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It’s Grufti-Session again, und am Zentralfriedhof bzw. kleine Elserhalle herrscht Party-Time, zumindest was die zweite Supportband Lacrimas Profundere betrifft. – Erstes Eisen im Feuer wieder versäumt – sorry. Zu meiner Entschuldigung: Schussligkeit kommt vor Ignoranz. Und ganz unter uns, drei Acts sind mir einfach schlicht und ergreifend zu viel des Guten.-  Vielleicht fehlt mir auch nur das nötige Durchhaltevermögen. Who knows.

                                  
                                                                  
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Unsere Trauerweiden hier stammen jedenfalls vom schönen Chiemsee im Bayernland und haben sich gerade in letzter Zeit doch einen beachtlichen Namen in der Mausoleumsszene gemacht. Und genauso düster wie ihre Musik ist auch die allgemeine Sarkophag-Beleuchtung da oben. Meine Kamera verflucht wieder mal den ‚üppigen’ Ionen-Strahl und schlägt Salto Mortale, um auch nur irgendwas da raus zu holen aus der Düsterdämmerung innerhalb der üblichen ersten drei Song-Distanz, samt Blitzverbot versteht sich. Wenigstens haben’s Erbarmen gehabt und einen Graben fabriziert, auch wenn dieser nicht gerade die Breite einer Autobahn vorweist. Nur der Umstand, dass kein zweiter Paparazzi  den Weg verbaut, lässt die blitzschnelle Reaktion  auf jegliche auch noch so geringste Lichtquelle zu. Das Motto ist jedenfalls ‚Tränen vergießen’ – so wie der Bandname vom lateinischen übersetzt, besagt, und das nicht nur was Titulierung und Musik betrifft. Denn der Chiemseer Oberfeldwebel küsst irgendwann ungewollt den Boden, und das auch noch eine Etage unterhalb des Altars. Aua, das muss richtig weh getan haben. Aber dank des schaurig-dämmrigen Ambiente sieht man die etwaigen Kullertränen eben nicht. Musikalisch eine Kreuzung aus Type ‚O’ Negative und Sisters Of Mercy  mit ein bisschen The Mission verquickt, will man so eine eigene Linie kreieren. – Schwierig heutzutage, denn dank der Vielfalt von jungen  hoffnungsvollen Acts aller Stilklassen, ist immer wieder der selbe Phrasendrescher am Zug: alles schon mal irgendwo gehört. -  Spieltechnisch gar nicht so übel, und ja, die allgemeine Stimmung passt, und die Arme sind in der Höhe, was nicht alltäglich ist bei Supportacts. Lacrimas Profundere  schreiben den Begriff Anheizer buchstäblich in Worten und Taten.
 
Lacuna Coil, - auweia, jetzt wird’s wieder mal schwierig für mich. Gleich vorne weg, stilistisch lassen sie sich nur schwer einreihen. Mit einer Sängerin als Frontfrau denkt man natürlich sofort wieder an Nightwish. Aber mit denen haben die Italiener ungefähr so viel gemeinsam wie Iron Maiden mit Louis Armstrong. Und noch weniger erinnert ihr  Sound an den vorhergehenden Gruftibeat  – Das hier ist eine sehr moderne Art von Rockmusik, sehr melodisch aber trotzdem mit sehr eigenwilligen Linien durchsetzt. Vielleicht kommt hier auch die eben italienische Ader durch. –

Ich bin mir selbst nicht ganz sicher, und ich muss gestehen, persönlich liegen mir diese Schmetterarien nicht wirklich. Aber das ist wieder mal eher eine Sache des persönlichen Geschmacks, vermute ich. Den Vorzeigepart teilen sich gleich zwei Frontfiguren inklusive Hemd und Krawatte. Der Rest des Orchesters versteckt sich anfangs hinter Masken, die irgendwie entfernt an Karneval in Venedig erinnern. Also doch – italienische Ader !  Aber warum auch nicht.- Man braucht seine Herkunft ja nicht verleugnen.-  Die örtliche Beleuchtung hat nur unwesentlich an Stärke gewonnen. Aber damit hat man sich an diesem Abend sowieso schon abgefunden. Also pfeif drauf, ändern lässt sich’s ohnehin nicht. – Lacuna Coil zeigen jedenfalls eine durchschlagende Impulsivität. Aber auch das lässt sich auf die typische Mentalität der Südländer zurück führen. Es wird gestikuliert und dramatisiert was die Körpersprache hält unterstrichen mit einem beschwörendem Stimmorgan, oder besser gesagt, zwei durchdringende Tenöre.Ca. 30 Minuten gebe ich mir nach dem fotografieren, um etwas schlauer aus diesem Kuriosum zu werden, dann streiche ich freiwillig die Segel.


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Aber nicht, weil ich den Hals gestrichen voll hab’ von Lacuna Coil, sondern vielmehr um mit fliegenden Fahnen von einem Venue zum anderen zu segeln, damit ich auch von ‚Little Axe’ – live on stage im vornehmen Nightclub unseres Münchner Ne. 1 Hotels Bayr.Hof  noch ein Stück vom Kuchen abbekomme. –
                                                                  


                                          

Und jawohl ich bekomme es samt Zuckerguß, und zwar noch ganze 70 Minuten lang. Es ist, als ob man innerhalb von Sekunden vom Äquator auf den Mount McKinley katapultiert wird, - musikalisch meine ich..... Denn das hier hat nun mal mit der Musik der vorher beschriebenen Kapellen aber auch rein gar nichts zu tun....  Holy Ghost ich danke Dir für meine musik-geschmackliche Flexibilität. Sonst sähe es nämlich im wahrsten Sinn des Wortes tatsächlich düster aus mit der Verträglichkeit von soviel Stilbruch und Unterschiedlichkeit. Denn das hier was Little Axe machen, bezeichnet man am besten als furiosen Mix aus Dub-Reggae, Jazz, Blues, Funk, Ambient und Hip Hop. Und vor allem sind hier Musiker am Werk, die man ohne Übertreibung zu höheren Liga zählen darf, allen voran Skip McDonald. Laut Fachwelt hat er den Blues ins neue Jahrtausend geführt und anhand all dieser anderweitigen Einflüsse nennt er das was er da fabriziert schlicht und einfach Nu Blues. Das Projekt ‚Little Axe’ hat der 57jährige Amerikaner 1992 ins Leben gerufen und zwar zusammen mit Longtime Partner Keith LeBlanc (drums) und Doug Wimbish (Bass). Letzterer ist ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt, ist er doch ganz nebenbei oder  besser gesagt, hauptsächlich der Bassist von den schwarzen Hardrockern Living Colour. Und die kennen wir schließlich alle, oder etwa nicht?! –

Aber zurück zu Little Axe, die in der Vergangenheit vier Alben im Vertrieb vom Majorlabel Virgin Records veröffentlicht haben. Gerade ist das fünfte Teil  namens ‚Stone Cold Ohio’ erschienen, diesmal unter Peter Gabriels Firma Real World Records. –
Scheiße..... das ist verdammt noch mal überirdische musikalische Genialität was hier geboten wird, und zwar von jedem einzelnen Musiker für sich selbst. Aber es ist vor allem der Bass, der mich so fasziniert. Ehrlich gestanden, ich habe bis zum gestrigen Abend nicht gewusst, dass man solche Töne überhaupt aus dem 4-Saiter raus holen kann. Und wenn ich mal vergesse den Mund beim hören zuzumachen, dann heißt das was?!  (Anm.: was nicht heißt, dass ich eine Quasselstrippe bin, im Gegenteil, maulfaul wäre der passendere Ausdruck) – Kurzum, die Performance von Little Axe könnte nicht abwechslungsreicher sein, kunstvoll inszeniert, und dank geschickter Improvisation ins exakt richtige Licht gerückt. Die Texte sind einfach gestrickt, typisch nach dem Mississippi Bluesmuster, sagen aber dennoch mehr aus  als mancher 10 Strophen Bandwurm einer Durchschnitts-Pop/Rockband. Der Beat wechselt sich ab zwischen Blues und Soul, um dann wieder in, fast schon Hard Rock auszuarten. Man weiß nie, was in den nächsten Minuten folgt, und es scheint, als ob alles einer Laune des Zufalls bzw. der Musiker überlassen sei. Dabei steht das Konzept felsenfest und alles ist perfekt festgelegt. Aber durch die spontane Instrumentierung wirkt es eben alles andere als in Schemen gepresst, - und schon gar nicht langweilig.
Ein Juwel unter all der Massenware an Konzerten, und der Fusion gewinnt eine neue Bedeutung. Hilfe, jetzt hör ich auf, sonst verliere ich mich hier  noch weitere fünf Seiten in Begeisterung.  Aber die .... ist berechtigt. Ich schwörs !

PS.: Living Colour live on tour im Dezember!
                                                                                
                                                                                                            
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nice seeing ya' again...