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Ich glaube, so oft wie ich diese Band im Laufe der letzten 25 Jahre live on stage gesehen habe, müsste ich eigentlich einen Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde bekommen. -
Und warum ich sie mir heute zum 25sten,- oder 29sten Mal anschaue, ist damit begründet, dass es wahrscheinlich das letzte Mal ist. Ich sage deshalb wahrscheinlich und nicht sicher, weil so ein Abschied eines Bandmitgliedes nicht der erste wäre, der nach einem oder zwei Jahren, oder sogar früher, wieder reumütig revidiert wird. Und dann kehrt der verlorene Sohn wieder zurück in den Schoß seiner Lieben und feiert mit Pomp und Blimborium die Wiederaufstehung. – Alles schon da gewesen, hab ich recht, oder stimmts?
Aber erst mal  feiern wir den Abschied, und sorgen dafür, dass die Hallen auf dieser Deutschland Tour voll sind. Denn jeder Saga Fan will doch noch einmal seine Band mit ihrem langjährigen Original-Sänger live gesehen haben. Die Rechnung geht selbstredend auf. -  Überhaupt aber, und seien wir mal ganz ehrlich, - Saga hatten in den letzten Jahren ohnehin nur noch in Germany die gewünschte Resonanz. In ihrer Heimat Kanada hingegen kräht seit zwei Dekaden kein müder Kakadu mehr nach ihnen. Woran das liegt, ist nicht wirklich zu erklären, sei es falsche Promotion oder einfach nur Nichtakzeptanz. – Hauptsache hier bei uns hat man ihnen die Treue bewahrt, und das, meine Herrschaften, nützen die Gentlemen seit langem bis zum abtauchen zur Titanic aus – zugegeben, mit Erfolg. Der Grund, warum ausgerechnet jetzt Mr.Sadler den Hut zieht, ist nicht so ganz nachvollziehbar. Denn so müde wirkt der Mann mit der selbstzufriedenen Arroganz gar nicht. Aber wie schon gemutmaßt, vielleicht ist ja alles nur ein großer Promotiongag, um nach einiger Zeit erneut den Triumphzug der Aida, pardon von Saga, zu zelebrieren.
Okay, and there we are... hier in München, der letzten Station auf dieser Abschiedstour, der zweiten Heimatstadt von Saga, wie sie immer wieder selbst betont haben, und der, - eventuell allerletzten Show in diesem Line up überhaupt. Klar, dass die in München stattfinden muss.


Support kommt von The Urge, über die ich schon einmal in meiner Hooters Live Review im September berichtet habe, wo sie die Iren bereits supported hatten.

Eine Band namens The Urge gab es schon einmal in den 60er Jahren, hat aber, lt. Gitarrist John Miles jr. mit seiner jetzigen Formation, gleichen Namens nichts gemeinsam, außer dem Umstand, dass jene Truppe damals, die seines Vaters John Miles war. Aber das ist auch die einzige Gemeinsamkeit. Musikalisch praktizieren The Urge 2007, deren Musiker keiner über 30 ist, - groovigen  Siebziger Jahre Rocksound im Stil des neuen Jahrtausends. Neben John Miles jr. wären da noch Johnny Boyle an den Leadvocals, Simon Ferry am Schlagzeug und Neil Harland zupft den Bass. Mit ‚Lunch At The Lady Garden’ haben sie gerade mal ihr erstes Album am Start. Es wahrlich gelungenes Teil, und als alter Rock’n’Roll Fan keimt beim anhören dieser Band die leise Hoffnung auf, dass doch noch nicht Hopfen und Malz verloren ist, was das Erbe dieser Musikrichtung betrifft. Leider Gottes aber werden Bands wie The Urge oder auch The Answer von den Medien gerne übersehen, und deshalb ist es ein harter Kampf für diese Vertreter im Business zu überleben. Und John Miles jr. bestätigt einmal mehr, dass ihm der große Name seines Vaters absolut nicht zum notwendigen Echo verhilft. Will er auch gar nicht, meint er weiters. Entweder selber etwas auf die Beine kriegen, oder gleich ganz lassen.



Aber zurück zum momentanen Geschehen hier in der ausverkauften Muffathalle in München, dem Venue wo Saga schon immer auftraten, wenn sie in der Stadt spielten. Ausverkauft bedeutet in etwa soviel wie 1.500 Saga Fans, die heute zum letzten Mal ihren Michael Sadler singen hören wollen. Und obwohl die Stilistik von The Urge so gar nichts mit dem komplizierten Artrock des Headliners zu tun  hat, kommen die Youngsters verdammt gut an beim Publikum. Hätte ich ehrlich gestanden nicht gedacht. Aber vergönnen tue ich es ihnen von Herzen, denn sie haben es verdient. Und vielleicht bringt ihnen dieser Supportjob doch noch ein wenig mehr Resonanz für die Zukunft, damit wir The Urge irgendwann auch mal solo, in einem Club mit ausgiebigerem und längerem Set zu sehen bekommen.


That’s it so far..... http://www.theurge-rock.com/

…..und Mr. Sadler betritt selbstherrlich die Bretter und lässt sich von der Menge minutenlang bejubeln. Er setzt sein typisches süffisantes Lächeln auf, ein Lächeln, das die Augenwinkel nie erreicht. Und dann, nachdem der Rest des Clan in Erscheinung getreten ist, wird wieder einmal zum typischen  Bombast Concerto ala’ Saga geblasen. Und so gut wie diese Musiker musikalisch auch sein mögen, es gibt eine Sache, die mich an ihnen schon von je her gestört hat. Und zwar ist das der Umstand, dass ein Saga Konzert so 150% perfekt performt ist, dass es von der CD Aufnahme nicht mal um eine einzige Note abweicht. Man schließt die Augen, und man weiß nicht mehr sicher, ist das jetzt live oder von Platte, was man da gerade hört, nimmt man mal die Geräusche des Publikums weg. – Steril nennt man so was im allgemeinen, und so was läuft mitunter Gefahr, dass sich ab und zu  eine Art Langeweile spürbar macht .
Aber abgesehen davon gibt es bei Saga, rein von der Darbietung her, auch nicht die kleinste Kleinigkeit zu bekritteln. Alles ist eben perfekt, sogar das Licht. Für Fotografen ein wahres Schlaraffenland, mit dem man nur selten bei Live Events verwöhnt wird.



Saga rattern letztmalig ihre Greatest Hits Perlen  runter (siehe Setliste) und zwischendurch lässt sich der Scheidende immer wieder auf Händen tragen – symbolisch gesehen natürlich..... Er krönt sich selbst und wischt sich dabei verstohlen, aber doch offensichtlich gewollt, ein Tränchen aus den Augen, was seine Wirkung beim Publikum nicht verfehlt. Die Euphorie kennt keine Grenzen für eine Band, die eigentlich nicht mehr vorgestellt werden muss, bis auf den neuen Drummer Brian Doerner. Und der wird denn auch gleich als der 148ste oder 147ste Schlagzeuger der Band introduced. Na ja, man kanns auch übertreiben. Genau definiert, ist Doerner gerade mal der dritte Schlagzeuger in 30 Jahren Saga. Und das ist beileibe jetzt nicht der Verschleiß des Jahrhunderts. Aber egal, es weiß ja ohnehin noch keiner wie’s weiter gehen soll, bis vielleicht auf die Crichton Brüder, die letztendlich alle Zügel in der Hand  halten.
Das Grand Finale wird fast schon kitschig abgefeiert, mit etlichen Blumensträußen, und Händeschütteln. Sogar die hochschwangere Mrs. Sadler betritt die Bühne um sich dort von ihrem Star-Gatten den Bauch küssen zu lassen. – Sternspritzer unterstreichen das Ambiente und unzählige, hochgehaltene weiße Zettel, auf denen steht: bye bye Michael..... Jene Utensilien bekamen die Besucher dieses Abends beim Eintritt freundlicherweise in die Hand gedrückt mit der nichtausgesprochenen Aufforderung, diese auch tunlichst zu benutzen. Klar doch, denn diese allerletzte Theatervorstellung wird mitgefilmt für die Nachwelt, und da sollte alles perfekt sein. Na ja, so wie bei Saga immer alles perfekt sitzt.


Ein wahrlich grandioser Abschied, eines Mannes, der in den letzten 30 Jahren mitgeholfen hatte, Saga zu dem zu machen was sie waren bzw. sind, nämlich eine brillante Rockband, die aber, wie ich schon gesagt habe, nur noch hier bei uns einigermaßen vom Erfolg gekrönt war.
Wie’s weiter geht?
Who knows? Saga ohne Michael Sadler....- schwer vorstellbar. Aber gut, lassen wir uns überraschen. Vielleicht gibt’s ja in unabsehbarer Zeit irgendwann die große Reunion, und das dann wieder mit viel Pomp und ausverkauften Hallen. Die Strategie ist jedenfalls nicht neu und vor allem auch nicht schlecht.... – siehe ‚The Who’, ‚The Police’, ‚Genesis wieder mit Phil Collins’ oder jetzt ‚Led Zeppelin’., nur das jene soeben genannten, noch eine Ebene höher stehen......
So sage ich hiermit nicht Good Bye, sondern ganz einfach mal: - bis zum nächsten Mal – irgendwann wieder....... ob mit neuem, oder altem Frontmann, whatsoever,,,,
http://sagaontour.moonfruit.com/


PS:

The Urge, - die Hoffnungsträger zum Erhalt von Rock'n'Roll

Einen kurzen Kaffeeklatsch mit Jon Miles jun. findet man in der
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