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Frage: Habt Ihr schon mal einen schweren spanischen Rotwein langsam mit einem Strohhalm geschlürft,- schlückchenweise? Nein! Solltet Ihr mal versuchen. Denn ich verspreche schon jetzt, dass Ihr Euch bereits nach einem Glas hoffnungslos im Delirium befindet. Und zwar genauso, als wenn Ihr von dem Saft ca. 5  Gläser normal getrunken konsumiert hättet. – Wenn das Ganze dann, so wie hier, von einem Entertainer on stage praktiziert wird, - ich meine jetzt, die Strohhalm-Variante, und das nicht nur mit einem , sondern gleich mit vier Bechern, dann muss man sich langsam fragen, in welchem  Zustand sich dieser, bereits nicht mehr ganz taufrische Egozentriker da oben tatsächlich befindet. -
Nein, Al Jourgensen  gibt sich keine Blöße, keine Schwäche und schon gar keinen Fauxpas. Er präsentiert sich arrogant, überheblich und äußerst aggressiv gegenüber einem Publikum, dass in ihm so etwas wie den glorifizierten Erzengel des Industrialmetals sieht. Und deshalb kann es sich der inzwischen 47jährige gebürtige Kubaner auch leisten, seine schrägen Launen auf die ca. 1.000 versammelten Schäflein niederprasseln zu lassen. Was ihm an Körpergröße fehlt, das macht er mit seiner gewaltvoll reflektierenden Aura wieder wett. It’s Showtime Kiddies, und das mit der geballten Power von mindesten 120 Dezibel und noch ein bisschen mehr. Ohne Ohrschutz geht fast gar nichts.  Ach ja, die Sonnenbrille trägt er ausnahmsweise nicht der Coolness wegen, sondern vor allem wegen einer fortschreitender Augenerkrankung und deren zur Folge auftretenden Lichtempfindlichkeit.

Mit ‚Rio Grande Blood’ im Gepäck, der Titel ist übrigens eine Verarschung auf ZZ-Tops ‚Rio Grande Mud’ , sofern  Ihr das nicht sowieso schon wusstet, hat der Meister des Zynismus wieder zu alter Form zurück gefunden. Und anhand dieser Tatsache verzeiht man ihm auch die zwischenzeitlichen Durchhänger während der vergangenen Jahre. Laut eigener Aussage soll dieses neue Teil hier, allerdings auch das letzte  von Ministry sein, die damit, und mit dieser Tournee zu Grabe getragen werden. Er habe einfach genug davon und möchte  sich zukünftig anderen Perspektiven widmen , heißt es da ganz lapidar. Die Revolting Cocks sind nur eine davon. Aber back to the scene, wie es so schön heißt. Der Hexenkessel ist am brodeln und kurz vorm überlaufen. Das Licht zum fotografieren, - eine einzige große Katastrophe, deutlicher ausgedrückt, - da war keines vorhanden.  Al dominiert das Geschehen, allgegenwärtig , ohne auch nur ein gesprochenes Wort zusätzlich zu verlieren. Seine Jünger stehen im Schatten des großen Meisters und verlieren sich in Bedeutungslosigkeit, auch wenn an der Gitarre nun mehr Tommy Victor von Prong gastiert, am Bass Paul Raven von Killing Joke, Mike Scaccia  von Rigor Mortis  und das arme Schlagzeug wird von keinem Geringeren als Joey Jordison von Slipknot malträtiert.  Alles namhafte Musiker, die gleichzeitig ihren eigenen Stiefel verfolgen. Und trotzdem, der Fokus ist und bleibt Al Jourguson, der zwischen Lungenakrobatik und Vergewaltigung seines Knochen-Schädel-Horn Mikrofons hin und her jongliert. Ich kann mir nicht helfen. Aber irgendwie erinnert mich dieses Gestänge entfernt an Mr. Blacky Lawless hilfreiche Stütze on Stage bei einem W.A.S.P. Gig. Weiß der Kuckuck, wer da wem was abgeschaut hat. Ist ja auch egal.
Fest steht, Ministry haben was, das ist sicher, und zwar was ganz entscheidendes, das vielleicht so einigen Bands dieses Genres fehlt. Es ist die immense Ausdrucksstärke, der hohe Energielevel und , wie eingangs erwähnt, die fast schon abartige Ausstrahlungskraft des großen Meisters himself. Und der setzt nach zwei Zugaben noch eines drauf in Bezug auf Imagepflege, und entschwindet ohne Gruß  noch während der letzten gesampleten Töne von der Bildfläche auf nimmer wieder sehen und überlässt das Finale seinen Aposteln. 
Und wie meinten im nachhinein einige Fans noch so schön.... - .....  er lässt nur noch verbrannte Erde hinter sich zurück. -
Tja, irgendwie haben sie sogar recht....

 Gute Nacht.                                                                    
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