”Ich hab auf John Lennons Keyboard gespielt, was mir in dem Moment
nicht bewusst war. Als man es mir hinterher gesagt hat,
hatte ich das Gefühl etwas ganz besonderes sei geschehen“. –
Nun ja, heute Abend ist es mit Sicherheit nicht Lennons Keyboard, dass
Jon Oliva bedient, aber wenn man ihn nach einem Highlight in seiner
Karriere fragt, dann kommt mit 100%iger Sicherheit dieser bescheidene
Satz über seine Lippen. Inzwischen sind viele, teils sehr turbulente
Jahre vergangen mit etlichen Höhen und Tiefen. Inklusive auch dem schwärzesten
Punkt in Jons Leben, nämlich den viel zu frühen Tod seines Bruders
Chris. Inzwischen hat er sich zwar wieder hoch gerappelt von diesem
Tiefschlag, aber überwinden wird er ihn wohl sein restliches Leben lang
nicht mehr. Jeder zweite Song ist für Chris, um Chris, in Gedenken an
Chris und sogar mit Chris geschrieben worden. Und von der ersten bis zur
letzten Sekunde ist sowieso die ganze Show – na, eben Chris gewidmet.
Trotzdem hat der sympathische Amerikaner seinen Humor nicht verloren,
und er versteht es exzellent die wenigen, aber treuen Fans auf seine
eigene lustige Art und Weise zu unterhalten.
Ach
ja, man sollte vielleicht erwähnen, dass dieser Auftritt heute Abend
hier in München eine Akustikpremiere ist. Demzufolge bekommen wir hier
kein fetziges, hardrockendes Metal Spektakel geboten, sondern eine eher
künstlerisch andächtige Premiere hochwertigem Songmaterials, nicht nur
von Pain, sondern auch ein Medley aus verschieden Savatage Songs,
vermischt mit Musik von Jons größten Vorbildern, den Beatles. – Ja,
er hätte sooo gern mal John Lennon getroffen, um mit seinem Hero einmal
im Leben zusammen gejammt zu haben. Aber das wird ja wohl ein
Wunschtraum bleiben, denn bekanntlich ist noch keiner von den Toten
auferstanden, weder John Lennon noch Bruder Chris. Aber sie können
zumindest in einem selbst weiterleben und eben in der Musik. Nein, das
hier heute Abend ist vieles, aber mit Sicherheit kein Heavy Metal
Konzert der üblichen Gangart. Und auch wenn einige der ca. 150
anwesenden Savatage, TSO oder Pain Fans zu Beginn etwas betroffene und
mehr als überraschte Gesichter zeigen, weil die Erwartung auf das übliche
Heavy Metal Spektakel nicht erfüllt wird, so kann man förmlich
zuschauen, wie sich von Minute zu Minute die Mimik bei den meisten in
ein zufriedenes und sogar teils schier begeistertes Anglitz verwandelt.
Und yep, genauso so soll’s auch sein.
Bei solchen akustischen Darbietungen tritt außerdem vor allem zu Tage,
was die jeweiligen Musiker wirklich drauf haben. Und in der Hinsicht
punkten sie allemal. It’s Party Time, nicht so stürmisch wie sonst,
aber mit einer gewissen Harmonie und Glückseligkeit, die beweist, dass
diese Art von harter Musik durchaus im Stande ist, hochwertige musische
Impressionen zu hinterlassen. Unser sympathisches Dickerchen von dem wir
kein Gramm missen möchten, ist nach wie vor verdammt gut in dem was er
macht. Inspiriert durch den Spirit von Bruder Chris, John Lennons
Keyboard und den alltäglichen, anderweitigen göttlichen Eingebungen,
ist Jon jetzt wieder halbwegs glücklich auf einer Bühne zu stehen,
nachdem er sich verdammt lange Zeit in Abstinenz geübt hatte. „Savatage
ist irgendwie kaputt, seit Chris tot ist“, meint er. „Die Seele
dieser Band ist mit ihm gestorben“. Sagt's und vergießt ein
heimliches Tränchen. – Das
Transibirian Orchestra sieht er nunmehr als seine Lebensversicherung an.
Aber Pain ist seine Rekarnation zu einem neuem Leben – live on stage
mit restauriertem Image, einer besseren Stimme als je zuvor und logisch,
- mit all seinen Pfunden drauf, ohne die Jon nicht Jon wäre. Und last
but not least zum gelungenen Ausklang des Abends, sehr spät auf einer
Holzbank vor der Tür, - noch eine gepflegte, liebevoll gerollte Havanna
samt Wodka pur. – Prost und wohl bekomm’s.