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Okay, wer jetzt noch fragt, wer ist das eigentlich? – der hat einfach diese Website hier noch nicht genau studiert. Denn dieser Herr ist da mindestens schon zwei Mal gefeatured in vergangenen Live Reviews. Und um  mich noch mal zu wiederholen.... Er gehört mit tödlicher Sicherheit zur obersten Liga der sogenannten überirdischen Superbassisten gleich neben Tony Levin, Marcus Miller, Victor Wooden, Doug Wimbish, TM Stevens und Billy Sheehan. Leider gehört er aber auch zu jenen, die zwar Insidern ein Begriff sind, der breiten Masse aber weitgehend unbekannt geblieben ist. Kurz sei noch einmal zusammen gefasst, dass Vic Bailey, der übrigens von Geburt an schwerstbehindert ist auf Grund eines Muskelschwund-Leidens, aus Philadelphia stammt und eigentlich mit dem Schlagzeug spielen anfing. Im Alter von 11 Jahren steigt er aber auf den Bass um, und sein großes Vorbild ist seitdem Jaco Pastorius. Als dieser am 21. September 1982 bei einer Schlägerei stirbt, übernimmt Bailey sogar dessen Platz bei der legendären Fusionjazz Band „Weatherreport“, die zu dem Zeitpunkt bereits weltberühmt war mit ihrem Boss Joe Zawinul. Victor zupfte aber auch für Madonna, Santana, Chaka Khan und Bill Evans, um nur einige zu nennen, die vier Saiten und machte sich im Laufe der Jahre einen eigenständigen Namen in der Liga der ganz Großen.

Jazz, Fusion, Philly-Funk und Soul sind die Ingredienzen des groovenden Sounds, den Vic, wie ihn seine Freunde nennen, produziert. Er hat es zudem nicht gern, wenn man ihn als puren Jazzmusiker bezeichnet. Denn seine Riffs haben durchaus auch rockige Ecken und Kanten.Der 45jährige, der inzwischen in Los Angeles lebt, hat ereits  einige Soloscheiben veröffentlicht, die ihm weitere Beachtung und Anerkennung brachten. Und neben diversen Jobs bei anderen Künstlern, verschlägt es ihn auch alle Jahre wieder nach Europa auf eine Clubtour mit eigener Band. Gerade ist er wieder mal zugegen und zwar mit einer komplett neuen Truppe, der u.a. auch der 1 A Schlagzeuger Lenny White angehört, der für sich selbst ebenfalls eine Legende ist durch die Arbeit mit „Return To Forever“ und „Chick Corea“.  Ein weiteres Highlight in Whites Karriere war auch die Mitarbeit an Miles Davies Album ‚Bitches Brew’, das jener in nur 3 Tagen 1969 direkt im Anschluß an Woodstock aufnahm. Noch dabei in Vics neuer Band sind Casey Benjamin (sax) und Peter Horvath (key). Und mit diesem Line up beehrt er uns eben jetzt wieder im vornehmen Nightclub unseres Vorzeigehotels Nr. 1 hier in München, - dem Bayr. Hof. –

http://lennywhite.com/

Ich für meinen Teil liebe diese Location, da die Vornehmheit durch eine gemütliche Rustikalität etwas abgeschwächt wird.
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Somit kann man hier getrost auch mal in Jeans und Alltagskleidung erscheinen, ohne dass man gleich dezent auf irgendwelche Kleiderordnung hingewiesen wird. Allerdings hat der Nightclub auch seine Tücken. Das kleine Pils mal eben 5,20,-- oder ein Glas Wein 8,-- Euro. Und seien wir mal ehrlich, man sitzt einen ganzen Abend nicht nur bei einem Glas. Also kann so ein Besuch ganz schön den Geldbeutel quälen. Andererseits hat es sich gerade dieser Nightclub zum Schwerpunkt gemacht, bekannte und exzellente Musiker aus dem Jazz, Fusion und Soulbereich an Land zu holen für immer wieder kehrende, meist geniale Auftritte. Hier habe ich schon brillante Konzerte von Will Calhoun und Vernon Reid  (beide spielen u.a. bei Living Colour) gesehen, oder Joe Zawinul. Die Palette ist endlos.

Klar, das hier ist jetzt mal etwas ganz anderes als die herkömmliche Rockmusik, die sonst Schwerpunkt auf dieser Website ist. Aber ich sage ja immer – Musik ist Musik, und es gibt nur gute und schlechte. Und jeder Stil hat seine Berechtigung. Ergo: wenn Weltklasse Musiker wie nun eben Victor Bailey hier sind, dann ist es für mich fast schon  Pflichttermin, mir diese anzusehen. Mein Gott, was für ein Talent, was für eine Weltklasse. Da können sich die meisten Bassisten eine gewaltige Scheibe abschneiden. Er spielt im Sitzen, da er wegen seiner Behinderung nicht lange stehen kann. Aber das tut der behänden Beweglichkeit seiner feingliedrigen Finger keinen Abbruch. Die zupfen das Instrument mit einer Intensität und Leidenschaft, wie man sie selten findet. Man schließt am besten die Augen, um die Schwingungen der tiefen Töne richtig auf sich wirken zu lassen. Seine drei Soloscheiben bieten die komplette Bandbreite, vermischt mit Stücken von Weather Report, Return To Forever und einer Lenny White Komposition. Victor spielt sich übrigens mitnichten in den Vordergrund, sondern gibt seinen Mitstreitern immer wieder den Vorzug deren Können darzubieten. Das Set besteht aus zwei Teilen, die in etwa eine Stunde dauern. Eine Zugabe gibt’s auch noch, die Victor alleine bestreitet. Und das elitäre feinerlesene Publikum, das teils aus Kennern der Jazz-Fusion Szene besteht, aber auch aus Bass-Fetischisten oder einfach nur aus Hotelgästen, zeigt sich sichtlich angetan und bedankt sich mit viel Applaus.

Vic Bailey hat wieder mal gezeigt, dass er tatsächlich zu diesen überirdischen Musikern gehört. Zu jenen, wo sogar Leute vom Fach nur noch fassungslos den Kopf schütteln. Trotzdem ist er bescheiden und am Boden geblieben und will nichts mehr oder weniger als der Welt seine Musik zu nahe zu bringen.

Vic, ich hab’ Dich einmal vor einigen Jahren als den Beethoven des Fusion Jazz bezeichnet. Das hast Du mir nie vergessen. Und ich bleib’ auch dabei..... das bist Du ohne Übertreibung. Und ich kann nur jedem empfehlen, sich die Musik und das Können eines Victor Bailey einmal anzuhören. Denn er spielt nicht nur Bass, - sondern er spielt einfach saugute Musik.
Letztendlich bleibt nur die Frage des persönlichen Geschmacks über. Aber das ist - up to you da draußen....
http://www.victorbailey.com/