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Ein österreichischer Poet hat einmal gesagt: die Welt ist ein Traumtheater, das sich dreht und dreht und dreht, um immer wieder auf einem schillernden Regenbogen zu landen, der ständig seine Farben wechselt, aber das mit einer Regelmäßigkeit und Symmetrie, die  an Perfektion nicht zu überbieten ist. Nichts, aber auch rein gar nichts ist dem Zufall überlassen.

Aber bei unserem Traumtheater hier handelt es sich weder um unseren Planeten, noch ist es auf einem Regenbogen gelandet, sondern hier in unserer guten alten Tonhalle. Lediglich das mit der Symmetrie und der Perfektion, das hat was für sich, und trifft durchaus zu. Andererseits läuft aber gerade jener Aspekt Gefahr, dass sich unter Umständen so was wie Langeweile einstellt, wenn man es übertreibt. – Nun, ich denke sie haben das irgendwann begriffen, denn aus den ehemals bis zu 3 ½ Stunden Epen sind jetzt halbwegs erträgliche ein einhalb Stunden geworden, mal abgesehen von den 45 Minuten Intro des Anheizers. In der Kürze liegt die Würze sagt man doch so schön. Zumindest dann, wenn die Performance in einer ausverkauften unbestuhlten Halle stattfindet, in der es dampft wie in einem Hochofen, obwohl die Band vorab ziemlich deutlich gebeten hatte, das Rauchen zu unterlassen. Ich mein, ich sag ja noch nichts, wenn so eine Perfektions-Marathon-Sitzung in gediegenem Ambiente  stattfindet, wo man sich in bepolsterten Sesseln relaxed zurück lehnen kann, um die intellektuell- fortgeschrittene Muse auf sich einwirken zu lassen. – Aber unter den hier gegebenen Umständen tun es die knappen 100 +45  Minuten vollkommen, auch wenn sich so mancher Hardcore Fan hinterher lautstark mokiert.  Und wir werden, wenn man diese Umstände unter Betracht bezieht, sehr gut bedient in jeder Beziehung.  Weniger gut bedient werden wir Fotografen was die Supportband betrifft.

Bzw. ist es Symphony X die da gar nicht gut bedient werden, was die örtlichen Lichtverhältnisse betrifft. Um es auf den Punkt zu bringen, die Brüder hätten auch im dezenten  Kerzenschein auftreten können. Es hätte nicht viel Unterschied gemacht. Meine Kamera macht akrobatische Luftsprünge um da auch nur noch irgendwas raus zu holen. Es herrscht selbstredend Blitzverbot. Meine Konzentration ist für 15 Minuten voll gefordert. Denn genau so lange ist es den zahlreichen Bildberichterstattern erlaubt das Geschehen für die Nachwelt festzuhalten, dito übrigens später dann auch beim Headliner. Die üblichen 3 Songs is’ diesmal nämlich nicht, weil das würde ein Drittel des Konzerts in Anspruch nehmen.


However... Symphony X mühen sich redlich, unter den gegebenen Umständen das Beste raus zu holen. Und das umfasst zu allem Übel auch noch einen etwas zwielichtigen Soundmix. Ehrlich gestanden, will ich mir über diese Band hier kein eindeutiges Urteil bilden, denn ich bin überzeugt, dass sie ihren symphonischen Progrock in Form eines Headliner Gigs noch wesentlich besser rüber transferieren können, als hier unter diesen, doch ziemlich bescheidenen Umständen.
www.myspace.com/officialsymphonyx   (die official Website ist momentan nicht erreichbar)

... Und was bei Symphony X zu wenig vorhanden war, ist dann bei Dream Theater eindeutig zuviel da, - nämlich das Licht. Ansonsten gibt’s nicht viel zu meckern. Der Name steht für Perfektion und großes Können, und diesem werden die Amis wieder einmal rundum gerecht. Was anderes könnten sie sich auch gar nicht leisten, ehrlich gestanden.- Die Erwartungen seitens des Publikums sind jedes Mal so astronomisch hochgesteckt, dass auch nur ein einziger kleiner Ausrutscher eine Katastrophe wäre. Aalglatt raspeln sie ihr Programm runter mit Schwerpunkt auf dem aktuellen Album ‚Systematic Chaos’-
Dream Theater sind die Inkarnation des modernen Progressive Rocks, und im Gegensatz zu Bands wie Queensryche und Spocks Beard, die nach einem Höheflug nunmehr eher im unteren Feld der Popularität herum dümpeln, scheint es für die ehemaligen New Yorker Musikstudenten nach einem Zwischentief, jetzt erst so richtig interessant zu werden. Hier ist seit vielen Jahren ein eingeschworenes Team am Werk, eine hochtalentierte Einheit, die perfekt aufeinander eingespielt ist. Egos, wie sie größer nicht sein könnten. Und die Bühnenshow ist ebenso perfekt inszeniert. – Am Rande erwähnt, mit diesem einen Wort „perfekt“ ist eine Dream Theater Show ohnehin schon so gut wie beschrieben.
Jordan Ruddess spielt gar nach Noten vom Computer Screen, auch wenn es eher scheint, dass jener nur zur Zierde da oben am Keyboard thront, welches sich wiederum ständig um die eigene Achse dreht, - samt Fliegengewicht Jordan versteht sich.  Der Dank gilt dem Techniker. John Myong schwebt on stage ohnehin in höheren Sphären, scheinbar entrückt von dieser Welt. Die Action auf seinem Bass ist Millimeterarbeit, begleitet von äußerstem Konzentrationsfaktor und ohne auch  nur einen Muskel im Gesicht zu verziehen. (Anm. vielleicht ist das aber auch ein wenig der sehr verhaltenen Mentalität zu verdanken)





Gitarrist Petrucci hat sich vor allem verändert was den visuellen Aspekt angeht. Die wieder längeren Haare stehen ihm wesentlich besser, und er scheint zunehmend Wert auf physische Kondition zu legen was die, nunmehr deutlich erkennbaren Muskelpakete betrifft. Der Gott an der Gitarre ist ebenfalls wie immer und alle anderen fehlerlos. Heute fast zu perfekt, denn eine etwas stupide Runterspul-Routine lässt sich nicht verleugnen. Vielleicht ist es aber auch nur die leichte Ermüdung des täglichen Tournee Stresses. Wer weiß... Aber klar doch, - auch hier kennt die Genialität kaum Grenzen, technisch lupenrein vorgetragen. James La Brie mit deutlich gelichtetem Haar ist eigentlich der Einzige, der tatsächlich einen akustischen Auftrieb gefunden hat in Sachen Gesang. Das ist wie mit dem Wein. Der wird auch besser, je älter er wird. – Im Interview vor der Show meinte er noch, eine Dream Theater Performance wäre immer von der jeweiligen Tagesstimmung abhängig. Seine ist anscheinend hervorragend heute Abend.
Tja und Mike Portnoy bedient da oben ein Schlagzeug, das als überdimensional noch untertrieben beschrieben wäre. Hilfe, der gute Mann muss ja acht Beine und Arme haben, um das Monster auszulasten. Tut er wahrscheinlich trotzdem, nur fragt mich bitte nicht wie. Beeindruckend aussehen und anhören tut es sich allemal.

Mir persönlich gefällt vor allem der etwas betont jazzige Touch, den Dream Theater ihrem neuen Werk in Grundtendenzen auferlegt haben. Es gibt dem üblichen bombastisch-kompliziertem Progrock Sound einen gelungenen Break. Die Ansagen zwischen den Stücken sind nach wie vor spärlich. James kommuniziert mit dem Publikum eher mit der gesanglich begleitenden Gestik.  Aber die 100%ige Gegenliebe erfolgt eigentlich erst bei der Zugabe, die aus einem Medley wohl bekannter Töne besteht.
Nun, wie soll ich sagen, das Traum Theater hat sich wieder mal um die eigene Achse gedreht. Es ist auf dem Regenbogen gelandet, hat tatsächlich etwas die Farbe verändert, aber nichts an seiner Perfektion verloren – im Gegenteil.....dem Anspruch wurde wieder mal vollends Genüge getan. ........... Nur die Seele, die ist wieder mal irgendwo auf der Strecke hängen geblieben. – Leicht steril nennt man so was, oder?!.....
http://www.dreamtheater.net/

PS: .....und das Wort ‚perfekt’ kann ich für die nächsten 150 oder mehr Tage nicht mehr hören. -

                                                                           
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