Steve Perry      
“Der Freie Fall“

Bei uns im südlichen Alpenraum gibt es ein Sprichwort, welches lautet: ‚Wärst nicht rauf g’stiegn, dann wärst nicht runter g’falln. Das dieses aber nicht nur auf unsere Breiten hier zutreffen muss, sondern ebenso gut auf den vulkanischen Gebirgshängen von Hawaii passieren kann, hat kein Geringerer als Steve Perry am eigenen Leib erfahren. Im August 1996 wurde ein Traum zerstört. Steves Unfall auf Hawaii hatte so schwerwiegende Folgen, dass es bis heute eher unwahrscheinlich ist, dass es jemals wieder so wie früher sein könnte.
Nein keine Sorge, Steve geht es heute gut. Er ist kerngesund und hat inzwischen seinen 59sten Geburtstag gefeiert und ist immer noch solo. Und er tut laut eigener Aussage jetzt all die Dinge zu denen er in seiner Jugend nie gekommen ist.

“Man hat mir über all die vielen Jahre ziemlich verlockende Angebote gemacht, aber ich habe sie nie genützt. Ich mache immer noch Musik, aber ohne Druck. Ich bin kunstinteressiert, besuche Galerien, gehe in Konzerte und sehe mir Filme an. Hey, ich bin der größte Filmfreak aller Zeiten. Ich sehe mir jede Woche die neuesten Movies an. Ich lasse die Dinge auf mich zukommen, und freue mich zum Beispiel schon lange vorher, wenn es wieder mal eine Picasso Ausstellung in der Stadt gibt. Mein Leben läuft jetzt gegen den Uhrzeigersinn, und es fühlt sich wunderbar an.“

Seine Geburtstage feiert der Musiker inzwischen regelmäßig auf einer Karibikinsel und bekommt jedes Mal vom örtlichen Bäcker eine riesige Torte mit Zuckerguss geschenkt.
Aber lassen wir noch mal das Jahr 1996 Revue passieren, das Jahr in dem Journeys Reunionalbum ‚Trial By Fire’ erschien, die erste Scheibe seit 10 Jahren. Es sollte die große Party werden. Mit Pauken und Trompeten wollten es die einstigen Melodic Rock Superstars wieder so richtig krachen lassen und eine neue Ära von Journey einleiten. Der Paukenschlag ist erfolgt, aber leider nicht so wie es sich alle erträumt hatten, sondern vielmehr als tiefer Fall von einem hohen Berg auf den Hawaii-Archipel. Und gekracht hat es höchstens in Steve Perrys Hüfte.

“Ich wusste, dass eine Operation unabwendbar war. Sonst hätte ich den Rest meines Lebens als Krüppel gelebt. Ich konnte nicht auf der Bühne stehen, geschweige denn eine Tournee bestreiten. Neal Schon und Jonathan Cain boten an zu warten, aber nur unter der Bedingung, dass ich mich augenblicklich unters Messer legen würde. Es hörte sich wie ein Ultimatum an. Ich fühlte mich aber in die Enge gedrängt und konnte diese Umstände einfach nicht mit mir vereinbaren. Ich schlug den Beiden vor, dass sie zwischenzeitlich ein anderes Projekt auf die Beine stellen sollten, Aber davon wollten sie nichts wissen. Das war das Ende.“

Journey holten sich daraufhin einen gewissen Steve Augery, der nicht nur aussah wie die jüngere Version von Steve Perry, sondern auch stimmlich dem Original fast schon banal ähnelte. Wobei es immer wieder Gerüchte gab, dass Augery nie selbst gesungen hat.
1998 zog Perry ein Resümee seiner sehr erfolgreichen Solokarriere, die er stets neben Journey verfolgt hatte, und veröffentlichte die CD ‚Greatest Hits of... & 5 Unreleased’.

“Das klingt jetzt komisch, aber meine Soloplatten waren für mich immer der Versuch, meiner Stimme eine unterschiedliche Färbung zu geben und weg zu gehen vom typischen Journey Sound.“

Nachdem sich Steve endlich der erforderlichen Hüftoperation unterzogen hatte und  vollkommen genesen war, machten erst recht unzählige Gerüchte die Runde, Perry wäre an Parkinson und Krebs erkrankt. Andere Stories erzählten, dass er seine Konzentration nur noch in die Schauspielerei legen würde. Für lange Zeit ließ der begnadete Musiker seine Fans im Unklaren, und keiner wusste so recht was aus dem Multitalent geworden war.

“Es stimmt schon, ich habe einige Dinge, die mir persönlich sehr wichtig waren, niedergeschrieben und sie im Laufe der Jahre gesammelt. Das hatte auf mich eine therapeutische Wirkung, um mir zu helfen über gewisse Dinge hinweg zu kommen.“

In der Zwischenzeit machte sich Perry durch die Mitarbeit bei diversen anderen Projekten nützlich, wie zum Beispiel beim Soundtrack zu ‚Quest On Camelot’. Und als Backgroundsänger kann man ihn auch auf einer Platte der Band Laidlaw hören. Aber das wissen die Wenigsten.

“Ich bin schon seit vielen Jahren mit Nikki Sixx von Mötley Crüe befreundet. Er produziert ja bekanntlich neue Bands. Und wenn mir eine besonders gut gefällt, dann mach’ ich mit, wenn Bedarf da ist.“

Aber auch die Negativ Schlagzeilen machten nicht halt. Einmal gab es die Meldung, Perry sei in einem Club in Tijuana, Mexiko gesehen worden, wo er zu Karaoke sang. Anschließend soll er sich in einem Stripclub mit einigen Blondinen extensiv vergnügt haben.

“Ich war noch nie in Tijunana. Vielleicht will da jemand Publicity schüren, oder man hat mich schlichtweg verwechselt. Oh Mann, wenn ich nur die halbe Action davon erlebt hätte, wäre ich jetzt gebrannter Toast. Ich bin schließlich auch nicht mehr der Jüngste, auch wenn es sicher eine Erfahrung wert gewesen wäre.“

Steve Perry besitzt übrigens bis heute keine eigene Website. Falls es etwas zu melden gibt, dann tut er dies über die Fanseite steveperryonline.net. – Viele fragen sich natürlich, ob den ehemaligen Journey Sänger in der Zwischenzeit nicht doch wieder die Musikerleidenschaft gepackt hat und er wieder einmal ein Soloalbum machen möchte.

“Ja es liegt da so einiges herum. Manches ist komplett fertig, der Rest besteht aus Teilen eines Puzzles, das noch zusammengesetzt werden muss, Vielleicht wird einmal was draus, vielleicht auch nicht.“

Fakt ist, dass Steve Perry in Amerika noch immer einen so hohen Stellenwert besitzt, dass er mit einem neuen Album im Nu wieder ganz oben stehen würde. Und Journey könnten sich dann sehr warm anziehen. –
Mit Old Time Friend Nuno Bettencourt hatte er einige Songs geschrieben. Aber ob jene jemals auf CD gepresst werden, weiß er bis heute selbst nicht so recht.
Steve hört sich aber gern auch neue Acts an.

 “Ich bin ein alter Radiosurfer und suche immer sämtliche Kanäle ab, bis ich etwas gefunden habe, das meine Aufmerksamkeit erregt. Und wenn das nicht der Fall ist, dann klicke ich auf eine klassische Station und hole einfach nur tief Luft. Ich kann mich wunderbar entspannen beim Musik lauschen dank der Konzentration auf die einzelnen Instrumente. Da höre ich dann die ganze Arbeit heraus, die darin liegt.“

Wehmut an längst vergangene Zeiten liegt jedenfalls nicht in Perrys Stimme. Und deshalb steht auch die Frage nach seinem persönlichen Lieblingsalbum von Journey in der Luft, selbstredend aus der Perry Ära.

“Das ist nicht so einfach zu beantworten. Ich mag sie eigentlich alle, da die Songs meist sehr persönlicher Natur sind. Wirklich stolz bin ich auf die letzte CD ‚Trial By Fire’-  Jeder Titel darauf ist einzigartig. ‚When You Love A Woman’ war ja sogar für einen Grammy nominiert.“

Trotzdem will ich noch einen Kommentar von Steve zu einem der berühmten Journey Songs hören.'

“Faithfully’ ist einer meiner Favoriten“ – Steve denkt kurz nach und lacht. –„Wahrscheinlich, weil ich ihn gar nicht selbst geschrieben habe. In der Tat ist es mitunter einfacher, Songs anderer Leute zu interpretieren, als seine eigenen. Aber dieses Lied entwickelte immer sehr viele Emotionen, wenn wir ihn on Stage peformed haben. Von 1977 bis 1987, das waren wirklich zehn wundervolle Jahre. Wenn ich heute im Radio Musik aus dieser Zeit höre, dann weiß ich immer noch genau, wann und wo und unter welchen Umständen wir ihn geschrieben haben. Die Erinnerung daran ist so präsent, als ob sich alles erst gestern ereignet hätte. Als ich die Band 1987 verließ, hallte diese Energie zumindest für mich, noch ca. fünf Jahre nach. Manchmal hatte ich das Gefühl, als ob es uns nach wie vor noch geben würde. Ich musste damals aufhören, da ich so ausgebrannt war. Das ist höchstwahrscheinlich auf den extensiven Lebensstil zurück zu führen, der uns in der Hochphase von Journey beherrschte. Die letzte Tour vor der Trennung war eine schwere Geburt. Zudem wurde bei meiner Mutter Krebs diagnostiziert. Und ich litt irgendwann an chronischer Bronchitis. Die Folge war, dass die halbe Tour abgesagt werden musste. Keiner verstand mich zu jener Zeit, am allerwenigsten Neal Schon und Jonathan Cain.“

Kurz darauf starb Steves Mutter, und er verbrachte die folgenden 24 Monate damit, sich um den, ebenfalls kranken, Großvater zu kümmern. Erst 1994 tauchte Steve wieder aus der Versenkung auf mit dem Soloalbum ‚For the Love Of Strange Medicine’. Es schlug wie eine Bombe ein, und den Anfang machten drei ausverkaufte Auftritte im Hollywood Pantage Theatre. Dieser Erfolg führte alsbald zu Gesprächen über eine Journey Reunion. Und die erfolgte dann auch prompt 1996 und mit Trial Of Fire’. Man blickte auf 10 Jahre Journey zurück und auf 10 Jahre Trennung. Nun wollte die Band das dritte Jahrzehnt einläuten. Aber das Schicksal wollte es anders. Und dann war er da, der August des selben Jahres, während dem sich einmal mehr die Welt für Steve Perry veränderte. Und die dritte Dekade hatte nicht mal 10 Monate gedauert. Journey gibt es immer noch seit diesem Ereignis, aber es ist beileibe nicht mehr dasselbe, auch wenn sich Neal Schon und Jonathan Cain inklusive dem, nunmehr dritten Sänger, Arnel Pineda  all Mühe geben den Zauber und den Mythos vergangener Tage zurück zu holen. Denn die fehlende Essenz, nämlich Steve Perry ist durch kein anderes Patentrezept der Welt zu ersetzen. Jetzt wo die alte Verletzung, die den Krug zum Zerbrechen gebracht hatte, verheilt ist, wo keine Hindernisse mehr im Weg stehen würden für einen weiteren Neuanfang im Orignal Line up, – jetzt ist es ist offenbar zu spät.

“Vielleicht haben wir einfach versäumt miteinander zu reden. Wir haben uns damals gegenseitig die Freundschaft gekündigt.“ 

Neal und Jonathan gehen ihren Seperate Way in der Hoffnung auf einen erneuten Superstar Status. Und Steve ist wahrscheinlich zu stolz, um von sich aus den Kontakt zu seinen alten Freunden wieder aufleben zu lassen.. Jedenfalls kommt auf die Frage, ob er sich jemals eine Wiedervereinigung mit Journey vorstellen könnte, kein Kommentar. Auch bezüglich eines neuen Albums gibt er sich eher bedeckt, lässt aber durchaus Grund zur Hoffnung, nach dem Motto: sag niemals nie.... Somit lassen wir ihn vorerst die nächste Kunstausstellung besuchen oder mit seinen Katzen Philosophien teilen. Nur eines steht fest, Steve Perry ist auf dem besten Weg wieder aufzusteigen wie der berühmte Phönix aus der Asche es zu tun pflegte. Der Anfang war sein persönlicher Stern am Hollywood Walk of Fame, den er am 21. Januar 2004 erhalten hatte. Und dann geht die Journey weiter. Dabei hätte alles schon viel eher so schön sein können. Ja, ja, wärst nicht rauf g’stiegn, dann wärst nicht runter g’fallen.
ebl