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Charlie lass die Puppen wieder tanzen bitte! Mach, dass wir hüpfen wie aufgescheuchte Tauben vor der Paarungszeit. Lass uns schwitzen und keuchen und mit Dir mitschmettern. Der Geist der Siebziger paart sich mit dem Heute. Und Charlie beweist einmal mehr, dass man auch jenseits der 60 noch so manchen Jungspund im Regen stehen lassen kann. Vorher aber tut das schon mal Ian Knox von den Vibrators, der ebenfalls fast im rüstigen Rentneralter steht. Bei allen schwindligen Spike Frisuren die sich heute Abend hier in dieser Baracke befinden, aber ich übertreibe nicht was die Kondition der Herren angeht,- großes Ehrenwort. Und ja klar, es gibt sie immer noch die Punkfans, die mit Tapetenkleister ihr Haupthaar kunstvoll zu sternförmigen Turmgebilden gemauert haben, und zwar so, dass man dafür fast schon einen Waffenschein benötigt. – Das letzte Mal war Charlie Harper mit seinen U.K.Subs und ebenfalls mit den Vibrators im Schlepptau, im März 2005 hier in München. Und damals habe ich schon in sämtlichen schillernden Fassetten  beschrieben, wie powervoll  und herzzerreißend ein Auftritt dieser beiden Punk Relikte aus den Mit-Siebzigern sein kann. Heiland sakra, da nimmt jede andere Prügel Combo sofort vornehme Blässe an, verglichen mit dem was hier abgeht. Der Urknall  hat einen Schubs bekommen in den Ischiasnerv, überschlägt sich und dehnt sich mit einem gewaltigen Hatschi noch um ein vielfaches an Purzelbäumen aus.
Charlie ist der lebendige Beweis, dass man mit über 60 Jahren immer noch jede Heavy Metal Band nieder knüppeln kann, und das fast schon spielerisch. Und dabei sei wohlweislich betont, dass hier on stage mitnichten nett und brav Mineralwasser konsumiert wird, sondern hinten beim Schlagzeug am Potest in Reih und Glied mindestens zehn Fläschchen bayrischer Gerstensaft wartet, um als Power Energie Sprit vor zu während der Achterbahn Fahrt konsumiert zu werden. 

Charlie kennt da nix und tankt alle 5 Minuten nach, um anschließend um so urgewaltiger seinen Taktstock, bzw. Mikroständer zu schwingen. – Seine Apostel danken es ihm  mit innigster Zuneigung und krabbeln hoch zum großen Meister, um ihn auch mal anfassen zu dürfen, sich mit dem Kabelsalat zu verehelichen, sich dann wieder in die wogende Horde eines wildgewordenes Hornissen Haufens zu stürzen oder auf der Bühne akrobatische Purzelbäume zu schlagen.

                                         

Rechts außen, natürlich oben am Altar, haben sich bereits die Abgesandten der Fischerchöre versammelt um inbrünstig in hohem C das Ave Marie des Punk zu jubilieren. Lediglich als ein allzu eifriger Verehrer meint, er müsse dem Rest der Weltkugel in dieser Halle sein Allerheiligstes zeigen, macht Charlie kurzen Prozess und katapultiert den Spinner höchst unsanft eigenhändig von der Tanzfläche. Dabei küsst er auch noch selbst den Boden. – Aber was soll’s, Punk ist zwar anspruchslos aber dafür umso härter, und mit solchen Einlagen muss selbst der heilige Christopherus rechnen. Fuck off.. denkt sich Charlie, greift nach der fünften Flasche, macht einen auf Prost und schenkt uns das unschuldigste Smile zu dem ein Hardcore Punker der ersten Garde überhaupt fähig ist.

Übrigens, die Vibrators stehen dem Taifun in nicht viel nach, zumindest was die musikalische Urgewalt betrifft.


The Vibrators

Im Gegenteil, sie können sich locker auf eine Stufe mit dem  Headliner stellen. Es sind lediglich die Fans, die ihren Kriegstanz noch nicht vollends entfaltet haben zu dem frühen Zeitpunkt. Wobei das ‚früh’ eine Ansichtssache ist. Denn die Vibrators schlagen die ersten Corde an, als der Uhrzeiger der Hütte mal eben kurz vor 22 Uhr steht. Man beginnt das Set mit dem einen großen Hit ‚Automatic Lover’ und beendet es mit dem zweiten Hit ‚Judy Says (Knock You In The Head)’  gefolgt von ‚Disco In Mosco’ . Ian Knox und Co. werden aber noch einmal zurück gepfiffen für eine Hommage an die Ramones (Gott hab sie selig) mit ‘Gina Was A Punkrocker’. -
                                                                                           

                                  
Die U.K. Subs hingegen schöpfen wieder aus ihrem gesamten Fundus der unter anderem die Alben Another Kind Of Blues" (1979) 
„Brand New Age"(1980) „Crash Course" (1980) „Diminished Responsibility"  (1981)  „Endangered Species" (1982) „Riot"    (1997)  „Sub Mission"  (1999) und jetzt das neue Teil 666 Yeah umfasst. Aber eigentlich ist es egal was Charlie Harper, Nicky Garrett und Alvin Gibbs  da oben machen. Der Umstand, dass sie den Punk die Schlacht von Waterloo zermetzeln lassen, reicht schon, um sämtliche anwesenden Irokesen-Locken im Takt zwirbeln zu lassen.
That’s it, wir haben wieder eine Sure aus dem Koran gelesen und sagen, danke Charlie, Ian und Konsorten, dass Ihr uns einmal mehr überzeugt habt, dass der Punk überlebt hat und noch immer die härteste und brutalste Kunstform der Live Performance darstellt. Ohne Punkt und Komma, nahe am Herzinfarkt, und einem erneuten Halleluja – bis zum nächsten Mal. – Hey Charlie, Du wirst doch hoffentlich noch lange nicht in Rente gehen – hoffentlich – und zum Wohl natürlich......