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Auweia, jetzt wird’s schwierig für mich. Denn ich gehöre heute Abend wahrscheinlich zu den wenigen Ausnahmen unter all den Münchner Szene-Insidern, und das sind mindestens 95% des Publikums hier, die Railway nicht aus den Achtziger Jahren her kennen. Kunststück! - Zu jener Zeit weilte ich nicht in München, geschweige denn sogar in Deutschland. Nachdem ich 1992 letztendlich doch hier gelandet war, kann ich mich allerdings wage an den Tag erinnern, als Harry Enzian mit Manager Eddy (fragt mich nicht mehr nach dem Nachnamen) bei mir zu Hause einliefen um ein Interview für Radio M1 – in the Name of Railway zum Besten zu geben. Und nie werde ich den Wortlaut des Station ID’s vergessen, den Harry mit Inbrust und  in coolem Englisch zum Besten gab: „ Hello,sis is Harry Enthzzzzian von Railway, and I am hier auf M Oans– the radio that rockthssss your sockthssss off...“. Leider besitze ich diesen nicht mehr, sonst hätte ich ihn definitiv als Audiofile an dieser Stelle hier verewigt – zum aktuellen Anlass.
Tatsache ist, ich habe die bayrischen (Kult) - Rocker (Anm. beim Kult scheiden sich die Geister, hab ich festgestellt) zu keiner Zeit und nie vorher live on stage gesehen. Aber, damit’s nicht ganz so drastisch und naiv wirkt, - wenigstens eine Lp steckt tief verborgen in meinem Archiv zwischen 5.000 anderen Longplayern. Und die habe ich mir vor dem großen Event noch  schnell raus gefischt, damit ich nicht ganz so doof da stehe mit dieser enormen Wissenslücke an hochwertiger Musik-Historie.
:-)) Denn, jawohl, ich schäme mich zurecht,:-))) - der einzige Song der mir in dem Moment noch ein Begriff  war von damals her, war zugleich Railways Hymne Nr. 1 „I’m A Loser“. -  Ansonsten kann ich mich nur herzlich über die antiquaten Fotos amüsieren, die ganz im Rock’n’Roll Fashionstyle jener Epoche entsprachen. Und ich vermute mal die Eisenbahnler von einst, sehen letzteren Aspekt mit dem selben Humor und Unterhaltungswert und mit dem Kommentar: 'mei, wie hamma denn damals bloß schrecklich ausgschaut!!!'.

Nun, kurz um, gestern war gestern und heute ist heute. Und da hamma sie nun – ‚die’ Railway aus den bayrischen Sleaze Rock-Times, und zwar die Ur- Originalformation (Anm. - dem Line up, dem Harry Enzian übrigens noch nicht angehörte), und die sich zum 20jährigen Trennungsjubiläum die Gaudi machen, noch einmal die nunmehr doch schon etwas morschen Knochen tscha tscha tscha tanzen zu lassen.  Dino Nr. 1 ist Walter Wicha, das einstige Sexsymbol, der nach wie vor einen Augenaufschlag wie Valentino besitzt, nach dem Motto: schau mir in die Augen Kleines, dann bist Du hin...., sowie kein Gramm Fett auf Adams Rippe. Die lange Mähne ist einem flotten Mecki Messer Haircut gewichen, (Anm. - zumindest ist noch was da für einen Haircut) der ihm obendrein diese gewisse Aura verleiht, die einen veranlasst zu sagen: Lausbua sakrischer! Singen kann er auch noch nach all den Jahren. Zwar nicht wie die Callas mit Keuchhusten, aber dafür wie Carusos Enkelsohn, sirenenhaft und stimmgewaltig.

...Und nicht jedermanns Sache, wie ich so zwischen den wahrlich üppigen Reihen hier mitkriege. Aber eines muss man ihm allemal lassen, dank Free Climbing Ambitionen und einer nach wie vor beachtlichen Energie und Kondition, besitzt Waldi einen absoluten Unterhaltungswert. Der Rest der Band besteht aus Robert Haslinger (Hasi 1) an der Gitarre, und Hasi Haslinger (Hasi 2) am Schlagzeug. Wobei ich sofort feststelle, dass die optische Ähnlichkeit in etwa so groß ist, wie die von Elvis und Keith Richards – in Brüderlichkeit Amen. Und ich gestehen muss, Hasi 1 hat eine verhaltene erotische  Ausstrahlung, die sich mit stolz geschwellter Brust (im wahrsten Sinn des Wortes) gekonnt in Szene setzt. – Sorry Hasi 2, aber Schlagzeuger haben immer einen kleinen Nachteil on stage, sich optisch hervorzuheben. Deshalb enthalte ich mich hier jeglichen Kommentars. Der stramme akustische Beat tut das seinige, ihn nicht zu ignorieren. Tatsache ist, die Bondinen stehen immer noch in der ersten Reihe mit schmachtendem Blick. - Noch eine Gitarre hamma hier, gezupft von Armin Köberl, der mit schicker und topmodischer Totenschädel Haupt- Haute Couture Bedeckung beweist, dass man die Rocker-Coolness auch ohne Langhaar-Matte und 20 Jahre später durchaus zur Schau stellen kann. Es lebe das Genre und der individuelle Stil. Und last but not least fehlt noch der Bass, bedient von Werner Thaller, dezent im Hintergrund platziert, aber ebenfalls nicht zu ignorieren. 

Eines muss man sofort festhalten. Die Boys von 1984-86 haben sich die größte Mühe gegeben, und mit viel Liebe zum Detail, dass diese einmalige – oder auch nicht – Reunionshow ein Erlebnis sein würde, das noch etwas länger in unseren grauen Zellen verweilen würde.  Der Einzug der Toreros beginnt mit einer Anwandlung von Nostalgie in Form von Lichtbildern, die die bereits etwas ergrauten Herren, in der damaligen Blüte ihres Rockerlebens zeigt, bunt, schillernd, mit elektrifiziertem Wischmob und Glitzerlook und eben herzerweichend cooooolem Posing ! Die Memory lebt, den Toten wird gedacht, und dem Genre gehuldigt. – Und die Sprüche zielen auf’s Herz:
„Irgendwo in München – fünf Musiker – werden – insfiziert – vom Virus – Rock’n’Roll – das Resultat – unzählige Konzerte – Sechs Studioalben –  Tourneen durch ganz Europa – ihr Name – RAILWAY.
Den zweiten Teil des Prologs  habt  Ihr bereits ganz oben gelesen....
....um unmittelbar nach dem
NO  die Front zu stürmen. Zugegeben, dieser Start hat was.-  Mei is’ des scheeennnn !  Und die anwesenden It-Girls und It-Boys der Münchner Rock’n’Roll Schikeria lächeln milde mit wissender Miene und äußerst kritischem Ohr, um schon mal zu überlegen, wie sie hinterher am besten ihren neunmalklugen Senf unters Volk bringen. Mein lieber Herr Gesangsverein, das hier ist kein toternster  Talentewettbewerb, der einen Test bestehen muss saparalot nochamal. Ob Railway 2006  nun könnerisch auf einem Level mit der Oberliga eines Steve Vai und Billy Sheehan stehen, oder nur auf Otto Normalverbraucher Niveau, ist doch heute Abend nun wirklich mal scheißegal. Deshalb enthalte ich mich hier auch jeglicher ernsthaften musikalischen Kritikpunkte. Das hier ist eine Nostalgie-Veranstaltung, die den alten Hasen selbst am meisten Spaß macht, ob in Übung oder nicht. Und so schlecht sind sie beileibe auch wieder nicht, als dass man Ohrenschmerz-gepeinigt das Weite suchen würde, - (letzteres -  gewidmet all den unzufriedenen Zwiderwurzn, die ewig alles besser wissen, -  ja kruzifix, wärts halt daheim geblieben! ) Noch einen Beweis haben unsere wiederauferstandenen Münchner Hardrock Zwetschgen bewiesen. Nämlich, dass man tatsächlich mit viel Mundpropaganda, etlichen Flugzettel und Rundmails in 30facher Ausführung die Bude rappelvoll machen kann. Wieviele davon allerdings effektiv zahlende Zuschauer sind oder Gästelisten-Spechte, entzieht sich  meiner Kenntnis. Sie sind ja alle schließlich It-Pseudo Promis, die gebeten werden wollen, gnädigst zu erscheinen um sich vor Ort altklug auszutauschen. Es lebe also die wahren Fans, die heute Abend den Weg hier her gefunden haben. 


I'm a Loser  

Aber zurück zum Spektakel. Es ist nun mal genau dieser zweite Frühling der sich auf uns überträgt. Aber das wiederum spüren nur jene, die den Transfer auch zulassen. Und wenn man den Umstand berücksichtigt, dass unsere Buam seit genau 20 Jahren das erste Mal wieder gemeinsam da oben stehen, dann kann ich nur sagen, Kletter-Waldi und seine Panzerknacker machen ihre Sache verdammt gut. Und das sag ich, die sie live on stage nicht mal kennt aus der Vergangenheit her . Denkt mal gut drüber nach, denn im Grunde genommen sind die meisten Spezln unter Euch hier in erster Linie sowieso in der Hauptsache und dem Wissen angetanzt, dass jeder andere Szenling auch da sein würde. Ein Sehen und gesehen werden in Munichs High Society mit einem netten nostalgischen Nebeneffekt. -  
Der Schwangersch..... –äh  Schmarrn,  – Feuertest ist trotzdem bestanden, die Midlife Crisis ist ausgeblieben, und der zweite Frühling hat eben erst begonnen. So jung kommen wir nimma z’amm, deshalb auf geht’s zum schichtln Kameraden, take it easy – let’s have fun, damit Ihr hoffentlich in Zukunft noch auf so einigen Hochzeitsparties tanzen... pardon.... aufzwitschern könnt.  Die Betonung liegt dabei auf den Parties! Denn für eine ernsthafte Fortsetzung dieser Reunion hege selbst ich gewisse Bedenken. Nehmt’s nicht persönlich, - ich find Euch trotzdem klasse und werde auch nächstes Mal wieder zur Stelle sein, wenn’s mein Terminkalender erlaubt. Sofern es ein nächstes Mal  gibt.
Fazit: it’s only  a guater Rock’n’Roll mit Chillipfeffer im A... und a Riesengaudi ! Und alles andere kann uns heute den Allerwertesten bussln.

                                                          
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