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Bei uns in Tirol (meiner alten Heimat) gibt es jedes Jahr, einen Tag vor Nikolaus, am 5.12., einen gar gruseligen Brauch. Vor allem in der ländlichen Gegend schwärmen abends nach dem sogenannten Betläuten die Krampusse aus, um so manchem unbescholtenen  Spaziergänger das Fürchten zu lehren. Krampus ist ein Dialektwort und steht für Teufel oder wiederum im Dialekt - Tuifl. Sie sehen gar schrecklich aus mit ihren grausligen Fratzen, in denen rote oder grüne Augen phosphorisieren. Und lange, meist gebogene Hörner kennzeichnen den Pseudo-Höllenfürst. Mit Ruten und langen Ketten ziehen sie durch die Dörfer und Orte, und wehe dem, der sich ihnen in den Weg stellt. Denn derjenige kriegt dann umgehend, abgesehen vom üblichen Erschrecken, eine gehörige Tracht Prügel ab. Natürlich wird nicht krankenhausreif gedroschen, aber immerhin so, dass es ordentlich weh tut. Beschweren hilft hinterher gar nichts, - denn bei uns heißt es dann so schön: warsch’ nit aussi gangen, hattens di a nit derwuschn. (auf deutsch: wärst du nicht raus gegangen, dann wärst Du auch nicht erwischt worden).  Mehr zu diesem Brauch hier.

Ein typischer Tiroler Krampus oder Tuifl



Und genau an jenen Jahrhunderte alten Brauch erinnert mich heute Abend das Geschehen hier in der Backstage Halle, wo uns einmal mehr die Teufelchen von Gorgoroth, frisch aus der Hölle, äh pardon... – Norwegen importiert,  das Fürchten lernen wollen.

& hier das gorgorothsche Pendant -
eine gewisse Ähnlichkeit lässt sich nicht verleugnen

In etwa 300 schwarze Seelen haben sich fürs Fegefeuer fein gemacht und eingefunden. Wobei gleich noch zu erwähnen ist, dass sich jenes vom vorletztjährigen Flammenzauber in ein paar wenige minimalistische Kerzenflämmchen verdünnisiert hat. Ob jener Umstand nun einer Laune der gorgorothschen Unterwelt obliegt oder einer Folgeleistung auf Anordnung höherer Instanzen entspricht, entzieht sich meiner Kenntnis. Auf alle Fälle ist modisches Black in Black angesagt mit einem Hauch Schwarz in sämtlichen modischen Düster-Schattierungen, ganz dem gediegenen Ambiente entsprechend.
Man hat sich mit allerlei exotisch-geschwungenen Pentagrammen und verkehrten Kruzifixen geschmückt, und hie und da blitzt ein kecker Sensenmann aus der einen oder anderen Bügelfalte. Satans Fanclub hat sich zum fröhlichen Blackmetal Tête à tête eingefunden und zum  blutgeleckten Kaffeekränzchen, - Ketchup sei Dank! Coco Chanel Make up in zartem Kalkweiß unterstreicht zudem die vornehme Blässe, die wiederum mit zartrosa Rouge aufgepeppt ist. – In Satanisten-Kreisen der letzte Schrei, hab’ ich mir sagen lassen.
Die schwarze Messe kann beginnen und wird durch Castus und Pollux eingeleitet, die auch auf die Namen Sycronomica und Tyrant pfeifen. Cerberus hat übrigens kurzfristig sein Erscheinen dank Unpässlichkeit abgesagt. Gemeint ist Enthroned. 

Okidok, und schon hamma mit dem ersten Black Metal Delinquenten einen Heimvorteil, stammen doch jene Sycro... wie??? -  aus Minga hier. Jawohl auch im erzkatholischen Bayern gibt’s eine Szene, wo kein Rosenkranz gebetet wird. Was Sycronomica betrifft, ist der Beichtstuhl  schon seit 11 Jahren ein Fremdwort. Im Gegensatz zu anderen Vertretern dieser Zunft, hören sie allerdings auf die banalen Namen Olli, Florian, Chris, Jo, Michi und Nick, und sonnen sich visuell, im Gegensatz zu den  Chef-Akteuren, in blackmetallischem Heiligenschein. Jener wiederum ist von seiner Majestät auf so ein arges Minimum geschraubt worden, dass ein knipsen ohne Blitz fast schon zum akrobatischem Dreifachsalto evolviert. Zwei bisherige Longplayer werden in ihre Eingeweide auseinander dividiert ‚Paths’ von 2004 und ‚Gate’ von 2006 inklusive ein paar Höllenflüche mehr. - http://www.sycronomica.de/



Die erste Strophe des Satan Unser ist gesprochen, und die zweite folgt sogleich, trägt den Titel ‚Tyrant’ und ist in Schweden zu Hause. Bitte nicht zu verwechseln mit den deutschen, irischen, englischen, australischen und amerikanischen Tyrants, die da die Landkarte bevölkern. Es hat mich eine halbe Ewigkeit gekostet, im Internet die richtige Website auszukundschaften. Aber here we go.http://www.myspace.com/officialtyrant  Das sind garantiert Tyrant Nr. 125 oder 126, aber es sind mit Sicherheit die, die heute abend hier aufgeigen.




Und spätestens jetzt wird mir auch vollends die Tragweite bewusst, was die Überteuerung des flüssigen Goldes namens Bier in Skandinavien angeht. Denn diese Unterweltverfechter scheinen so ausgedürstet zu sein, dass Frontzwerg Mr. Bragman seine Bierbottl während des kompletten Sets nicht mehr aus den Klauen lässt. Wahrscheinlich vor lauter Angst, dass man ihm diese noch mal weg nehmen könnte. Mei, das schmeckt, und unserem Genussspecht da oben,  springt die Glückseligkeit bezüglich des köstlichen Stoffs förmlich aus dem Nasenloch. Da lassen wir doch glatt sämtliche Pentagramme mit den vorhandenen Totenschädel den Hades-Bolero tanzen. Mit ‚The Rebirth’ im schwedischen Tramperrucksack, versuchen  Tyrant in der Zugluft von Gorgoroth ebenfalls ein Stück vom Satansbraten ab zu bekommen. Buchstäblich im höllischen Schweiße ihres Angesichts ackern sich die Mitternachtssonnenanbeter durch ihre Studien okkulter Düsterschwüre. Nur, allzu viel Space ist auch ihnen nicht vergönnt, denn jetzt heißt es flugs die sechs Christbaumkerzlein anzuzünden, damit die dunkle Einöde vom Land Mordor aus dem Herrn der Ringe, stilgerecht Einzug halten kann. Und jene Einöde heißt nun mal Gorgoroth. -

Bei allen unheiligen Zwetschgenkrampussen Tirols und Umgebung, aber jetzt kommt die Konkurrenz angeeiert und streut Orpheus  in der Unterwelt Pfeffer in den Allerwertesten. Dank des perfekten Make ups fällt auch nicht weiter auf, dass sich im Line up der norwegischen Sängerknaben ein bisschen was verändert hat. Denn wegen leichter Meinungsverschiedenheiten haben sich Sänger Gaahl, der im wirklichen Leben auf den Namen Kristian Eivind Espedal hört und Bassist KING (Tom Cato Visnes), im Oktober un-einvernehmlich von Gitarrist Infernus getrennt, um just dann mit den Gastmusikern Teloch (1349), Sykelig und Nick Barker (Testament, Benediction) diesen neuerlichen Höllentrip durch Europa durch zu ziehen. Inzwischen werkelt der abtrünnige Ordensbruder fleißig an der Klage, die Namensrechte für sich zu beanspruchen. Er war es übrigens auch, der vor einigen Jahren für ziemlichen Aufruhr sorgte in Form einer Vergewaltigungs-Anklage. Aber die Kollegen waren auch nicht besser, so verbüßte doch Frontvogel Gaahl eine 4-monatige Haftstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Verbrechen wurden in Medienberichten auch mit der satanischen Einstellung der Bandmitglieder in Verbindung gebracht. Gaahl weist diese Sichtweise jedoch zurück. Glaub ich ihm sogar, aber wie nennt man so was??? – Imagepflege, hab ich recht, oder stimmts. Und Negativschlagzeilen sind schließlich erst recht Werbung. No Business is like Showbusiness. Und genausowenig wie ich glaube, dass die Brüder da oben privat schwarze Messen zelebrieren, so sehr bin ich überzeugt, dass hier im Publikum die wenigstens Burschis überhaupt eine Ahnung besitzen, um was es bei dieser Unterwelt Kultur überhaupt geht. Aber Hauptsache man trägt schwarz und wandelt als lebendige Plakatsäule mit dem Slogan „Gorgoroth“ durchs nicht vorhandene Fegefeuer, ein paar auf den Kopf gestellte Kreuzln inbegriffen.





Inzwischen übt sich Meistro Gaahl in bewegungsintensivem Hochleistungssport, der einzig und allein daraus besteht, den linken und auch mal den rechten, oder beide Arme gleichzeitig auszustrecken, um den anwesenden Schäflein den üblichen Handkuss zu präsentieren. Die Soundstrukturen wettern sich durchs morsche Gebälk, und dank des gehaltvollen Dezibellevels samt starkem norwegischen Akzents, ist das einzige Wort, dass man dem gesanglichen Libretto undeutlich entnehmen kann, immer wieder – Satan....  Satan.... Satan......! Ja ja, jetzt wissen wir’s ja, ist schon gut. Im  posen sind die Kameraden übrigens nahezu perfekt. Sie wissen halt, wie man sich vorteilhaft auf dem Präsentierteller flegelt. Und aus fotografischer Sicht offenbaren sich Gorgoroth als wahre Topmodels, unvorteilhaft im Zombie- und Trauerweiden Look aufgeputzt. Meine Kamera dankt es ihnen. Trotzdem scheinen Teufelchens Adoptiv-Schwiegersöhne heute nicht wirklich in Stimmung zu sein, denn schon nach nur 60 Minuten ist Zapfenstreich beim schichtln, und es gibt auch keinen zusätzlichen satanischen Vers oder Teufelsgruß. – Na ja, ganz unter uns, und zugegebenermaßen bin ich nicht wirklich unglücklich ob dieses Umstandes. Aber trotz dieser nur bedingt erträglichen, akustischen Performance, kann  man Freddy Krügers Schachfiguren einen gewissen Unterhaltungswert nicht absprechen. – Lieber Gott, was haben wir gelacht.....  Krampus und Co. lassen grüßen ob aus Tirol oder Norwegen und das in alle Ewigkeit Amen……www.theforcegorgoroth.org