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... das allerwichtigste in seinem Leben ist.... – nicht Iced Earth, - so Jon Schaffer. Jedenfalls nicht mehr seit ca. 2 ½ Jahren. Denn zu jenem Zeitpunkt erblickte seine kleine Tochter das Licht der Welt. Und die hat unbedingte Priorität, noch vor seinem zweiten Baby, nämlich Iced Earth. Aber danach kommt lange nichts. Kein Wunder, bestimmen doch diese beiden Individuen sein ganzes Leben. Das eine seit 23 Jahren, das andere und nunmehr wichtigere, mal erst seit 2 ½ Jahren.
Powermetal bezeichnet sich die Stilistik die Mr. Schaffer seit Beginn weg verfolgt, eine Stilistik, die nur noch eine Randgruppe in der ungesunden Musiklandschaft darstellt. Aber Gott lob, haben wir ja noch Europa, oder spezifischer ausgedrückt, Deutschland und eventuell noch Griechenland, wo diese Musikrichtung nach wie vor an einem Strohhalm saugt. – Wie heißt es so schön, jede Musikrichtung hat seine Daseins-Berechtigung. Es ist nur eine Sache des sogenannten Flavour of the Month, - es sei denn man zählt, - wie z.B. Motörhead, - zu den Vertretern mit Kultstatus. – Nun Iced Earth gehören zwar auch schon seit längerem zum Establishment. Aber von Kultstatus kann hier (noch) keine Rede sein, höchstens von einem halbwegs gängigen Heavy Metal Projekt eines Jon Schaffers bei dem im Prinzip jeder austauschbar ist, nur nicht er selbst. Allerdings hat er seit vier Jahren Timothy Owen im Boot, ein Zugpferd, dass Gefahr läuft, unabkömmlich zu werden, dank dessen beeindruckender Stimme. Mr.Schaffer riskiert von diesem Umstand abhängig zu werden, was andererseits bestimmt nicht von Nachteil ist.
Noch eine Premiere feiert das Alterego von Iced Earth bei dieser momentanen Europa-Tour. Er ist das erste Mal überhaupt von seiner Tochter getrennt. Und so hart wie er sich selbst on stage gibt, umso 1000 Mal härter ist dieser Umstand jetzt, gibt er unumwunden im Interview zu und ist dabei ganz Softi. – Aber das Leben geht weiter, und es gilt den Powermetal namens Iced Earth standesgemäß zu repräsentieren.

Leider wissen jenes, nur in etwa 600 Headbanger in München zu schätzen, die sich hier im Backstage Werk eingefunden haben. Zu wenige um einen Triumphzug zu feiern, zu viele um ignoriert zu werden.

Und den Anfang macht der alte finnische Kriegsgott  Turisas aus Finnland. Zumindest handelt es sich hierbei um den Namen jenes himmlischen Kegelbruders unter welchem Mathias „Warlord“ Nygård (voc), Jussi Wickström (voc/git), Tuomas Tude Lehtonen (Drums), Hannes „Hanu“ Horma (Bass), Olli Vänskä (Geige), Janne „Lisko“ Mäkinen (Akkordeon) und Antti Laurila (Akkordeon) – ihren Mix aus Heavy Metal und finnischer Folklore zum Besten geben. Entsprechend stilgerecht heraus geputzt, versuchen sich die nordischen Götterboten im richtigen Licht zu repräsentieren... – was übrigens nicht ganz einfach ist. Denn nicht alle, hier anwesenden Powermetal- Iced Earth Fans finden Gefallen an ethnischen Einflüssen im Genre. Ich für meinen Teil finde die Finnen schon interessant. Vor allem, weil sie dank visuellem Aspekt und andersartigen Klängen per Garantieschein, in der Großhirnrinde mit Zwischenstop im Gehörgang,  stecken bleiben. Höhepunkt der heutigen 30 Minuten Parabel, ist definitiv die ulkige Coverversion von Boney M’s „Rasputin“. Trotz Verfremdung –100%iger Wiedererkennungswert garantiert. Und nehmen wir’s mal straight.... Coverversionen anderer Titel werden erst wirklich interessant, wenn sie eben etwas anders, aber doch originell klingen. In dem Fall gilt: Operation gelungen, Patient macht den Abgang, um Platz zu machen für unsere kanadischen Metal-Alltime Klassiker von Annihilator.
http://www.turisas.com/

Vor nicht allzu langer Zeit gerade erst im Vorprogramm von Trivium genossen, bekommen wir Jeff Waters und Co. nun schon wieder auf dem Silbertablett präsentiert, - wieder im Vorprogramm, und wieder viiiiieeeeel zu kurz. Wie bereits in der letzten Live Review beschrieben,  frönen Annihilator ebenfalls schon einem, fast schon biblisches Alter. Was Jon Schaffer für Iced Earth ist, das ist Jeff Waters eben für Annihilator. Zwei Individuen die für ihr Pseudonym stehen. Und auch wenn mir die Kanadier musikalisch beileibe am besten gefallen  heute Abend, so vermisse ich doch irgendetwas deutlich, sowohl akustisch als auch visuell. Ich denke einfach, Jeff sollte sich noch einen fünften Mann zulegen mit einer passenden Stimme. – Ich will damit nicht sagen, dass er selbst nicht singen kann. Aber es ist nicht dasselbe wie damals und früher. Wie gesagt, - gefühlsmäßig fehlt irgendwo das non plus ultra zum Gipfelsturm musikalischer Verquickungen. In den 45 Minuten finden acht Kracher Platz, - viel altes und ein ganz klein bisschen neues. Aber das Finale wird nach wie vor von ‚Alice In Hell’ bestimmt, der ultimativen Hymne von Annihilator. Und daran wird sich wohl auch in den nächsten 10 Jahren nichts ändern, sofern es Jeff und Co. noch gibt.
http://www.annihilatormetal.com/

Okay, it’s time für Iced Earth samt seinen theologischen Themen wie Strafe und Sünde, Bestimmung, Himmel und Hölle, den Antichristen und der Apokalypse. Man merkt deutlich, dass Jon Schaffer gedanklich sehr viele Dinge beschäftigen. Dinge, die er versucht in seiner Musik weiter zu geben. Klar, Entertainment geht vor on Stage. Denn auf Worte achtet bei einem explosiven Auftritt von Iced Earth sowieso niemand mehr . Auch nicht, wenn jener Sound von einer so markanten Stimme wie der von Tim ‚Ripper’ Owens vorgetragen wird. Der Mann, der mit seinem Aussehen, definitiv der Liebling aller Schwiegermütter wäre, mit seinem Lausbubengrinsen und der akkuraten Bügelfalte in der  schwarzen Anzugshose. Kein Schmarrn, aber diese gerade aufgezählten Aspekte haben mit Heavy Metal in etwa so viel zu tun, wie  Lemmys Vorliebe für Himbeersaft. – Nun, don’t worry, das ist alles nur Fassade, denn sobald Timmy den Mund aufmacht, lernt er so manchen anderen Metal-Figaro das Fürchten. Trotzdem gibt es sowas wie Prestige, denn dank eines – very british (-en) Tourmanagers, gilt ab sofort nur noch der Schlachtruf ‚Sir’ Timothy. Die Stimme braucht außerdem  Kraft, deshalb wird bei  der physischen Motorik eingespart, und die metallischen Luftsprünge halten sich eindeutig in Grenzen.  It’s time for tea und metallischen Energy Schub, der insbesondere von Mr.Schaffer, zu seiner rechten, praktiziert wird – ganz im alten Stil. – Der Rest ist, wie soll ich sagen, notwendige Staffage.  Der neue Mann am Bass  heißt Dennis Hayes, die zweite Gitarre zupft Troy Seele, auch erst seit diesem Jahr mit von der Partie. Und last but not least Schlagzeuger Brent Smedley, der früher schon einmal mit von der Partie war, und jetzt seit einem Jahr wiederum ins Iced Earth Lager gefunden hat.

Nein, man kann über die neuerliche Performance von Feldwebel Schaffer und Sir Timothy (Anm. das stammt nicht von mir gell?!) tatsächlich nur wenig meckern, sieht man mal über die anfangs, erheblichen Soundprobleme hinweg, - und dem Umstand, dass der sogenannte Powermetal weder dem derzeitigen Zeitgeist noch der momentanen Trendwende entspricht und sich bei mir selbst nach einiger Zeit eine gewisse Monotonie einstellt. Aber nichts für ungut! Ich bin mir sicher, dass im Grunde genommen fast jeder Fan und Freund von Truemetal (wer hat bloß nur den dämlichen Ausdruck  erfunden???)  hier im Werk, heute Abend, vollends zufrieden gestellt sein dürfte was seine Erwartungen betraf. Und so was nennt man bekanntlich Altersversicherung für Metalbands wie eben Iced Earth. Hoffentlich läuft sie nicht irgendwann aus........
http://www.icedearth.com/                                                        
                                                                               Ein paar  Off Stage Schnappschüsse gibt's
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