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Coco Chanel, Galliano und Vivian Westwood bitten wieder mal zur Haute Couture par exellance’ und zur musikalischen Fashion Show in unserer bayrischen Landeshauptstadt mit viel Hairspray, Lipstick und Permanent Make-up.
Na ja, ob es sich bei der fantasievollen Portapre  des Schweden Glamrock Exportes tatsächlich um Chanel & Co handelt, bezweifle ich mal, aber zugegeben, es hat immer noch was, dieser Rock’n’Roll Glitzertouch längst vergangener Tage, den man hiermit, quasi als De ja' vu  wieder aufzuleben versucht.


Fashion Design ala' Sweden Sleaze

Was ziemlich offensichtlich ist heute Abend, ist der Umstand, dass die meisten der anwesenden Posthum Sleazerock Fans eher wegen dem Supportact ‚Crash Diet’ gekommen sind, als wegen dem Headliner Hardcore Superstar, die hiermit zum 4ten Mal in München einfallen. Erstere hingegen feiern ihr Debüt vor Ort, und das gar nicht mal so unbedarft. Schwer einzuschätzen wie viele Schäflein man heute hier in diese Lokalität rein gepresst hat, aber ich gehe mal von ca. 300 aus, ein paar zerquetschte mehr oder weniger.
Ich frage mich immer, warum sich gerade in Schweden so eine neue Szene an Sleazerock entwickelt hat vor ein paar Jahren, und was der ausschlaggebende Kick war. Eine Szene, wüsste man es nicht besser, die gut und gerne frisch aus L.A. importiert sein könnte.
Punkt halb 10 Uhr besteigen Crash Diet den Catwalk vom 59:1, um uns das allererste Mal ihren individuellen Stil in Sachen Trenddesign, Kriegsbemalung und natürlich Musik zu präsentieren. Und augenblicklich fühle ich mich persönlich zurück versetzt ins Jahr 1984, als ich Mötley Crüe das erste Mal live (in Europe) und beim Monsters Of Rock Festival in Nürnberg mit riesigen erstaunten Augen bestaunt habe. Denn so was hatte es in der Form bis dato noch nicht gegeben, sieht man mal von den Urvätern T-Rex und Gary Glitter ab, die Anfang der 70er diese Stilrichtung kreiert hatten, allerdings in deutlich harmloserer Form.
Der Glamrock erreichte Mitte der Achtziger einen Höhepunkt mit Bands wie Cinderella, Slaughter oder Britny Fox, um nur einige zu nennen. Mit Nirvana zu Beginn der 90er war dann abrupt wieder Schluss. Lange Zeit war es sehr still um all diese Akteure, die sich z.T. zwar nie aufgelöst hatten, aber doch, wie sagt man so schön, eine künstlerische Pause einlegten, um nicht wie ein paar wenige, im Nirgendwo herum zu vegetieren. – Bis dann, - wie vorhin gesagt, diese neue Bewegung aus unseren Nachbarländern in Skandinavien über uns herein brach. Dazu gehörten Bands wie die Hellacopters, Backyard Babies oder eben unsere beiden Paradiesvögel hier – Crash Diet und Hardcore Superstar, deren Mitglieder den 30. Geburtstag noch nicht überschritten haben.

Aber auch hier ist nicht alles Gold was glänzt, haben doch gerade Crash Diet in ihrer jungen Karriere gleich einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen müssen, als sich ihr Sänger und Aushängeschild  Dave Lepard  das Leben nahm.   Die anschließende Ratlosigkeit verschwand erst mit dem Erscheinen von Oliver Twisted, der nunmehr versucht, seinen dahin geschiedenen Vorgänger würdevoll und ebenbürtig zu ersetzen. Tut er auch! Er sieht sehr gut aus und kommt besonders bei der holden Weiblichkeit vorzüglich an. Er hat Charisma, und er bewegt sich fast so explosiv wie David Lee Roth zu seinen besten Tagen. Die Querstange der Beleuchtungsanlage wird zum Turngerät umfunktioniert und hält Gott sei Dank das Federgewicht der männlichen Callas stand. 

Musikalisch schöpfen Crash Diet aus dem Fundus ihrer beiden bisher erschienenen Alben ‚Rest In Sleaze’ (2005)  und ‚Unattractive Revolution’, das gerade mal vor sechs Wochen erschienen ist.  Die Glitzerrevue findet nach 40 Minuten ein jähes Ende ohne Zugabe. Aber der Eindruck, den die vier Pseudo-Male-Models hinterlassen haben, ist beileibe  nicht der Schlechteste.

 http://www.crashdiet.org/


Hardcore Superstar hingegen gehen ihre Sache wiederum wesentlich routinierter an. 

Man merkt sofort, dass die Professionalität weitaus längere Wurzeln nach hinten hat, wie ihre Landsleute vom Support. So gesehen sind die Headliner schon richtig alte Hasen im Geschäft. In der Tat erlebe ich selten eine  körperlich so aktive Rockband wie diese hier, besonders was Frontvogel Jocke angeht. Speedy Gonzales degradiert zur Weinbergschnecke, verglichen mit seinem Teufelsritt durchs Death Valley. Denn genauso fühlt es sich Temperatur mäßig in unserem Wohnzimmer  mittlerweile an . Unser Speedy hier bewegt sich so dermaßen schnell und ohne eine Sekunde Pause, dass ich mich ehrlich schwer tue, ihn visuell mit meiner Linse festzuhalten. Gott gütiger, der Hornissenschwarm in seinem Hintern hat zur Revolution gegen den Adrenalinschub ausgerufen. Und die Jeans rutschen noch 5 Zentimeter tiefer... ja ... ja.... jetzt!!! – doch nicht... 


Irgendwas scheint das vermaledeite Beinkleid, wie mit unsichtbarer Hand oben zu halten. Schade! Andererseits, wie sagt man so schön, der Reiz liegt immer in der Erwartung und der geistigen Vorstellung und weniger in den blanken Tatsachen. Okay, das hier jetzt aus weiblicher Perspektive gesehen.

Hardcore Superstars Musik und Performance sind wieder mal klasse. Und ich wünschte, diese Band bekäme etwas mehr Aufmerksamkeit. Sie wirken mit ihrer Aufmachung und Musik weder antik noch von vorgestern, sondern sie lassen mit ihrer Gangart so manchen anderen Hardrocker ganz schön alt und müde aussehen. Hier passt einfach alles. Die Musik, der Tenor und die dazugehörige Bewegung, ob der ein Hochleistungsathlet neidisch werden könnte.  Zum Schluss singt Jocke noch mal ein Ständchen im Duett mit Chrash Diets Neuling Olli. – Ein gekonnter Schachzug, der exzellent rüber kommt beim Publikum.
Und was den Glam, Sleaze oder weiß der Geier was für Rock’n’Roll Make up betrifft, pfeif drauf, Coco Chanel ist auch genauso gut wie Yves Saint Laurent..... -  Es ist nur eine Frage der Präsentation und Promotion....  Und zumindest die erstere ist einfach genial.....
http://www.hardcoresuperstar.com/


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