Okay, ich gebs gleich zu Beginn zu, ich habe heute Abend nach reiflicher
Überlegung Marilyn Manson
allein spielen lassen im Zenith und mich statt für Horror Rock
lieber für Fusion in gediegenem Ambiente entschieden. Und ich habs weiß
Gott nicht bereut.
Wisst Ihr eigentlich was hochkarätige Weltklasse Musiker ausmacht? –
Nein?
- Nun man nehme derer Drei, die sich nur bedingt kennen und noch
nie in der Form miteinander gespielt haben. Dann
lässt man sie genau ein Rehearsal machen am Nachmittag mit Musik,
die zwei von ihnen noch nie gehört und gespielt haben, und stellt sie
dann abends auf eine Bühne, um dort den komplizierten Fusion Sound live
um zu setzen. Und siehe da, keine Sau, pardon.... kein Besucher merkt auch
nur die Bohne, dass hier quasi ein hochexplosives Experiment durch geführt
wird, das jederzeit in die Hose gehen könnte. – Ich sage könnte! Denn
das tut es natürlich nicht, und jeder der ca. 200 anwesenden Fans des
gepflegten Fusion Jazz zeigt sich begeistert und vermutet, dank der
erstklassigen Arrangements ein ausgeklügeltes System dahinter. Wenn die
alle nur wüssten.....- tun sie, bzw. ich auch, aber nicht. Und so kommen
wir in den Genuss von gleich drei Hochkarätern des Jazzrocks, die da
oben ein Set hinlegen, dass sich
nicht nur gewaschen sondern auch in so hohe Sphären geschleudert
hat, dass Otto Normalverbraucher zu zweifeln beginnt, ob Musiker unterhalb
dieser Kategorie überhaupt Musiker sind, denn irgendwie erscheint im
Moment einer solchen Darbietung alles andere irgendwie ganz klein und
nichtig.
Ach ja, der Andrang im Nightclub heute Abend ist so riesig, dass ich
geschlagene 20 Minuten warte, um überhaupt rein zu kommen. Das hab' ich
noch nie so erlebt hier.
Kurz und gut - Jazz Police, das sind David Gilmore, -
nein,
nicht der von Pink Floyd, aber er heißt nun mal genauso, und in
Jazzkreisen weiß man sofort, von wem die Rede ist. Denn ihn findet man
auf über 50 Fremdproduktionen vertreten, und seine Mitarbeit erstreckte
sich von
Bozz Scaggs, Isaac Hayes über Wayne Shorter, Bil Evans, bis hin zu
Joan Osbourne, Madonna oder jetzt Joss Stone.
Seit 2001 wandelt er auch auf Solopfaden. Und mit seinen erst 43
Jahren hat Gilmore bereits mehr erreicht als manch anderer. Ich für
meinen Teil sehe und höre selten einen so brillanten Gitarristen wie ihn. Er bestimmt auch den Tenor heute Abend, und die
meisten Stücke, die wir hier zu hören bekommen, stammen aus seiner
Feder.
Zu Will Calhoun muss ich, glaube ich, nicht viel sagen....
Der
Drummer gilt als der komplexeste Schlagzeuger weltweit, er ist das
“grooving heart” der Heavy Metal-Band Living Colour. Er arbeitete mit
Ron Wood von den Rolling Stones, ist Bandmitglied des Rap-Idols Mos Def,
war Musical Director von Harry Belafontes und Herb Alperts Band, tourte
mit der Jazzlegende Pharoah Sanders und arbeitete mit den afrikanischen
Legenden Salif Keita und Sheik Tidiane.
Will arbeitete im Studio u.a. mit Jeff Beck, bildet das elektronische Duo
Headfake zusammen mit dem fantastischen Bassisten Doug Wimbish, der mit
ihm zusammen auch bei Living Colour fungiert. Er leitet seine eigene
Jazzband mit Greg Osby und Jean-Paul Bourelly und tourt mit diversen
Solo-Projekten. Keiner kann so viele Stile kombinieren und so brillant mit
den elektronischen Percussion-Istrumenten hantieren wie Will Calhoun. Für
mich zählt Will eindeutig zu den besten Drummern überhaupt. Und am meisten
imponiert mir, dass sich seine Liebe zur Musik vom harten Rock, über
Worldmusic bis hin zum Fusion erstreckt und einfach alles spielen kann,
und das auch noch einzigartig gut.
Und last but not least hamma da den Dritten im Bunde, und auch der ist
kein Unbekannter im Genre und auf meiner Website.
So
habe ich Victor (kurz Vic) Bailey schon mehrmals gefeatured und werde es
auch immer wieder tun.- Kurz zur Erinnerung: Victor Bailey, die
Bass-Legende, ist auf mehr als 600 Alben zu hören, sei es im JazzRock- oder im Poprock.. Er ersetzte damals Jaco Pastorius in der
Mega-Band Weather Report, war Bandmitglied der Groover Washington Band und
der LL Cool J`s Group sowie der Tourbands von Superstars Madonna und
Sting. Außerdem arbeitet er mit Mike Stern, Bill Evans und Michael
Brecker jeder für sich eine Koriphäe im Genre. Ihn muss ich eigentlich
am meisten bewundern, denn der, inzwischen 47jährige New Yorker (Anm. der
älteste im Bunde hier) ist auch noch schwerstbehindert, dank einer
erblich bedingten
Muskeldystrophie,
auf deutsch – Muskelschwund. Zeitenweise geht er schwer am Stock und
muss auch während eines Auftritts sitzen. Er ist erschreckend dünn und
wirkt fast schon zerbrechlich. Aber das behindert keineswegs sein Talent
und seine Ausdruckskraft am Bass. Manchmal könnte ich weinen vor Rührung,
wenn ich ihn da so sitzen sehe und beobachte, wie er fast schon locker vom
Hocker sein Instrument liebkost. – Ich hab’ den guten Vic inzwischen
schon richtig ins Herz geschlossen, ob das auf seine Person zutrifft, als
auch auf sein immenses Können.
Und damit wären wir wieder am Anfang unseres Reigens. Und es steht fest,
wenn man solche Ausnahmemusiker auf einen Haufen wirft, dann kann
eigentlich fast nichts schief gehen.
Das
Ganze steht übrigens unter dem Motto: „Jimi Hendrix 65ster
Geburtstag“, und einige Gäste scheinen das wohl auch etwas
missverstanden zu haben in Bezug auf die Darbietung, die keinesfalls
Hendrix Melodien enthält. Nur einmal im zweiten Teil des Sets, wird dem
Rockidol von einst Tribut gezollt mit einer instrumental dargebotenen
Version von „Hey Joe“. That’s it! – Ansonsten ist es vor allem,
wie eingangs erwähnt, David Gilmores Fusion Jazz Rock, der eindeutig überwiegt,
und den die anderen Beiden – Will und Vic mit fast schon spielerischer
Leichtigkeit adoptieren. Nach ca.
2x knapp über einer Stunde Spielzeit ist Feierabend hier im Club.
Und weit nach Mitternacht gibt ein eher nachdenklicher Victor Bailey bei
einem Glas Rotwein an der Bar zu bedenken: „das einzige was mir noch
fehlt, ist ein Hit Record, aber....“ fügt er weiters hinzu...
„zumindest geht die Arbeit und die Lust am spielen und am ...... leben
nie aus.... und das ist schließlich die Hauptsache". -
Das ist mit Sicherheit der schönste Spruch des Abends.... und ich
glaub ihm jedes Wort.
PS: ach ja, ein kleines bisschen Manson krieg’ ich dann letztendlich
doch noch ab um halb zwei Uhr morgens. Nämlich als ich durch die Lobby
des Hotels nach draußen gehe....... schnell und unauffällig.... – aber
gut, das tut hier nichts mehr zur Sache....
Einige Aftershow Schnappschüsse gibts noch im Diary
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