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.... Alle Jahre wieder, - na ja, vielleicht nicht jedes Jahr, aber in schöner Regelmäßigkeit beehrt uns der Meistro des Avantgards hier in München. Und jedes Mal strömen all die Anhänger der Post-Andy Warhol Ära zum Stell-Dich-Ein, um der glorifizierten Vergangenheit zu frönen und zu den Klängen von Velvet Underground und Cale-Solo-Musik ab zu tanzen. Wobei man erwähnen sollte, dass Cale lediglich von 1965 bis 1968 bei dieser, von Andy Warhol protegierten Kultpartie zusammen mit Lou Reed weilte, bevor er von da ab ausnahmslos auf Solopfaden wandelte. Und dies tut er immer noch, wenn er nicht gerade die Scheiben anderer Musiker produziert. Er kann auf 44 Alben zurück blicken, die er im Laufe seiner Karriere veröffentlicht hat, darunter Film-Soundtracks und etliche Live-Scheiben.

John Cale ist mit seiner Musik immer sehr eigenwillige Wege gegangen, hat sich nie an ein Klischee angepasst oder ist gar einem Trend gefolgt. Er hat sich weder um Konventionen geschert noch um den berühmten Zeitgeist. – John Cale Musik ist eben Johne Cale Musik, so einfach ist das – und nichts anderes. Das hatte allerdings zur Folge, dass er bis heute nie eine Top 40 Platzierung in den USA, und  nicht einmal eine Top 100 Position in England erzielt hat. Kurz und gut hat Cale hat seine Anerkennung vor allem der Reputation von Velvet Underground zu verdanken, und seiner Individualtiät, die eine bestimmte Konsumenten Klientee, sowie alte Velvet Fans ansprechen.

Gerade hat er wieder ein Live Album namens „Live Circus“ veröffentlicht. Und um dieses gebührend zu promoten, hat sich der Exzentriker einmal mehr on tour begeben, um zu beweisen, dass seine Live-Geschichten wirklich so einmalig sind, wie sie auf CD den Anschein geben.
                                                                                         
Der Tempel ist jedenfalls gut gefüllt heute Abend hier in München. Und an der Tür hängt ausnahmsweise ein Hinweis auf ein absolut-striktes Rauchverbot auf speziellen Wunsch des Künstlers. Man hält sich daran, auch wenn’s schwer fällt. Aber man will natürlich keinen Rauswurf durch unsere, nur allzu gewissenhafte Security riskieren. Nun, in Kürze wird diese Situation ohnehin Gang und Gebe sein in der deutschen Club- und Gastronomie-Szene. Also was soll’s. Sehen wir es einfach mal nur als Eingewöhnungsphase oder so was in der Art. Als Nichtraucher, so wie ich auch einer bin und immer war, berührt einen das sowieso nicht. Im Gegenteil man ist froh, dass die Luft im Club nicht so stickig und schlecht ist wie sonst immer.

Punkt halb Neun geht das Licht aus, und aus den Boxen dringt ein, wie soll ich es beschreiben? – Geräusch, - in drei, sich in kurzem Abstand, immer wieder abwechselnden Tonlagen. Und dabei bleibt es für die nächsten 15 Minuten. Heiliger Strohsack ! Exzentrik hin oder her, aber das hier entspricht schon fast psychologischem Gehörterror. Man nimmt ja wirklich so einiges in Kauf bei Konzerten, aber dieser, sehr laute und intensive, 3-Ton Klang, verursacht fast schon eine Pseudomigräne. Was das Ganze für einen Sinn und Zweck erfüllt, werde ich wohl nicht begreifen.

Endlich ist er da, der Meister des Artrocks, den er wie kein anderer in den letzten 45 Jahren so eingehend mitgeprägt hat. Der Fokus liegt demnach auch ausschließlich auf ihm, und seine Backgroundband  ist eine solche im wahrsten Sinn des Wortes. Cale beginnt sein Set mit Gitarre und stehend und dem Song „Helen Of Troy“. Erst später im Verlauf der Performance wechselt er zum Keyboard. Er singt sich durch einen Querschnitt seiner Werke, wobei mir vor allem eine ziemlich abstrakte Version vom Oldie „Walking The Dog“ auffällt. Man muss, ehrlich gestanden schon genau hinhören, damit man’s überhaupt erkennt.
Aber auch das exzellente „Hey Ray“, „A Day In The Life Of A Common Call“ “Emily” und “Big White Cloud” oder “You Know More Than I Know” finden auf der Setliste Platz. Ein weiteres Cover bietet uns der grimmige alte Mann mit “Heartbreak Hotel” von Elvis Presley. Man merkt, dass er seine Sache sehr ernst nimmt, zu ernst meines Erachtens nach, denn das Gefühl, dass er selbst Spaß bei der Sache hat, bleibt dabei auf der Strecke. Immer wieder wirft er dem Tontechniker diskrete Handzeichen zu, weil ihm irgend etwas nicht passt. Ton-Sequenzen, die das Publikum wahrscheinlich nur unbewusst wahr nimmt.

Fakt ist, das exaltierte Schau-Hörspiel des nunmehr 64jährigen Engländers kommt bei den Leuten an, und er punktet wieder einmal in jeder Beziehung. Mir persönlich ist er, trotz Velvet Underground Vergangenheit immer eine Spur zu schräg gewesen. Aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Also was soll’s. 

                                                                                      
http://www.john-cale.com/