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Der Glamrock ist tot, es lebe der Glamrock, oder doch nicht?! Na ja, zumindest was den heutigen Abend hier in München betrifft, ist er  wieder zu spärlichem Leben erwacht. Nein, ganz so stimmt das auch wieder nicht, denn die Parole ist eigentlich: Glam- meets Punkrock! Auweia, ob das wohl gut geht? Ich habe da so meine Zweifel, und die werden dann nicht nur bestätigt, sondern auch noch dreifach unterstrichen. -
Allerdings hat der immense Zulauf (in Anführungszeichen - versteht sich), weniger mit jenem Slogan zu tun, als schlicht und ergreifend mit der Tatsache, dass unsere hochgepriesene Münchner Rock’n’Roll High Society keinen Nerv für Make-Up behaftete, pink gewandete Valentinos (sorry Alex, ist jetzt echt nicht persönlich gemeint) besitzt. Oder wurde schlicht und ergreifend zu wenig Promotion für das Spektakel gemacht?  Nun, Spekulationen hin oder her, Tatsache ist, dass sich schätzungsweise gerade mal 100 verlorene Glitzerfreaks eingefunden haben, inklusive unserer örtlichen Rock Chicks und einigen Spionen der lokalen Konkurrenz, um diese äußerst kuriose Verquickung von Punk meets Glamrock auszukundschaften.

Nun, die ersten beiden Senkrecht-Shooter sind mir wieder mal entgangen, wie so oft, aber pünktlich zum Einstand von Johnny Rotten in spe’ alias Messerfocke und seinen Lustfingern, bin auch ich on the Spot, um den Spirit der Ramones, ToyDolls und UK Subs wieder mal aufleben zu lassen. – Das Problem ist lediglich, dass sich das Publikum der selbsternannten Glamrock Jünger mit der harten Gangart des Punk so gar nicht anfreunden können, oder sollte ich sagen – wollen. Und das macht Messerfocke richtig zornig, nach dem Motto: entweder ihr spurt jetzt, kommt nach vorne und macht mit, oder wir hauen ab, und ihr könnt uns am A.... lecken. Okay, Papa hat ein Machtwort gesprochen, und es trauen sich denn doch ein paar Puppen in die erste Reihe, bzw. verkappte Punkfans.- 
Mal abgesehen von der Performance selbst, aber ich kann nach wie vor nicht verstehen, warum viele Leute so engstirnig sind in Sachen Musik. Okay, Punk ist nicht jedermanns Geschmackssache, aber man kann sich’s doch zumindest mal anhören, und die Band supporten. Sie ackern Euch ja nur einen ab, damit Ihr dann für die Hauptband eingestimmt seid. Nun, mit Punk scheints nicht bei allen zu funken. Das ist offensichtlich.
Wie auch immer, - teilweise gelingt es unserer Münchner Punkrockband Nr. 1 – Lustfinger denn doch noch, für so was wie etwas Stimmung zu sorgen. Aber man merkt deutlich, dass sich unsere Hardcore Anhänger des sogenannten Sleazerocks standepede dezent im Hintergrund halten und die Akzeptanz für alles was außerhalb der Glitzerparole liegt, so gut wie nicht vorhanden ist.
Auf einen Song hab’ ich selbst die ganze Zeit gewartet, muss ich gestehen. Und ich dachte schon, er kommt diesmal nicht zum Zug. (Anm.- dann hätt’ ich Dich aber gelyncht Tom!) – Aber er kommt dann doch – ‚Honolulu Baby’. Und ich denke, dass dieses Stück ein wahres Leckerli darstellt, das so manche Erinnerung in mir weckt, wenngleich auch etwas anderer Art, als Messerfocke seine Memories darin verarbeitet hat. Egal, beides hat mit Hawaii zu tun. Lustfinger machen ihre Sache eigentlich respektabel gut, wenn man von etwaigen Sounddefiziten absieht. Ach ja, und der Mann am Schlagzeug muss sich ja in diesem Venue schon richtig zu Hause fühlen, so oft wie der hier on stage die Felle malätriert in letzter Zeit – Bonfire lassen grüßen.

http://www.lustfinger.com

Nun denn, dem Punk ist last but not least dann noch Über- und fast Endlos-Genüge getan samt Glitzerkanone, die schon mal vorab für Funkel und Glamour sorgt. Aber ich muss gestehen, ich habe Lustfinger schon besser erlebt, wobei das aber mitnichten am Können liegt, sondern vielmehr an den gegebenen Umständen. Punkt um, nächstes Mal bitte wieder solo, ohne Glamrock, aber dafür Punk pur bei vollem Haus und guter Stimmung....

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Glamrock, was ist das eigentlich? Ich hab’ es mich schon oft gefragt, bin aber eigentlich immer nur zu dem einen Resultat gekommen, dass es sich dabei um nichts anderes als,...... nun ja, eben  straighten, dreckigen Ami Rock’n’Roll handelt. Nein, ich denke das Wort Glam steht vielmehr für die, im wahrsten Sinn des Wortes, funkelnde Darbietung, die diesem Genre den Namen gegeben hat. Irgendwann traten sie in Erscheinung in Spandexhosen, mit astronomisch hohen Plateausohlen, viel Glitzer und noch mehr Make Up. Diese Stilart war eigentlich schon Anfang der Siebziger geboren worden, und zwar mit T-Rex. Und der Glamrock kommt ursprünglich aus Good Old Britain und nicht aus Amerika. Mark Bolan gilt auch heute noch als Gründer der Sleazerock Ära.- Nur hat es dann etliche Jahre gedauert, bis man Anfang bis Mitte der Achtziger den Spirit wieder aufleben ließ, und sich etliche Rockbands, vor allem in Amerika erneut für zu viel Farbe und Glamour Look entschieden.  Demzufolge ist das Ganze, um mich zu wiederholen, keine Musikrichtung in dem Sinn, sondern viel mehr ein Stilikonen Trend. – Erneut verdrängt in den Neunzigern, scheint die Stilistik aber in den letzen Jahren zum dritten Frühling anzublasen. Und Bands wie Mötley Crüe, Cinderella, Slaughter, Ratt, Pretty Boy Floyd, Tuff etc. machen wieder von sich reden. Letztere beiden indirekt anhand deren Frontmännern, - namens Stevie Rachelle und Steve Summers. Beide haben die 40 bereits überschritten und die wilden Zeiten hinter sich gelassen, oder auch nicht?! Man ist jedenfalls vernünftiger geworden, hat sich weitere Standbeine geschaffen um sich finanziell abzusichern, gibt sich souverän  und doch noch immer etwas exotisch. Einen Touch von Verruchtheit, der den Geist der wilden Jahre, wenn auch nur dezent, wider spiegelt.

Steve Summers

Stevie Rachelle

Dies zum einen.... zum anderen ist da unser Alexx, der sein ganzes Leben den Traum vom Glamrock in L.A. geträumt hat, und es nach wie vor tut. Der wieder und immer wieder dort hin fliegt, um die Szene auszukundschaften und Verbindungen knüpft. Verbindungen, die ihm letztendlich die beiden oben genannten einstigen Ikonen Stevie Rachelle und Steve Summers beschert haben für sein ganz persönliches Projekt – ‚Shameless’. Es gibt da nur ein winziges Problem bei der Sache. Und um’s mal knallhart auf den Tisch zu brettern, der allgemeine Glam Trend hat den Anschluss verpasst zu eben jenem dritten Frühling, zumindest was Europa betrifft. Die momentane Situation in sunny California entzieht sich meiner Kenntnis.  Aber Mötley Crüe sind mit ihrem Best of... in good old Europe mehr als gefloppt, touren nur noch im Paket oder auf Festivals, Bands wie Cinderella und Slaughter bleiben sicherheitshalber gleich frisch drüben in der Heimat und wagen allerhöchstens einen Ausflug nach Japan, und ich denke mal, unsere beiden Stevies hier, sehen den momentanen Europe Trip, eher als nette Abwechslung zum eigentlichen Dasein. Denn mit dieser Exkursion hier lässt sich mit Sicherheit nicht der große Reibach machen, auch wenn woanders die Venues doppelt so voll sein sollten als hier in München.

Okay genug des philosophierens über das Leben und Sterben von Maikä... sorry des Glamrocks. Die schlichte Fangemeinschaft ist endlich aufgewacht und frönt jetzt allesamt ganz vorne dem schillernden Geschehen.
Und um’s kurz zu machen, das Beste an der Darbietung von Shameless ist eindeutig die rosarote Plüschjacke von Big Boss Alexx und eventuell noch die Stimme von  Stevie Rachelle, der im Gegensatz zu seinem Landsmann wirklich noch singen kann. Mr. Summers hingegen, der übrigens als erster die Bühne betritt bei dieser Vorstellung, hat deutlich, hörbare Probleme.


...muss er jetzt, oder muss er nicht ?

Nur in wenigen Ansätzen vermag ich mich anhand des Tenors zurück zu erinnern an Pretty Boy Floyd und deren Songs wie „Your Mama won’t  know’, „Set The Nite On Fire oder  Leather Boyz With Electric Toys“.  Das sind wirklich gute Songs, aber es ist nun mal immer die Art und Weise wie sie letztendlich live präsentiert werden. Wenn dann die Stimme nicht  mehr so will, der Sound nicht passt, die Strumpfhose scheinbar nicht 100%ig sitzt und erahnen lässt, dass sich nichts darunter befindet, was wiederum den Anschein gibt, als müsste der arme Kerl mal dringend auf’s stille Örtchen, dann, sorry meine Herren, erinnert diese Einlage eher an eine Karikatur von Donald Duch und seiner selbst. Addiert man dann noch technische Probleme hinzu, wie defekte Mikes etc. dann bekleckert sich diese Rainbow meets Whiskey A Go Go Pseudoshow nicht unbedingt zum großen Brüller. Alexx - der Bass sieht besser aus, wenn er gezupft wird, wie sich's gehört!  Aber die physische Choreographie ist dafür einzigartig und das Outfit auch. Christian LaCroix sucht noch ein männliches Model. - Das wäre doch diiieeeee Chance, oder?!
Man versucht dann u.a. mit Mötley Crüe's 'Live Wire' die Gemüter anzuheizen. Gelingt aber auch nur in Grenz
en.


Der Retter in der Not

Erst als Stevie Rachelle den sichtlich angeknacksten Steve Summers ablöst, bessert sich die Lage wieder. Dieser Kerli hat sein Talent tatsächlich noch gepachtet, auch wenn seine Erscheinung wesentlich nüchterner als die von seinem Kollegen wirkt. Aber genauso wie die stimmlichen Qualitäten ist auch sein Body muskelgestählt nach wie vor - just perfect. Eigentlich hatte ich gehofft, dass Tuff’s exzellente Version von ‚Sixteen Tons’ zum Zuge kommen würde. Tut es aber leider nicht. Dafür wird uns ‚I Hate Kissing You Goodbye’ und andere Tuff Klassiker dargeboten. Noch ein Song geht mir schmerzlich ab, nämlich ‚American Hairband’.   Aber dennoch, - die Nostalgiekurve bekommt einen weiteren Kick. Nicht zu vergessen natürlich das neue Werk von Shameless selbst, das sich passend ‚Famous 4 Madness’ nennt und das insgesamt fünfte Album der Band ist. (mehr Infos darüber hier) Und dieses soll schließlich und endlich promoted werden.

Aber..... so wie heute Abend präsentiert,  wird das sicherlich nichts und hat keine große Zukunft, das sag’ ich Euch gleich als langjähriger Medienexeperte. Und schiebt es bitte nicht auf etwaige Münchner Konzertmuffel oder den nicht vorhandenen Zeitgeist bzw. Trend. Es ist alles nur eine Sache des Talents, der richtigen Promotion, Stage Präsenz, Vermarktung und – most of all – der Praxis und Routine. Und bei all diesen Aspekten hapert es ein wenig, vor allem beim letzten Paragraph. Aber das ist wohl dank der geographischen Distanz mit ihren, daraus resultierenden finanziellen Stolpersteinen, ein unüberwindbares Handycap. Oder liege ich da etwas falsch?!
Im allgemeinen Jargon heißt es doch sonst immer - den Arsch aufspielen, bis er wund ist...
Und was den Glam- Sleaze oder was der Geier was, betrifft.... im Endeffekt ist alles nur Rock’n’Roll. Und der, meine Freunde des Garfunkel-Glitzers,  ist noch lange nicht tot.
http://www.shamelessrock.com/

PS: Der Einzige, der heute Abend hier irgendwann goldrichtig auf dieses bunte Show-Event reagiert hat, ist, - bzw. war unser Manni.- Stimmt’s oder hab’ ich recht?!

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