Aller guten Dinge sind Drei, sagt man doch so schön. Und bei mir
sind’s in dem Fall jetzt zum dritten und letzten Mal Dudelsackklänge
und Drehleier gepaart mit modernen Rhythmen der Neuzeit. Nein, natürlich
haben sie alle nichts miteinander gemeinsam, außer der vorhin genannten
Instrumente,- wird der Fachmann/-Frau sagen. Ich spreche von Corvus Corax,
InExtremo und jetzt Schandmaul, die sich innerhalb kürzester Zeit hier
in München die Ehre gegeben haben. Für den blutigen Laien ist das
allerdings nicht so einfach zu eruieren, und er tendiert dazu, eben
wegen jener akustischen Hilfsmitteln all diese Verfechter der antiken
Instrumentierung in einen Topf zu werfen.
Okay, jetzt bin ich schlauer! Mal abgesehen von Corvus Corax, die sich
ohnehin noch am meisten abgrenzen, gibt es zwischen In Extremo und
Schandmaul eigentlich nur einen simplen kleinen Unterschied. Die einen
sind die bösen Dudelsack Rocker, die anderen sind die braven Drehleier
Popper. So einfach ist das. Oder doch nicht?!
However, jeder Fan dieses Genres wird mich jetzt auf diese Aussage hin
wahrscheinlich foltern und kastrieren. Dessen bin ich mir vollkommen bewusst. Aber ehrlich, außer mal abgesehen von den
Namen, den lyrischen Themen, den, oben erwähnten Instrumenten und der
fantasievoll antiquierten Bekleidung, bleibt eigentlich nur eben Rock
bzw. Popmusik übrig. Wie diese dann wiederum im einzelnen ausfällt,
steht auf einem anderen Blatt.
Aber erst mal beschäftigt mich noch eine andere Frage zu diesem alljährlich
stattfindenden Funkenflug-Festival, das stets von unseren Bayrischen
Schandmäulern injiziert wird. Was
haben New Model Army mit dieser Thematik zu tun, bzw. hier zu suchen?
Der Vollständigkeit halber möchte ich hier aber noch den Opener erwähnen,
der sich Loonataraxis nennt, aus München stammt und 2002 geboren wurde,
und den diesjährigen Contest für eine Teilnahme am Funkenflug gewonnen
hat.
http://www.loonataraxis.de/
Der frühe Vogel fängt den Wurm, heißt es normalerweise so schön. Im
Fall eines Supportacts, der bereits um halb Acht on Stage geht, ist es
allerdings fraglich, ob sich da überhaupt ein Wurm fangen lässt.
Andererseits, - Hauptsache überhaupt dabei. No more Comment hierzu,
denn an mir ist dieser Vogel vorbei gezwitschert bevor ich seine Flügel
überhaupt schlagen gehört habe. Jawohl, ich war wieder mal die Letzte
vor Ort, sorry und vergebt mir bitte.
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Die zweiten Verfechter schöner Künste sind in deutschen Gothic Kreisen
bereits ein einigermaßen beschriebenes Blatt und hören auf den
klingenden Namen ‚Zeraphine’. Dieser ist wiederum abgeleitet von
einem
hebräischen Begriff der für
ein spirituelles Wesen mit sechs Flügeln, Händen und einer menschlichen
Stimme steht. Ursprünglich nannten sie sich übrigens
Helix. Aber da hatten wohl die gleichnamigen Hardrocker aus
Kanada was dagegen, die bereits seit über 20 Jahren unter diesem
Pseudonym am Werk sind.
http://www.zeraphine.de/
Wie auch immer, angeblich
werden die Berliner besonders wegen der tiefgründigen textlichen
Inhalte ihrer Songs so geschätzt, die sie sowohl in deutsch als auch in
englisch vertonen. Ein kluger Schachzug, vermag man doch anhand dieser
Strategie ein breiteres Umfeld schaffen, als nur den germanischen
Sprachraum. Vier Alben und ein eigenes Label kann das Quintet bisher
vorweisen, und man spürt ihren Enthusiasmus deutlich, wenn sie da oben
ihr breitgefächertes Programm vom Stapel lassen. Allerdings ist das mit
den textlichen Inhalten bei Live Auftritten so eine Sache. Denn die
Konzentration der überwiegenden Schandmaul Fans, so wie generell von
Konzertgästen, bezieht sich meist auf die Takte der Musik, zwar mit
Gesang, aber ohne auf dessen Aussage zu achten. Denn die weisen Reime können
wir auch zu Hause im stillen Kämmerlein andächtig vor dem CD Player
eruieren. Ist doch so, oder?! Und
dann kennen wir sie ohnehin in- und auswendig.- Tatsache ist, Zeraphine werden geduldet, ein paar Arme sind
sogar in der Höhe, und der höfliche Applaus lässt nicht auf sich
warten. Allerdings hält sich der innerhalb gewisser Grenzen, so dass
kein Aufschlag vorgesehen ist.
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Und nun sind wir wieder bei der vorhin gestellten Frage: Was haben New
Model Army hier stilistisch verloren?
Die Antwort darauf erhalten wir übrigens während des Auftritts
vom Headliner, dessen Frontpapagallo zugibt, dass er schon als 14jähriger
die Musik dieser Band geliebt hat. Nun denn, so hat sich ja sozusagen
ein kleiner Wunschtraum aus der Jugend erfüllt mit der Anwesenheit
seiner Heroes auf dem diesjährigen Festival hier. Abgesehen davon haben
New Model Army mit der Musik der Initiatoren des Abends ungefähr so
viel zu tun wie die Petshop Boys mit den Nine Inch Nails. Aber immerhin
halten die Engländer einen gewissen Kultstatus inne, den sie seit über
20 Jahren und noch mehr Alben nach wie vor verteidigen.
Ursprünglich im
Punk beheimatet, hat sich das damalige Dreigespann, bestehend aus Justin
Sullivan (voc/git), Stuart Morrow (Bass) und Robert Heaton 1982 gegründet
und sich in Windeseile in der europäischen Independend-Szene hoch
gearbeitet um etwas später auch weltweit ein Begriff zu werden.
Mindestens 15 Jahre ist es jetzt her, dass ich sie zum letzten Mal live
erlebt habe. Und vom Original Line up ist auch nur noch Sullivan übrig
geblieben, dank vergangener Turbulenzen und Todesfälle im Bandgefüge.
Aber die
Musik existiert noch, und das ist das wichtigste. Ich persönlich erlebe bei
dieser Vorstellung hier so eine Art De ja Vu Erlebnis und sehe mich fast
augenblicklich zurück versetzt in die Glory Eighties. Zugegeben, die
Luft ist etwas raus bei NMA, aber vielleicht liegt das auch nur an dem
Umstand, dass wir ja bekanntlich alle nicht jünger werden. Allerdings würde
das wiederum lediglich für Frontmann und Bassist gelten. Der Rest der
jetzigen Auflage der Band, gehört altersmäßig bereits der New
Generation an, und steckte noch in den Kinderschuhen, als New Model Army
sich ihre ersten Sporen verdienten. – Trotzdem kann ich mich des
Eindrucks nicht erwehren, dass das hier nur noch ein Schatten ihrer
selbst ist, der happy frohlockt, dass ihm Schandmaul und Co. die Möglichkeit
eröffnet vor einem relativ großen und vor allem jungen Publikum zu
spielen.
Nun denn, es lebe der Kult, der von den Jungen nicht erkannt
wird, der Name, der auch Unwissenden im entferntesten noch ein Begriff
ist, die Schandmaul Fans, die New Model Army gnädigst dulden und ja,
vielleicht noch die Zahnlücke von Sullivan, die mit 100%iger Sicherheit
nichts zur allgemeinen Attraktivität beiträgt sondern allerhöchstens
zum allgemeinen Amusement in den vordersten Reihen.
http://www.newmodelarmy.org/
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So und da wären
wir letztendlich beim ungekrönten König des Spektakels angelangt. Aber
vorher schnell eine Kuriosität, die mir auch noch an diesem Abend
ins Auge gesprungen ist. Dabei handelt es sich um die Tatsache, dass
sich im heiligen Fotograben
unseres ungeliebten Zeniths in etwa ein Dutzend, mir größtenteils
unbekannter Leutchen der knipsenden Zunft tummeln zwischen ca. 2.000
Fans und den Kunstobjekten on stage.
Zum abermaligen vermaledeiten Vergleich: Bei InExtremo vor 10 Tagen in der selben Räumlichkeit, allerdings vor
mehr als der doppelten Anzahl von Anhängern, hielten sich nur karge zwei
Fotografen unseres ansonsten üblichem harten Kern eingeschworener
Tages- und Fachpresse auf inklusive meiner selbst. Aber heute bei Schandmaul
ist von
meinen ‚lieben’ Kollegen leider weit und breit überhaupt
keiner zu sehen. Who knows, ob das am Zeitpunkt des Geschehens liegt,
die so einige Journies im Urlaub verweilen
lässt, oder einfach nur an der Tatsache, dass Ignoranz und
Nichtgefallen nach wie vor die Medienwelt beherrscht. (Anm. für diese
Vermutung werde ich wahrscheinlich beim nächsten, wieder vollständigen
Photocall gelyncht.) Wie auch immer, bei Schandmaul zählt jedes noch so kleine Internet
Fanzine , und jeder Fan, der durch das visuelle Festhalten des
Geschehens für einen weiteren Anstieg des Popularitätspegel sorgt.
Eins zu Null für die Band und deren Großzügigkeit und dem Umstand,
dass man auf dem jetzigen Stand der Popularitätskurve immer noch down
to earth und eins mit den Fans ist. Und hoffentlich bleibt das auch
noch lange so. Denn bekanntlich ändern sich die Dinge, hat Künstler A bis
Z erst mal eine bestimmte Erfolgsstufe überschritten. Und das liegt
dann meistens nicht mal an der Band selbst, sondern an ihrem unmittelbaren
Umfeld. Voila'
!
Schandmaul
sind ‚noch’ am Boden geblieben, tummeln sich während der Overtüre
selbst im Publikum und assoziieren sich mit ihren Fans. (Anm. - so
auch
InExtremo kürzlich, wenn auch nur aftershow)
Ein weiterer Pluspunkt jedenfalls für die Bayern. Die
Band selbst , die ich heute übrigens zum allerersten Mal live
erlebe, vereinigt den Begriff Mittelalter allenfalls in ihrem Namen, dem
Dudelsack, der Drehleier und dergleichen, und wiederum in textlichen
Inhalten. Aber das war’s dann mit dem vorsintflutlichem Flair.
Abgesehen vom fantasievollen, visuellen Aspekt bleibt dann noch flotte
Popmusik übrig, die allerhöchstens von ein paar rockigen Riffs der
E-Gitarre unterstrichen und angekurbelt wird. Das Geschehen bestimmt vor
allem Sänger Thomas Lindner, der zwar kein Original Bayer ist, aber
schon so einige Jährchen, seiner immer noch währenden Jugend, hier im
Süden zugange ist. Das kreuzfidele Zugpferd der Schandmäuler mit dem
unkompliziertem
Haarstil :-))
und Designer Joppe ala’ Biedermeier Creation’ lässt nichts aus, um
seine Schäflein nonstop auf Trab zu halten, anhand von
Dudelsack-Poprock, unterbrochen durch geistreiche Anekdoten, Hinweise
bzl. bevorstehender Verlosungen und Mitmach-Aktionen für etwaige Einträge
ins Guinessbuch der Rekorde. Nun, letzteres bezweifle ich mal schwer.
Aber gratuliere, die Taktik, die Leute zum mitzwitschern zu bewegen geht
auf, na ja, teilweise zumindest. Umrahmt wird unser Figaro gleich von
zwei holden Jungfern, die auf die eher nüchtern-modernen Namen Anna und
Birgit hören und sich ganz im Zeitgeist der Antike, ...pardon
Mittelalter, zum musikalischen Reigen samt Leier, Flöte, Geige und... ja
klar... Dudelsack bewegen. Und hiermit ist der visuelle Fokus komplett.
Gitarre und Bass sind links und rechts neben dem Schlagzeug positioniert
und stoßen nur ab und zu an die vorderste Front, um umgehend wieder auf
ihre Posten zurück zu kehren. Soviel zur allgemeinen Choreographie.
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Auf alle Fälle
bauen Schandmaul auf eingängige Melodien, die im Trommelfell
stecken bleiben und absoluten sofortigen Wiedererkennungswert besitzen.
Für meinen Geschmack etwas zu brav und ohne die allzu berüchtigten
scharfen Ecken und Kanten. Aber es ist auf alle Fälle Musik, die von
Rock’n’Roll Liebhabern genauso anerkannt wird als von
Pop-Bevorzugern und nebenbei von Fans des Mittelalter Kults gehuldigt
wird. Von allem etwas nach dem Motto des golden Mittelweges. Sie sind
nicht so provokativ aggressiv wie die Bad Boys von In Extremo und auch
nicht so mittelalterlich-fantasievoll wie die eher extrovertierten
Corvus Corax. Sie sind von allem etwas aber doch ganz anders und pflegen
trotzdem ihren eigenen Stiefel. Ich persönlich empfinde sie im
Dschungel dieser ganzen Mittelalter-Pop/Rock Philosophie als die –
noch kommerziellste Variante mit dem – good Boys (and Girls) Image,
bei dem jeder Daddy seine hellste Freude hat. Hat er auch, vermute ich,
und ist stolz auf seinen Sprössling, der da oben sämtliche Register
auf der Beliebtheitsskala samt Homebonus
für sich einkassiert. Ich bedanke mich bei der Gelegenheit
ebenfalls beim Senior für die Kooperation und Unterstützung bei meiner
Pressearbeit. Bis zum nächsten
Stell-Dich-Ein. Dann hoffentlich mit noch ein paar Seelen mehr im
Publikum, einer anwesenden Tagespresse und einem noch höheren Pegal auf
der Beliebtheitsskala der flockig-individuellen Schandmaul Easy
Listening Weisen. Abgesehen
davon bleibt mir nur noch zu sagen -
alles Gute für’s Neue Jahr...
http://www.schandmaul.de/
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