Mein erstes Tollwood-Festival Date in diesem Jahr, und ich habe eher den
Eindruck, ich bin hier beim Tanz der Vampire und deren Leichenschmaus.
Hiiilllffeeee – ein Begräbnis ist noch Karneval in Rio, verglichen mit
all den Zombie-Bleichgesichtern, die sich hier heute Abend in der Saturn
Musikarena ein Stell Dich Ein geben. Wobei ich mich schon vorher gefragt habe, was zum heiligen
Christopherus haben die
Krupps mit Gothic und Dark Wave zu tun? Klar die ersten drei Acts mögen
noch eher dem Image entsprechen, aber der Headliner ist definitiv von
einem anderweitigem Kaliber. Auch egal, - Ihr wisst ja, ich für meinen
Teil halte nicht viel vom Nischen-denken, und es gibt nur gute oder
schlechte Musik. Und das predige ich schon seit etlichen Jahren. Mit
den folgenden vier Bands steht uns ein Paket der besonderen Art ins
Haus, - von Barock über Gothic, und Rammstein-Verschnitt bis hin zum
Industrial Metal.
Von 18 Uhr bis Punkt 22 Uhr, danach ist Zapfenstreich dank der örtlichen
Bürokratie. Und nix geht mehr, aus, Schluss und Feierabend. Da hilft kein
Sturm auf die Bastille und kein Satansfluch.
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Aber lasst uns beim Intro vom Rosenkranz
beginnen, der bereits um 18 Uhr angegeigt wird und auf den
postromantischen Namen Emilie Autumn hört.
Übrigens die einzige amerikanische Partie,
die hier bei der Düster-Wellen Konferenz mitmischt. Und eines muss man
gleich vorweg nehmen, ich habe selten so eine fotogene Partie vor der
Linse gehabt, wie diese Pseudo Schönheit aus Kalifornien. Wie Ihr wisst,
lässt man ja Supportbands gerne mal etwas außen vor, besonders wenn es
die erste von drei weiteren ist, bevor sich der Headliner die Ehre gibt.
Ich habe gerade ein Interview mit einer der anderen Partizipanten
absolviert und will mir in Ruhe ein Bierchen genehmigen, als ich die schrägen
Vögel da oben rum turnen sehe. Die sind mir zwar schon backstage
aufgefallen, aber da hatte ich noch keinen blassen Schimmer wer das war.-
Anyway, ich habe selten so schnell meinen Fotorucksack geschnappt und mich
straight in den Fotograben geschwungen. – Da tanzt die Linse einen Twist
bei soviel schräger Schönheit. Allein damit ziehen die Schwestern aus
Amiland bereits sämtliche Aufmerksamkeit auf sich. Extravagant geschminkt
und in Fantasie-Petticoats gewandet, ziehen sie ihre sanft-kroteske Show
ab. Übrigens Frontfrau Emilie designed alle Kostüme selbst, habe ich mir
später sagen lassen und hat vor einiger Zeit sogar ihr eigenes Modelabel gegründet.
Die 29jährige Kalifornierin kam bereits im Alter von 4 Jahren zur Musik
und besitzt eine klassische Ausbildung zur Geigerin. Inzwischen hat sie
vier Alben veröffentlicht. Zwei davon gibt’s auch bei uns zu kaufen, nämlich
‚Opheliac’ und ‚Laced/Unlaced’. Dazwischen gabs noch die EP ‚Liar/Dead’.
Zusätzlich machte sich Emilie einen Namen durch ihre Zusammenarbeit mit
Courtney Love und Billy Corgan von den Smashing Pumpkins. -

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die Setliste klicken um einige Soundbeispiele
anzuhören und zu schauen
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Dieser Auftritt hier in München ist übrigens
erst ihr zweiter überhaupt in Europa, nachdem sie ihr Debüt beim
Leipziger Wave Gothic Treffen feierte. – Um die Musik von Miss Autumn zu
beschreiben braucht es genauso viel Fantasie, wie die, mit denen ihre
Kleider entworfen worden sind. Es handelt sich dabei um eine Art
mystischer Klangphilosophien, die teilweise melancholisch und teilweise überdreht,
einerseits düster, andererseits leicht wie eine Feder auf sphärischen
Klangwolken übertragen werden. Ihre Gespielinnen, die auf den Namen ‚Bloody
Crumpets’ hören, stehen ihr in nichts nach, weder im Look noch in deren
visuellen und akustischen Darbietung. Wobei die komplette Rhythmus Sektion
vom Band kommt. Aber in Emilie Autumns Fall spielt das keine Rolle.
Ihr Auftritt ist weniger ein Konzert, als vielmehr ein akustisches
Theaterschauspiel im klassisch-mystischen Sinn. http://www.emilieautumn.com/

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Der zweite Streich kommt von ‚Down Below’,
die sich spätestens jetzt nach ihrem Auftritt beim Rock am Ring Festival
einen festen Platz im Establishement gesichert haben.
Man kann die Jungs gut und gerne in eine Kategorie mit Him stecken, um
sich eine wage Vorstellung von deren Musik zu erlauben. Sogar äußerlich
ähneln sich die beiden Frontmänner bis zu einem gewissen Grad, - oberflächlich,
versteht sich. Man merkt an den Reaktionen der Fans, dass diese Band
beileibe kein unbeschriebenes Blatt mehr ist im Genre. Und Sänger Neo
Scope entpuppt sich als Mädchenschwarm, was er im Laufe der Show noch
unterstreicht anhand der Entblößung seiner unbehaarten Brust. Kommt gut
bei den Mädels, muss man ihm lassen. Bezeichnet wird die Band als eine
Mischung aus Alternativ, Dark Rock und Metal. Sich selbst beschreiben sie
eher als Pop/Rock und Gothic mit
bittersüßem Touch.
Down Below bestehen aus bereits genanntem
Paradiesvogel Neo Scope, dessen Künstlername sich aus neu und Teleskope
zusammen setzt. An der Gitarre ist Carter, Convex am Bass und hinterm
Schlagzeug sitzt Dr.Mahony. Und in diesem Line
up gründeten sich die Brüder auch vor vier Jahren. In ein paar Tagen
erscheint das zweite Album ‚Sinfony 23’, das die Linie des Vorgängers
und Debüts Silent Wings: Eternity
von 2004 fortsetzt. -

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Bild klicken für Clips (etwas runter
scrolen)
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Mond anklicken für's
Interview
mit Neo Scope
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Down Below, was in dem Fall soviel wie –
in sich hinein gehen – bedeutet, fabrizieren eigentlich nichts neues
oder gar innovatives , aber das durchaus passabel. Neo Scope ist der
Blickfang und das Aushängeschild der Truppe. Sein Image transferiert eine
dunkle Persönlichkeit mit einem magischen Blick (Anm.: dank
Fantasie-Kontaktlinsen) -
Ville Vallo meets James Dean und Frankenstein in Jugendjahren. Der
Vorstellungskraft sind keine Grenzen gesetzt. Aber der Funke springt tatsächlich
rüber. Und das ist letztendlich das wichtigste. Alles in allem gewinne
ich persönlich den Eindruck, dass es Down Below gut und gerne noch einige
Sprossen weiter hinauf auf der Status-Leiter schaffen könnten. Es ist
alles eine Frage – zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. –
Zeitgeist nennt man so was, oder liege ich da falsch? http://www.downbelow.de/

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Aller guten Dinge sind drei, und damit wären
wir bei ‚Unheilig’ angelangt, einem Projekt, sag ich jetzt mal, dass
sich definitiv schon länger äußerster Beliebtheit in den Gothic-Grufti
Kreisen erfreut. Allen voran ‚Der Graf’, der mit seiner Stage Präsenz
sowieso 150% des gesamten Raumes einnimmt. Es gibt da zwar noch einen
Gitarristen und einen Keyboarder irgendwo. Aber die verschwinden neben der
Hauptfigur im Nirvana. Sorry, ist aber so. Denn im Prinzip ist Unheilig
einzig und allein nur der Graf und sonst niemand. Unheilig wird als
Synthy-Rock, Neue Deutsche Härte und Elektro-Pop bezeichnet. Ehrlich
gestanden in meinen Ohren klingt das hier eher nach einer Mischung aus
Rammstein, In Extremo, Eisbrecher und anderweitigen Vertretern des
Deutsch-Hardrocks. Gerade noch das Ambiente hat was mit Gothic zu tun
anhand stimmungsvoller Kerzenbeleuchtung, - zusätzlich zur Scheinwerfer
Beleuchtung, versteht sich.
Der Herr trägt Anzug samt flotten Oben
ohne Kopfschmuck und wirkt eher wie ein biederer Bankbeamter, wären da
nicht einmal mehr die irritierenden Trick-Kontaktlinsen. Das Repertoire
des Grafen umfasst Songmaterial aus fünf Alben, drei Eps, drei Maxi
Singles und drei DVDs. Und aus diesem Fundus schöpft er heute Abend aus
dem Vollen. Übrigens eine neue Scheibe ist in Arbeit, soll aber nicht vor
2008 erscheinen. Wie bereits angedeutet, besitzt Unheilig ein gehöriges
Popularitätspotential in der deutschen Darkbeat,Gothic – oder weiß der
Geier was – Szene. Und das ist weder zu überhören noch zu übersehen.
Zu verdanken hat er es eventuell seiner Kooperation mit Project Pitchfork
, dem Auftritt in der Pro 7 Sendung bei Frank dem Weddingplaner, oder auch
dem Umstand, dass er so ziemlich auf jedem Gothic Festival zu Gast ist,
das diesen Sommer stattfindet.

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Auf's Bild klicken für einige Clips
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Ach ja, auch hier helfen viele Samples und
eine eingespielte Rhythmus Partie für die notwendige Untermalung.
Der gute Mann wirbelt über die Bühne wie ein aufgescheuchtes Huhn,
windet sich, verbiegt sich, geht in die Knie
und gibt sich scheinbar auf. Irgendwann wird’s ihm zu heiß und
er entledigt sich seines Jackets. Nur die Krawatte bleibt eisern dran. Man
muss schließlich das Image pflegen. – Hmmm – was für ein Image,
frage ich mich hierbei. Am ehestens stellt sich mir der Vergleich zu einer
modernen Graf Dracula Version. – Und es gelingt ihm tatsächlich all die
Gruftis da unten für sich einzunehmen und sie zu faszinieren. Eins zu
Null für Graf Unheilig. http://www.unheilig.com/

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Last but not least – The Krupps... und da
sind wir, wie schon zu Beginn erwähnt, beim Punkt, wo es mir schleierhaft
ist, was die mit all den anderen mitwirkenden Acts zu tun haben –
musikalisch gesehen. Das hier ist knallharter Industrial Heavy Metal, der
rein bläst wie ein Tornado. Kurioserweise fahren auch all die Grufties
voll drauf ab und feiern Jürgen Engler und Band ab. Hätte ich, ehrlich
gestanden nicht gedacht. Der Fünfer besteht neben
dem Fronmann noch aus Original Mitglied Ralf Dörper (Synth), Rüdiger
Esch (Bass), Marcel Zürcher (Git.) und Oliver Röhl (Drums).
Mit diesem Line up sind die Krupps neben Down Below die einzige
wirkliche Band mit allem drum und dran. Vor zwei Jahren feierten sie ihr
25-jähriges Jubiläum. Die Karriere war zwar zwischendurch mal
unterbrochen für einige Zeit, aber offiziell getrennt hatten sie sich
nie. Im vergangenen Jahr habe ich sie noch in kleinem Rahmen im
Backstage live erlebt und war schlichtweg begeistert. Und meine
Erwartungen werden auch heute wieder voll und ganz erfüllt. So brillant
die Krupps live sind, so besch... sind sie zum fotografieren, dank
diffusem, ständig wechselndem Flashlights, - muss ich noch dazu sagen.
Aber ansonsten gibt es nichts zu meckern an
der musikalischen Darbietung. Das knallt rein, das reibt auf, das reißt
mit, und aus dem Grufti Ambiente wird augenblicklich ein Hexenkessel. Sie
schöpfen aus ihren Reserven und derer gibt es mehr als ein Dutzend
Alben und noch einiges mehr. Lustigerweise ist mir selbst diese Band erst
1997 wirklich aufgefallen, als sie mit der Coverversion von The Crazy
World of Arthur Browns ‚Fire’ einen Erfolg verbuchten.
Ein Sixties Oldie, der in der Heavy Metal Variante zu neuen Ehren
gelangte. Übrigens wirkt auch hierbei wieder Arthur Brown mit. – Dieser
Song steht zwar heute nicht auf dem Programm, dafür aber jede Menge
anderer Juwelen der Stahlrocker. (siehe Setliste). Ein Manko gibt es dann
dennoch an der Vorstellung, nämlich dass sie viel zu kurz ist mit nur
einer Stunde. Aber in dem Fall trifft die Band keine Schuld.
Denn um 22 Uhr heißt es auf dem Tollwood Festival im Musikzelt –
Zapfenstreich und zwar unwiderruflich. Vielen Dank an die Stadt München
und ihre Bürokratie. Die aufgeputschten Kids lassen sich nur schwer
beruhigen, und Jürgen Engler kommt noch mal auf die Bühne und
entschuldigt sich für einen Misstand für der er am allerwenigsten was
dafür kann. Es hilft aber alles nichts, und somit bleibt nur das
Versprechen bald wieder zu kommen. Und dann auch mit einem neuen Album im
Gepäck.
Fazit des Abends – eine durchaus amüsante
und gelungene Mischung aus Gothic, Düsterrock und einfach nur Heavy Metal
mit einem hohen visuellen Anteil und sehr viel Abwechslung. Und so mancher
fragt sich: waaasssss – satte vier Stunden waren das nun,- unglaublich,
aber wahr. http://www.die-krupps.de/
Siehe auch Diary
für einige Aftershow Schnappschüsse
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