“I am Sean“, - das ist alles was er in deutlich, amerikanischem
Slang und eher verhalten, zur Begrüßung von sich gibt. Und wären wir
nicht solche Realisten, dann würden wir jetzt tatsächlich glauben,
dass John Lennon von seiner Wolke 7 zurück gekehrt ist. Die Ähnlichkeit
ist phänomenal. Man merkt, er will nicht, dass man ihn mit seinem berühmten
Vater assoziiert. Er ist er und nicht sein Dad. Aber es ist nicht nur
sein Aussehen, sondern auch die Stimme, die sobald sie anfängt zu
singen, den Akzent verliert und eine Nuance nasaler wird, genauso wie
Daddys Voice. Man macht die Augen zu und die Illusion ist fast perfekt.
Aber das ist noch nicht alles.
Sean
trägt auch Brille, zwar keine Nickelbrille, aber... hier ist der Beweis
– es ist Daddys Augenglas, das Sohnemann in Ehren hält. Und last but
not least – die Jacke, jene , die die Beatles zu Beginn ihrer Karriere
auf Promofotos trugen, fast schon banal ähnelt. Würde mich also nicht
wundern, wenn es genau diese ist, die nach über 40 Jahren noch mal zu
Ehren kommt. Ob als Andenken, Vermächtnis oder pure Nostalgie, oder
vielleicht als Glücksbringer – das sei dahin gestellt. – Aber wie
eingangs erwähnt, Sean ruht sich tatsächlich nicht auf den Lorbeeren
seines Vaters aus. Er würde keinen Beatles oder John Lennon Song
live spielen, sondern lediglich Eigenkompositionen. Doch eine Ausnahme
gibt’s. Aber die stammt aus der Feder seines Idols Marc Bolan. -
Ansonsten ist seine Musik genauso wie er selbst – leise, ruhig
und eher introvertiert aber dennoch mit viel Ausstrahlungskraft und noch
mehr intensiver Aussagekraft.
Sean Lennon ist jetzt 32 Jahre alt und wurde zu einem Zeitpunkt geboren,
als die Beatles schon längst Vergangenheit waren. Als sein Vater
erschossen wurde, war er gerade mal fünf Jahre alt, - wahrscheinlich
etwas zu jung um die ganze Tragödie voll und ganz zu erfassen, aber
doch alt genug um noch genügend Erinnerungen an den großen John zu
behalten. – Trotzdem verliert er kein Wort über ihn, sondern
lediglich über seine Mutter Yoko Ono: „ich mag kein Mineralwasser das
sprudelt, aber meine Mum liebt es“. – That’s it!
Sicher ist,
er hat das künstlerische Talent seiner Eltern geerbt. Seine Musik ist
qualitativ hochwertig, seine Stimme sanft und filigran und trotzdem
eindringlich. Er schöpft aus dem Fundus zweier bisher erschienenen
Alben und einer EP – „Into
The Sun“ von 1998, EP 1999 „Half
Horse Half Musician“,
und „Friendly Fire“ von 2006
. Als seine größte Beeinflussung bezeichnet er Brian Wilson von den
Beach Boys und Jimi Hendrix, nun ja, und natürlich seine Eltern.
Dazwischen versucht sich der sensible Künstler auch als Schauspieler,
Produzent und Buchautor.
Sean ist von eher gedrungener, kleiner Statur, die eher von Yoko stammt,
aber er hat eine immense Ausstrahlung da oben und beansprucht mit seiner
Aura den Großteils des Geschehens. Er wirkt verträumt um im nächsten
Moment wieder fast zu explodieren in einem fast schon fanatischen Gefühlsausbruch.
Die wenigen Zuschauer, die sich heute Abend hier eingefunden haben (ca.
100) danken es ihm mit euphorischem Applaus. Jene sind mitnichten nur
Oldies, die wehmütig versuchen, die 60er und John Lennon auferstehen zu
lassen, sondern auch viele junge Gemüter, die eher der Generation Seans
angehören. Dieser sorgt mit amüsanten Kommentaren zwischen den Songs
immer wieder für Abwechslung. – "Ich weiß, ich sollte in München
eher Bier trinken, aber während eines Auftritts bevorzuge ich nunmal Rotwein.
Aber nach der Show gibt's dann ein kühles Helles“, - prostet uns zu und nimmt einen großzügigen Schluck.
Und er lobt die Vorzüge des (noch) freien rauchens, zündet sich eine
Zigarette an und erwähnt
so nebenbei, dass dies in NY ein Ding der Unmöglichkeit wäre. Und
deshalb genieße er es hier umso mehr.
Sean wird von einer Backingband begleitet, die aus zwei Kanadiern an
Drums und Bass besteht, einem amerikansichen Gitarristen und einer
japanischen Keyboarderin, die als einzige deutsch spricht dank eines
Studioaufenthalts. Tatsache ist, sieht man sie und Sean nebeneinander,
dann denkt man automatisch an John und Yoko, - klar doch. Ob der
Nachwuchs ebenfalls ein Paar ist, entzieht sich meiner Kenntnis.
Eineinhalb Stunden dauert das Set inklusive einer Zugabe. Und Sean lässt
es sich nicht nehmen, hinterher noch einigen Fans geduldig Autogramme zu
schreiben. -
Alles in allem war es ein kleines aber feines Spektakel, und es hat
bewiesen, dass Sean versucht, aus dem Schatten seiner Eltern heraus zu
kriechen. Er will eigenständig sein, ein Künstler für sich selbst,
der für sein Können belohnt wird – oder auch nicht, und sonst gar
nichts. Nur diese frappierende Ähnlichkeit
mit seinem Vater, die wird ihn wohl bis ans Lebensende verfolgen
und immer mit jenem auf den ersten Blick verbinden.
Ach ja, - zwischen zwei Boxen steht während des Auftritts versteckt und
unauffällig ein Typ, der mit einer kleinen kompakten Kamera eifrig
Fotos von Sean schießt. – Auch er besitzt eine ausgeprägte Ähnlichkeit
mit John Lennon. Aber ich Gegensatz zu unserem Star im Rampenlicht hier,
ist er anscheinend nicht dazu zu bewegen, seinen Bruder, oder sollte ich
sagen Halbbruder, on Stage Gesellschaft zu leisten. Schade Julian, das wäre
noch der berühmte Tupfen auf dem i gewesen!!!
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