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.... Müde vom Tanz auf dem Vulkan, zückte Maximilian einen dicken schwarzen Edit-Stift, und bevor ich’s mich versah, malte er riesengroß seine Hyroglyphen vorne auf meine weiße Seidenbluse. Er grinste frech von einem Ohr zum anderen und meinte lediglich: „yeah of course I remember...“ – Nun, an was er sich erinnerte, spielt hier keine Rolle. Fakt war, ich hatte ein oberaffengeiles Konzert erlebt und meine Bluse geopfert, aber dafür wiederum Mäxchens brasilianschen Holzfäller Charme zu spüren bekommen.
Langer Rede kurzer Sinn, das alles passierte exakt vor 17 Jahren an einem Abend im Londoner Marquee Club. Und seitdem hat sich nicht nur so manches, sondern eigentlich fast alles gravierend verändert. Max Cavalera ist schon lange nicht mehr mit von der Partie, genauer gesagt, seit 1996, und vom Ur-Original-Line-up von Sepultura ist ohnehin nur einer übrig geblieben nämlich Bassist Paulo Xisto Pinto Jr. – Kein aber bitte ! Denn Gitarrist Andreas Kisser ist erst drei Jahre nachdem sich die Band 1984  in Belo Horizonte in Brasilien gegründet hat, dazu gestoßen. Und der letzte Sturm in der Brandung, Mäxchens Bruder Igor Graziano Cavalera  hat im vergangenen Jahr das Handtuch geschmissen. Für ihn kam Jean Dolabella. Last but not least, um den Line up Reigen komplett zu machen, verschönert seit 1998 unser Schoko-Rasta-Ei Derrick Leon Green den visuellen Aspekt.
Habe ich die brasilianische Vorzeige-Thrashkapelle erst im vergangenen Jahr als Support von InFlames gesehen, so bekommen wir sie diesmal wieder pur und mit der vollen Power der Headliner Privilegien serviert.

Den  Hochofen schüren gleich zwei Supportacts, angefangen von Forever Will Burn http://www.foreverwillburn.com/ aus Südafrika und Betzefer http://www.betzefer.com aus Israel. Ein  Band-Trio also, das man fürwahr als internationalen Multikulti-Verband bezeichnen kann.
Allerdings sind jene beiden Vorreiter meiner Aufmerksamkeit etwas entgangen, trotzdem habe ich zumindest am Rande festgestellt, dass beiden Supportgruppen eine gewisse Eigenständigkeit nicht abzusprechen ist, dieses gewisse Etwas, dass einen aufhören lässt. Gerade bei Künstlern dieser Thrash-Speed-Death-Hardcore Gangart ist es oftmals alles andere als einfach den richtigen Vibe und die exakte Struktur zu erkennen. Sicher ist aber, dass gerade Letztere – Betzefer, so einiges von ihren momentanen Chefs Sepultura abgeguckt haben.


Und  Sepultura selbst ?.... Nun gut, sagen wir mal so, es ist garantiert nicht mehr das, was es damals war.

 Der individuelle Sparkle hat wohl zwischen all den Jahren irgendwo eine falsche Abzweigung erwischt. Vielleicht ist es aber auch die Tatsache, dass eine einstige Kultband ihre typischsten Merkmale verloren hat, - ihre Helden. Und das waren nun mal Max und Igor.Aber lasst uns nicht weiter in der Vergangenheit philosophieren. Was nicht mehr ist, lässt sich nun mal nicht mehr zurück holen. Und wir müssen uns mit dem zufrieden geben, was wir heute noch geboten bekommen.
Und ich muss gestehen, dass mir die Band heute Abend um ein vielfaches besser gefällt, als, wie schon erwähnt, im letzten Jahr als Support von InFlames. Man hat das Gefühl, die Jungs fühlen sich in einem kleineren Ambiente wesentlich wohler als im weitläufigen  Gemäuer unseres ungeliebten Zeniths wo sie etwas verloren auf weiter Flur wirkten. Hier im Backstage Werk hingegen  füllen die Nachkommen Cortez’  die Bühne bis in den hintersten Winkel mit ihrer Präsenz
aus und knallen uns ihr Kanonenfeuer um die Lauscher. Fototechnisch war und ist eine Sepultura Show übrigens immer noch ein absolutes Disaster, da die abwechselnden Lichtblitze mit explosiver High Energy Power fast die Schallmauer durchbrechen. Und gerade die ersten drei Songs: Lost,  Dark Wood of Error und  Refuse/Resists, während  derer das knipsen im Graben gestattet ist, weisen eine ungute Kürze von je grade mal 3 Minuten auf. Nicht gerade üppig, um bei den schwierigen Konditionen zumindest ein paar halbwegs annehmbare Bilder zu schießen.

Was musikalisch folgt, ist ein buntes Gemisch aus neu und alt, sowie einer Hommage an U2 mit dem Cover von ‚Bullet The Blue Sky’. (Anm. ehrlich gestanden, ich hätts fast nicht erkannt)
Kurz und gut, es ist eine kraftvolle Vorstellung, die uns 400 Freunden des gepflegten Prügelmetals,  von ‚Sepultura 2007’ offeriert wird. Und alle kommen mehr oder etwas weniger auf ihre Kosten. Trotzdem fehlt etwas, zumindest für diejenigen hier, die die Band noch von früher her kennen! Sei es die zweite Gitarre, die den Druck und den satten Sound noch zusätzlich unterstrichen hat, oder aber die klassischen Stücke wie ‚Arise’ und ‚Roots Bloody Roots’, die von
Derrick Leon Green gesungen, einfach nicht das rüber katapultieren, das sie mit Max Cavallera gezaubert haben. Aber ignorieren lassen sich diese Meilensteine auch wieder nicht, und jeder Fan erwartet sie selbstredend während eines Sepultura Gigs.
Fakt ist, sie werden sich schwer tun, in der heutigen Konstellation die Stellung als Statussymbole zu halten. – Wie gesagt, nicht schlecht, - im Gegenteil, - aber es ist einfach nicht mehr dasselbe und der berühmte Funke ist futsch. Aber vielleicht lässt er sich ja eines Tages wieder einfangen...... zum Beispiel in Form ein Reformation im Original Line-up. Ist zwar unwahrscheinlich, denn  Herr Kisser und Herr Cavalera wechseln nach wie vor kein Wort miteinander. Aber wie heißt’s so schön? – Sag niemals nie -  Und das haben weiß Gott schon andere bewiesen in der Vergangenheit.
PS: die Bluse von damals hab’ ich übrigens heute noch. Nur anziehen tue ich sie nicht mehr! 

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