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Habt Ihr schon mal Tarot gespielt? Wisst Ihr überhaupt wie’s funktioniert? – Ist nämlich nicht so einfach wie’s aussieht.- Aber wenn man’s mal beherrscht, soll man angeblich auch die Zukunft voraussagen können. Unser Tarot hier hat nichts mit Karten legen und Zukunftsvisionen zu tun, sondern besteht aus fünf Finnen, die foward from the past und straight into the future, seit über 20 Jahren exakt wissen, wie sie ihre Trümpfe ausspielen. Um es etwas spezifischer zu formulieren, Tarot, das sind Marco Hietala, das Herz Ass, sein Bruder Zachary,  Hietala, eher ein Karo König,  Pecu Cinnari, die – Hau drauf Pic Dame,  Janne Tolsa, - der versteckte Kreuzbube und Tommi Salmela mit Sicherheit der Joker. -  Okay der Vergleich ist jetzt etwas weit hergeholt, denn erstens sind das keine Tarotkarten, sondern vielmehr das typische Pokerblatt, und zweitens legen sich die Herren ihre Gegenwart und Zukunft und right hier up on stage mit Glanz und Glorie selbst. Und das tun sie vortrefflich. Ja, zugegeben, es gibt da so ein paar Nebensächlichkeiten, die unserem musikalischen Kartenspiel hier ganz dienlich sind, und sei es nur der Umstand, dass über allem der Name ‚Nightwish’ schwebt, das finnische Zugpferd in Sachen Goth.-Metal. Und deren vier Saiten & Vocal - Fraktion just ein und dieselbe ist wie unsere Nachtigall hier. Bingo – und deshalb auch die Herz Ass. Trotzdem hat dieser Umstand anscheinend nicht wirklich gezogen bei den fast 7.000 Nightwish Fans, die damals beim letzten Stell Dich ein, der finnischen Superlative im Zenith begeistert ihren Idolen gehuldigt hatten. Dieses Mal sind es leider nur in etwa knappe 100 Schäflein, die dem Ruf des Leithammels gefolgt sind. –

Die Karten müssen also ganz neu bzw. anders gemischt werden. Fest steht allemal, Tarot haben mit Nightwish ungfähr soviel gemeinsam wie AC/DC mit Andre Rieu’. Aber das ist auch gut, denn somit ist gewährleistet, dass es zu keinen unerwünschten Parallelen kommt, und diese Partie hier eben einen  komplett anderen Stiefel fährt mit einem eigenständigen Standbein unabhängig vom berühmten Schwesternschiff.

Tarot praktizieren vielmehr den allgemeinen Schwermetal und das mit voluminöser Durchschlagekraft. Doch, sie sind tatsächlich gut, sehr gut sogar, und das Herz Ass verstrickt sich gekonnt mit dem Joker, der immer wieder zwischendurch ein bravouröses Eigenleben entwickelt an seinem Keyboard. Unterstrichen durch den Karo König, der die Puppen auf sechs Saiten tanzen, und zwischendurch ein süffiges bayrisches Helles die Kehle hinab gluckern lässt. Um ehrlich zu sein, das ist auch nicht zu übersehen. Aber das Resultat, anscheinend üppigen Biergenusses, wird dezent unter dem Instrument verborgen, - soweit sich dies verbergen lässt. – Aber das nur nebenbei erwähnt, weil der gute Mann doch eine gewisse Arroganz und Rockstar Präsenz da oben an den Tag legt, die so gar nicht zum verschluckten Fußball passen will. :-))) – Pfeif drauf, Hauptsache Gitarre spielen kann er. Und das kann er . Die Trumpfkarte von Tarot ist und bleibt aber Bruderherz Marco Hietala, dessen Markenzeichen, der zweitteilig, gezwirbelte Bart, im Takt  mit wippt und sich fast schon selbst inszeniert. Jawohl, die Strategie geht auf, und die wenigen Seelchen, die sich in unserem guten alten Metropolis den Scheitel bis zur Sohle schütteln, tanzen Hula Hula zum Brachialsound von Tarot.


Das Programm ist vielschichtig und umfasst einen Fundus aus insgesamt acht Alben, erschienen zwischen 1986 und 2006. (siehe Setlist) Aber den eigentlichen Höhepunkt stellt eine, fast schon Solo-Performance von Joker Tommi Salmela dar, der sein Keyboard einmal Keyboard sein lässt und vorne am Stage Rand den absoluten Flash provoziert,, sowohl bei sich selbst, als auch bei den Kiddies, die spätestens in diesem Moment einen Begeisterungspegel Stufe 33 überschritten haben. Und die Euphorie Welle schwappt wie ein Ping Pong hin und her zwischen Bühne und Publikum.  Interessant ist dabei, dass es sich genau bei diesem Intermezzo um einen über 25 Jahre alten Song namens ‚Veteran Of Psychic Wars’, im Original von der Kultrockband Blue Öyster Cult, handelt, der hier fast schon zelebriert wird. Übrigens auch Ozzy hat diesen Titel schon mal gecovered und der Song avancierte zum Titeltrack des Films ‚Heavy Metal’ anno dazumal. Traurig nur, dass sich die meisten Fans hier dessen gar nicht bewusst sind und denken das Klasseteil stamme wie alles andere ebenfalls aus dem Tarot-Fundus. Traurig aber wahr!  Aber es beweist andererseits einmal mehr, dass gerade die alten Klassiker einfach nicht tot zu kriegen sind, sondern über jegliches erhaben, und unsterblich, den Rest in ihrem Schatten verschwinden lässt. Es ist schon zum Haare raufen, dass diese Magie vergangener Kultmusik und deren Unsterblichkeit heutzutage, dank des immer schnelllebigeren Musicbiz fast nicht mehr nach zu vollziehen ist. -
Aber zumindest wird den Legenden nach wie vor gehuldigt, so wie heute auch. – Trotzdem,- um wieder zu den gegenwärtigen Tatsachen zurück zu kehren, - das Tarot  für heute Abend ist gelegt und das vorzüglich. Leider lässt sich daraus nicht die Zukunft ersehen. Aber so beständig wie die finnische Party-Kapelle bislang ihren Stiefel durchgezogen hat, bin ich mir ziemlich sicher, sie werden es auch noch die nächsten 20 Jahre tun. Und trotz aller Eigenständigkeit, muss man doch hinter vorgehaltener Hand zugeben, dass der Name Nightwish im Hintergrund auf keinen Fall schaden kann. Also Marco, versuch’ auf jeden Fall weiterhin zweigleisig zu fahren. Der Zweck heiligt die Mittel und der Rubel rollt zusätzlich – oder sollte ich sagen - hoffentlich weiterhin.

PS. Ach ja ein Bandmitglied hätte  ich fast vergessen zu erwähnen. Aber das hängt mit gekreuzten finnischen Flaggen und grimmigster Miene am Schlagzeug und tut seinen Dienst als gepeinigtes Bandmaskottchen im Glauben der eigentliche Star des Abends zu sein. – Ach Gargamel, - don’t worry, - Deine Schlümpfe haben ihren Job wirklich gut gemacht, und wehe Du verspeist sie zum nächsten Frühstück. Denn wir Liebhaber filigraner Metaltöne wollen auch weiterhin noch öfters  vom Tarot Kuchen naschen. Mahlzeit und wohl bekomm’s.

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