Der
Ausschlag für diese Kolumne
hat eine Fernsehsendung gegeben, die sich wieder einmal mit den
musikalischen Rock’n’Roll Erinnerungen von anno dazumal befasst hat.
Zu einer solchen Show werden dann einige mehr oder weniger bekannten
Branchen Kenner und Musiker
eingeladen, solche die bereits vor 40 oder mehr Jahren die Clubszene
Deutschlands aufgewirbelt haben. Heute sehen sie zwar alle eher aus wie
rüstige Opas in der Late-Live-Crisis, die mit all diesen Memories den fünften
Frühling herauf beschwören wollen, aber sie sind immer noch da.
Besonders gefragt sind dabei Bands, die Anfang bis Mitte der Sechziger
in Hamburg die Starclub Szene beherrscht haben (oder zumindest dachten,
dass sie es getan hätten) Unsere, mittlerweile zur Über-Reife
herangewachsenen Oldies geben sich immer noch cool, ja wahrscheinlich
noch viel cooler als sie es jemals in jungen Jahren waren. Da darf die
hautenge Lederhose nicht fehlen und die mondäne Sonnenbrille im
futuristischen Design. Und die Haare werden länger als je zuvor
getragen, wenngleich auch schon wesentlich ausgedünnt. Aber als Rocker
auf Lebenszeit muss man schließlich gewissen Richtlinien folgen was das
Styling betrifft. Und da gehören lange Haare nun mal dazu, oder
zumindest eine Punkfrisur. Unterstrichen wird der Look von etlichen
Furchen unterm coolen Augenaufschlag und auf der Stirn, damit auch jeder
gleich sieht, dass Mann sein ausschweifendes Rock’n’Roll Leben auch
wirklich gelebt hat mit allem drum und dran. – Und dann wird da
diskutiert und beschrieben wie toll die damalige Zeit doch war. Und wenn
z.B. Tony Sheridan im Starclub die Bühne betrat, dann war das so überirdisch
und einmalig, dass es hinterher nie wieder so etwas in der Art gegeben
hat lt. unseren germanischen Superrockern, die übrigens auch heute noch
auf etlichen Oldiefestivals vertreten sind – in Germany only –
versteht sich.
Nun, dass jene Epoche des Aufstiegs des Beats sicherlich ihre Reize
hatte, will ich ja gar nicht bestreiten, aber die Wirklichkeit sah lt.
anderen Berichten eher nach einem konstanten Überlebenskampf aus. Und
dies galt auch für die Beatles, bevor sie entdeckt wurden. Die Zeit
trug selbstredend zur Entwicklung der Musik ansich mit bei – keine
Frage. Aber muss es denn wirklich sein, dass sich unsere, oben genannten
Rocker Grufties tatsächlich noch dermaßen in uralten, längst
vergangenen Zeiten sonnen müssen in der Öffentlichkeit? Ich frage mich
da: warum tun das die Rolling Stones z.B. nicht, oder ein Paul
McCartney, ein Eric Burdon oder Eric Clapton usw? – Ganz einfach, weil
sie’s erstens nicht notwendig haben dank ihrer andauernden Popularität
und sie deshalb auch nicht unter Geltungsbedürfnissen leiden. Ein Keith
Richards kann es sich z.B. immer noch leisten auf der Bühne zu stehen
im Schlabberlook und mit Stirnband geschmückt, um sein ‚Satisfaction’
einen Ton daneben, runter zu orgeln, weil es eben Kult ist und vor allem
nie aus der Mode gekommen ist.
Damit will ich aber nur sagen, dass es eben solche und solche Oldie
Rocker gibt. Da sind diejenigen die nach wie vor ganz oben sind und sich
ihre individuelle Selbstdarstellung auch wirklich leisten können, weil
man ihnen dank ihrer musikalischen Verdienste so ziemlich alles verzeiht
(siehe Keeff).
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Keith - wie er leibt
und lebt und jede Falte hat ihre Berechtigung und wird ohne
wenn und aber akzeptiert. Denn wenn einer der Inbegriff des Bad
Ass Rock'n'Roll ist,
dann wohl er.... - wer sonst?
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Und die
haben es vor allem nicht notwendig in der Vergangenheit zu leben. Dann
gibt es diejenigen, die trotz ihrer Egozentrik und dem erzwungenen
Jungbrunnens auch immer noch gut aussehen und eine feile Liveshow
abfeuern. Und dann gibt es eben jene Gattung, die in der Vergangenheit
mal gerade einen Hit hatte, oder die mal bei der oder der Oldieband war
und nach wie vor von den alten Zeiten zehrt und schwärmt und sie mit
aller Gewalt wieder herauf beschwören will, auch wenn sie wie Quasimodo
mit Windpocken aussieht. – Und genau über letztere Gattung handelt
diese Kolumne, nach dem Motto: traurig aber Realität und
peinlicher geht’s nicht.
Zurück also zu unseren Fernsehshows, die sich genau mit dieser Spezies
befassen und Künstler wie die Rattles, Spencer Davis Group, einen Chris
Andrews oder Leslie Mandoki aus dem Ärmel schütteln, die sich dann im
Scheinwerferlicht sonnen und in Erinnerungen schwelgen. (Anm: jene kann
man sich im Gegensatz zu einem Eric Clapton auch noch finanziell leisten
:-)
Mal
abgesehen von der Tatsache, dass unsere Jugend die genannten Rocker gar
nicht mehr kennt, geschweige denn, den einen großen Hit, den sie anno
dazumal hatten, - so frage ich mich, ob es wirklich etwas bringt, diese
– mehr als „attraktiven“ Herren
aus dem Ärmel zu schütteln, um irgendwelche Oldie Revival Sendungen zu
präsentieren, die im Prinzip nicht peinlicher sein könnten, als sie
ohnehin schon sind. - Yep,
hier in Deutschland scheint das noch zu klappen und die Oldies dürfen
sich, zumindest für die ältere Generation noch in auferstandener
Frische präsentieren, um Anekdoten, Weisheiten und Tipps zum Besten zu
geben. Unterbrochen wird das Ganze von Querschnitten durch die
Oldie-Musiklandschaft, allerdings, - und das nervt am allermeisten, -
nur kurz angespielt. Man will schließlich so viel wie möglich in die
üblichen 90 Minuten hinein pressen. Und das Privatfernsehen hat schließlich
nichts zu verschenken. Die Krone wird dem Ganzen dann noch aufgesetzt,
wenn alles ziemlich systemlos vonstatten geht. Sprich, nach den
Anekdoten über den Starclub in Hamburg und den Bealtes folgt ein Clip
von und mit US Soullegende Hot Chocolate und ihrem Hit ‚You Sexy
Thing’. Mein lieber Herr Gesangsverein!! Das eine hat mit dem anderen
in etwa so viel zu tun wie Raumschiff Enterprise mit Kung Fu. Und wenn
ein 16jähriger Teenager so eine Sendung sieht, dann steht er wie der
Ochs vorm Berg, und bekommt, mal abgsehen davon, dass er ohnehin keine
Ahnung von anno dazumal hat, auch noch einen komplett falschen Eindruck
vermittelt. Dass unsere Jugend zudem so einen ausgemergelten Oldie nicht
mehr ganz für ungefähr hält, muss ich wohl nicht mehr erwähnen.
Kurz und gut, um den ganzen Sinn der Peinlichkeit auf den Punkt zu
bringen und niemanden vor den Kopf zu stoßen, - es gibt auf alle Fälle
solche und solche Oldie Rocker. Jene die mit 69 Jahren so wie Eric
Burdon immer noch einen Entertainment Level hoch 3 provozieren können,
und das ganz ohne coole Sonnenbrillen und Lederhosen. Und die, die so
wie er, nach wie vor in die Zukunft schauen, die Vergangenheit
Vergangenheit sein lassen, und House of the Rising Sun nur noch singen,
weil’s halt dazu gehört, auch wenn er’s laut eigener Aussage nicht
mehr riechen kann und jenes auch gar nicht benötigen würde für seinen
immer noch währenden Erfolg und Qualitätsstatus.
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Eric Burdon
Sex & Death & Rock'n'Roll
und immer noch höchst amüsant....
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Zu jener
Gattung, die zudem noch den Kultstatus inne haben, zähle ich z.B. auch
einen Eric Clapton und einen Steve Winwood. Wobei wiederum die ursprüngliche
Band von Winwood, also die Spencer Davis Group zur anderen Fraktion gehört
inkl. der Frage: muss das wirklich noch sein? Oder Brauchen wir diesen
Abklatsch von Sweet noch, bei dem ohnehin nur noch ein Originalmitglied
mit von der Partie ist oder eine Manfred Mann’s Earth Band, wo auch außer
dem Namensgeber himself, keiner von damals mehr dabei ist samt einem
Chris Thompson. Und nicht mal der war ein Orignal. – Die Reihe lässt
sich noch lange fortsetzen. Aber letztendlich lässt sich nur
schlussfolgern: wie gut dass es Germany gibt. Denn hier scheint der
Bedarf nach abgehalfterten Oldies, deren Stern schon lange erloschen
ist, noch immens groß zu sein, vor allem im Norden unseres Landes, wo
die ältere Generation immer noch den Starclub Zeiten nachheult.
Klar, ich heule auch noch den späten Siebzigern nach und den
Musik-wirtschaftlich-gesunden Achtzigern. Es war in der Tat eine schöne
Zeit. Aber deshalb versuche ich sie noch lange nicht zurück zu holen.
– Die Dinge sind heutzutage nun mal so wie sie sind. Und es gibt sie
immer noch, die wahren Musiklegenden, die die Musik von damals der
Jugend von heute schmackhaft machen, ohne dabei aber angestaubt zu
wirken, denn sie sind immer mit der Zeit gegangen und versuchen
mitnichten sich selbst einzuholen. Und es gibt auch heute gute, neue
Rockacts, die für Beachtung kämpfen. Es ist lediglich die allgemeine
Wirtschaftslage, die dies wesentlich schwerer macht als eben damals. –
Also setzen wir aus Kostengründen lieber ein paar angestaubte Oldie
Rocker auf die Couch einer billig gemachten TV Show und lassen sie zu
‚Pretty Belinda’, ‚Yesterday Man’ oder ‚The Witch’ und
‚Dschingis Khan’ mitschunkeln.
Während in
Großbritannien, Frankreich, oder am Nordpol so etwas ein Ding der Unmöglichkeit
wäre, hält ein Prozentsatz der älteren Gesellschaftsschicht in
Germany eisern an ihren einstigen Idolen fest und schmettert lautstark
mit zu ‚Mighty Quinn’ und ‚Winchester Cathedral’. Und last but
not least: könnte es nicht sein, dass all diese beschriebenen,
angestaubten Oldiebands ohnehin nur noch so fleißig präsent sind, weil
sie die Kohle brauchen? Zumindest in der Hinsicht hat sich seit Starclub
Zeiten aber auch rein überhaupt nichts verändert.
Lange leben hingegen nach wie vor die Rolling Stones, AC/DC, Status Quo,
Neil Young und die Eagles....oder der Geist von Led Zeppelin. Denn nur
bei jenen hat der Zahn der Zeit zumindest kein Karies hinterlassen....
und die Dritten beißen immer noch kraftvoll zu. Die restlichen Weißheitszähne
60 + begnügen sich mit der
TV Couch, Erinnerungen und einer pseudo-fetzig-ulkigen Playback Einlage
zu ihrem, meist einzigen Hit aus der Sturm- und Drangzeit natürlich mit
Cooler Sonnenbrille und Raubtierblick. Und
dann geht’s los: „Wild thing - you make my heart sing - you make
everything groovy - wild thing - Wild thing I think I love you
but I wanna know it for sure - so come hold me tight I love you
Wild thing …” usw usw…
Ach du schönes Deutschland, gut dass es dich gibt. Denn hier
haben wirklich noch alle Beißerchen
ihre Daseinsberechtigung, auch wenn viele schon längst gezogen
gehörten dank fortgeschrittenere Fäulnis.
Tschüs und in 10 Jahren hören wir uns dann wieder...... und ich wette
fast, die Rolling Stones ... na ja vielleicht denn doch nicht mehr....
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all
Pics by ebl/musicmirror
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