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Bis heute habe ich nicht geglaubt, dass es sowas wie ein achtes Weltwunder auch in der Musik gibt. Aber jetzt bin ich eines besseren belehrt, und ich versichere Euch, - jawohl es existiert tatsächlich, und zwar in Form von Blueslegende Johnny Winter, den ich, ehrlich gestanden, noch nie zuvor live on stage erlebt habe. 62 Jahre alt ist das lebende Fossil im wahrsten Sinn des Wortes. Und er ist wahrscheinlich der einzige Rockmusiker überhaupt der Zeit seines Lebens , zumindest von Beginn seiner Karriere weg,  nonstop drogenabhängig war und ist, - ohne Pause, und vor allem immer noch lebt.. Resultat ist eine lebende Mumie, die halb-scheintot von hilfsbereiten starken Armen auf die Bühne geführt werden muss. Das aber nicht bevor die Band bereits eine mindestens 10-minütige Overtüre hingelegt hat.
Jawohl, da is’ er nun endlich. Drei lange Jahre hat es gedauert ihn hier her zu bekommen. Drei Jahre während derer wir nie sicher waren, ob er noch lebt oder schon das Zeitliche gesegnet hat. – Hat er aber nicht. Johnny Winter wirkt zerbrechlich, dank seiner Dürre, den Zigaretten-Armen und einer Blässe, die dem Gespenst von Canterville alle Ehre macht. -  Er sieht mit  62 eher aus wie 85, ohne Übertreibung. Und er sitzt während des gesamten Auftritts, denn genauso wie die Erscheinung hat auch das Stehvermögen über die Jahre hin gelitten. Und noch etwas ist mir vehement aufgefallen. Ich habe in all den Jahren, in denen ich Konzerte besuche, noch nie einen Musiker erlebt, der vom ersten Ton bis zum letzten, die Augen geschlossen hält. Ich vermute mal schwer, dass auch das  Sehvermögen mehr dem einer Blindschleiche gleicht.

So, und um wieder auf das eingangs erwähnte achte Weltwunder zurück zu kommen, fassen wir die Tatsachen noch einmal zusammen. – Bei all diesen äußerlichen Defiziten und Verschleißerscheinungen bin ich doch schlicht weg fasziniert, was dieser Vater des Blues da oben trotzdem noch fabriziert. Hut ab, das hätte ich und wahrscheinlich so einige andere von den ca. 700 anwesenden Gästen sicherlich nicht gedacht und vor allem erwartet. Die Band unterstützt ihn logischerweise mit allen Kräften, und Drummer Wayne June übernimmt die Vocals bei dem einen oder anderen Stück  und vor allem die Ansagen dazwischen. Bassist Scott Spray füllt hindessen geschickt manch kleine Lücke, die der Meister dann doch nicht mehr richtig zu schließen vermag. Aber man vergibt Johnny. 
Er ist schließlich eine Living Legend, von der so einige junge Blueshoffnungen abgeschaut haben. Er ist nicht nur ein Musiker, sondern eine Institution, der tief in der History des Blues verwurzelt ist. – Sein letztes Album bis dato hieß ‚Black Cat Bone’ und erschien im vergangenen Juni. Er schließt es mit ein ins Programm, aber es stellt mitnichten den Schwerpunkt dar, denn eigentlich hat er’s nicht mehr notwendig auch nur irgendwas zu promoten. Er promotet sich sozusagen selbst in seinem individuellem Stil den Blues zu zelebrieren.
He's the Blues Man und wurde für dieses Werk aus dem Jahr 2004 für den Grammy nominiert. Aber..... er ehrt Ray Charles auf der Bühne, der seiner Meinung nach auf einer überirdischen Sprosse der musikalischen Leiter steht. Tut er buchstäblich ja auch.... und schaut von oben zu....   Kurz und gut, es ist ein Wunder, wie Johnny Winter trotz seiner Verfassung den Auftritt hier noch meistert. Und für alle Liebhaber des reinen Blues ist dieses Event hier etwas ganz Besonderes, wie schon erwähnt, etwas überirdisches. Den Abschluss macht noch einmal eine Hommage, die diesmal an Bob Dylan geht mit ‚Highway 61’, allerdings in einer sehr eigenwilligen Version. Dann wird Meister Winter endgültig von der Bühne geleitet, um sofort in seinem Wohnmobil zu entschwinden. -
Ich für meinen Teil bin froh, Johnny Winter noch live gesehen zu haben. Weiß der Geier, ob das noch einmal der Fall sein wird. Aber eines ist sicher, im Blues wird er ewig leben... na ja, zumindest noch für eine ganze Weile länger.....


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PS.: im Vorprogramm übrigens wieder mal unsere Lokalmatadore ‚Reverend Rusty & The Case’ . Und diese Jungs sollte man sich auch bei nächster Gelegenheit wieder ansehen. Stilistisch etwas flotter unterwegs als Johnny Winter, und einige Fans befinden sie sogar besser als den Meister selbst. Musikalisch gesehen mag das unter Umständen sogar zutreffen. Nur eines fehlt Rusty noch zum großen Glück, etwas dass Johnny Winter schon seit einem Menschenleben besitzt, nämlich  - internationalen Kultstatus. Aber was noch nicht ist, kann ja noch werden. Warten wir’s ab. Rusty ist schließlich erst .... Jahre jung, fit wie Oscar, und wenn er mal so alt wie Mr. Winter ist, dann ist er mit großer Wahrscheinlichkeit physisch immer noch Superman verglichen mit der Blueslegende, stimmts oder hab ich recht?!!! -