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Also sowas erlebt unsere vornehme Philharmonie im Gasteig auch nicht alle Tage, zumindest während der letzten 21 Jahren ihrer Existenz. Und damit ist weniger das musikalische Gastspiel gemeint, als vielmehr deren Konsumenten, die sich unter anderem aus sämtlichen Gothic-Look Gruftis Südbayerns zusammen setzen. Dezente Leichenblässe umrahmt vom Trauerflor der Schattierungen schwarz bis dunkelschwarz dominieren das gediegene Ambiente. Im Foyer werden neben diversen Getränken auch Lachsbrötchen angeboten. Allerdings finden jene beim heutigen Publikum weniger Anklang.- Nein, so etwas befremdet eher, ist man doch gewöhnlicherweise eher Sarkophage  der etwas einfacheren Bauart gewöhnt für das lauschen und zelebrieren zu und von Düster-Musik. Gott sei Dank haben aber auch einige simple Durchschnittsbürger den Weg hier her gefunden, so wie ich, die einfach nur gute Musik hören, und keinen Rosenkranz in angedeuteten schwarzen Messen beten wollen. Andererseits merkt man all den Schönen der Nacht aber auch an, dass sie irgendwie happy sind, endlich wieder mal eine passende Gelegenheit gefunden zu haben, um ihre Haute Cauture noir vorführen zu können. So lustwandeln sie mit langsam-bedächtigen Schritten in ihren schwarzen Roben andächtig durch das Gemäuer und fühlen sich sichtlich wohl unter ihresgleichen. 

Wie auch immer, lustig anzuschauen sind die Trauerweiden allemal, und  für den Künstler selbst ist das einmal mehr eine Art aufgedrückter stylistischer Stempel, der ihn noch um eine Mausoleums-Ecke weiter in die sogenannte Gothic-Szenerie puscht.


Dabei hängt das Image von ‚Deine Lakaien’ in erster Linie mal vor allem vom visuellen Aspekt eines Alexander Veljanov ab und vom Timbre seiner schaurig-schönen tiefen Stimme, ums mal auf den Punkt zu bringen. Den ersten Beweis dazu liefert uns Münchens Gothic-Gemeinde schon dahin, dass die Reaktionen beim Erscheinen von Ernst Horn, der einen Hälfte von den Lakaien, auf der Bühne, ungefähr so enthusiastisch sind, wie bei einer Schweigeminute zum Gedenken an  hingeschiedene Schwiegermütter. Dabei ist gerade er der eigentliche musikalische Kopf dieser Band, der die Zügel, oder wörtlich genommen, den Taktstock in Händen hält. Vielleicht solltest Du doch die Brille aufbehalten on stage Ernst, das unterstreicht Deinen  intellektuellen Touch um noch so einiges mehr... – finde ich zumindest. Oder 5 Kilogramm zunehmen, damit der Maßanzug noch eine Spur besser sitzt. Von Grufti Flair übrigens keine Spur. Aber das ist auch okay so. 
                                                                             
Und – hier kommt Alex -, nein nicht der von den Toten Hosen, aber dafür der andere, zweite Teil von den Lakaien, das stilistische Aushängeschild und das Markenzeichen. Letzteres in erster Linie was den, bereits erwähnten Bariton betrifft, aber auch die typische Frisur, die einer lakaiischer Kopfbedeckung nachvollzogen ist. – Ich möchte zu gern wissen, wie lange er zur Herstellung dieser Kreation benötigt und wie viele Dosen Haarspray. Aber da mir mal geflüstert wurde, dass Alex diese Frage alles andere als gern höre, habe ich es bislang unterlassen.

Fest steht, dass sich die beiden gegensätzlichen Charaktere musikalisch unheimlich gut ergänzen. Der Eine mixt die Zutaten und backt den Kuchen, der Andere setzt den Zuckerguss drauf, wenn Ihr versteht was ich meine. – Doch diesmal gilt es nicht nur sich selbst zu berücksichtigen sondern auch noch ein komplettes Orchester mit einzubeziehen. Kein einfaches Unterfangen, aber der Ernst macht das schon und dirigiert die Schäflein in die korrekte Richtung. Dabei absolviert er so ganz nebenbei wahren Hochleistungssport, stets in Bewegung zwischen Keyboard, Computer und Klavier ohne eine Sekunde still zu stehen. Und das zwei Mal eineinhalb Stunden lang. Alle Achtung, jetzt weiß ich wenigstens, warum Du nach wie vor so jugendlich wirkst. Im Gegensatz zu Alex, der sich voll und ganz auf seinen gesanglichen Beitrag konzentriert, und dabei würdevoll den Altar auf und ab schreitet, eher gemächlich als impulsiv. Aber das gehört nun wieder zur musikalisch-melancholischen Gangart und zum Klischee.  Natürlich dürfen Bass, bzw. Chello und Gitarre von Deine Lakaien auch nicht fehlen, und zwei attraktive weibliche Virtuosen sorgen zusätzlich für Abwechslung, mal an der Geige, mal am Minikeyboard oder lediglich zur gesanglichen Unterstützung. Und wenn die antiken virtuellen Hilfen mal streiken, und Ernst hochkonzentriert auf schnellstem Wege versucht, das Ding wieder gnädig zu stimmen, dann sorgt Alex in dieser Zeit für ein paar kleine humoristische Einlagen. Wie wär’s zum Beispiel mit  Mindmachine!?!!!

                            
Wie auch immer, das hier ist einmal ‚Deine Lakaien’ etwas anders als sonst, aber durchaus interessant und eine Erfahrung wert. – Die Mühe hat sich mit Sicherheit gelohnt. Das zeigen schon allein die Standing Ovations mit der hartnäckigen Forderung nach mehr. Und das erhalten wir auch umgehend.  So haben die Gruftis und wir anderen Erdenbürger unseren Frieden bekommen, und geben als Dank den Segen retour. Die  schwarzen Roben sind wieder mal mit Nachdruck zur Geltung und zum Einsatz gekommen, und landen einmal mehr im Schrank bis zum nächsten Stell Dich Ein. 

Ich für meinen Teil habe dieses orchestrale Experiment sehr genossen auch wenn ich mit Grufti-Kult nicht viel am Hut habe. Es war und ist ein musikalisches Gericht, das mit höchster Konzentration schnabuliert werden muss, um die volle Wirkung auf die Geschmacksnerven entfalten zu können. - 
Fakt ist, mit ein wenig Interesse und Offenheit für musikalische Exkursionen  findet auch Otto Normalverbraucher durchaus Gefallen an diesem Kunstgenuss der etwas anderen Art. Bravo – Experiment gelungen.
However, - ich freu’ mich jetzt schon wieder aufs nächste Mal und dann wieder – Deine Lakaien pur. - 

                                                                                                                               
http://www.deine-lakaien.com/

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