie wahrscheinlich nicht unbedingt als musikalisch hochwertig bezeichnen. Aber der Sound der  Skandinavier beinhaltet sogenannte Hinhörer, Breaks und vor allem Refrains, die ins Ohr gehen und zum mitsingen, bzw. grölen verführen. Und genau das ist für eine Metalband dieser Gangart eher etwas ungewöhnlich. Hier unterscheidet sich ein Stück vom anderen mit aller Deutlichkeit. Und mittendrin, man höre und staune, gibt es sogar so was wie eine Thrashmetal – Ballade. Schwer sich vorzustellen, ist aber so....Und haben mich bisher Zweifel geplagt, ob diese Band überhaupt als Headliner für’s diesjährige Bang Your Head Festival geeignet ist, so bin ich gerade eben eines besseren belehrt worden. Jawohl und totsicher, sie sind es, mit brachialer Gewalt, Feuerglanz und Donnerhall, absoluter Stilsicherheit dank roter Kringelsocken und ... ich wiederhole mich – mit exzellenter Struktur im Soundgefüge.

        

Sepultura, der Metalgott hab’ sie selig, allerdings ohne den Kultstatus von anno dazumal, als noch zwei Cavaleras den Ofen mit angeschürt haben. Hier und heute ist nun keiner mehr mit von der Partie. Und Leute, ich kann mir nicht helfen, aber irgendwas fehlt. Ich spreche dabei weniger von der musikalischen Darbietung, als vielmehr von verlorener Aura vergangener Tage. Klar, man leuchtet als Anheizer nicht ganz so hell wie die eigentliche Nachtigall des Abends. Um ehrlich zu sein, die Lichtverhältnisse während Sepulturas Monolog sind schlichtweg verheerend und die Kamera schlägt wahre Kapriolen, um da noch was halbwegs akzeptables raus zu holen.
However, Sepultura, oder was davon noch übrig geblieben ist, inklusive Frontmann, der eher wie ein jamaikanischer Regggae Sunshine Boy anmutet, der mit seinem Mariihuana Pfeiferl am Sandstrand von Negril oder Kingston blasse europäische Blondinen bezirzt,  geben sich zumindest alle Mühe ihrem Standard gerecht zu werden. Und das werden sie auch, - nicht so sehr was die spärlich gesäten Blondinen angeht inmitten der etwa 4.000 headbangenden Seelchen, aber zumindest was die – immer noch – Die Hard – Sepultura Fans betrifft. Gut so. Denn solange dies der Fall ist, ist auch für die Südamerikaner nach wie vor Platz am Thrashmetal Himmel – mit oder ohne Familie Cavalera.