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Eines sei sofort vorneweg gesagt. Focus-Musik ist schwieriger Stoff. Ein Focus Song dauert nie unter 7-8 Minuten, und ein Konzert nie unter 2 ½ Stunden. Und nein, Jan Akkerman ist seit Mitte der 80er Jahre nicht mehr mit von der Partie. Aus dem ganz einfachem Grund, weil er keinen Bock mehr auf die Band hatte. Aber Gründer dieser Gang anno 1969, war ohnehin ein anderer, nämlich Thijes van Leer. Und der sitzt mit seinen 60 Jahren immer noch putzmunter hinterm Keyboard. Und das jodeln hat er auch noch spitzenmäßig drauf. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass noch ein anderes Original Mitglied nach wie vor im wahrsten Sinn des Wortes die Felle drischt, nämlich Pierre van der Linden, inzwischen ganze 62 Jahre jung. Der Rest von Focus 2008 besteht aus Niels van der Steenhoven an der Gitarre. Er ist übrigens auch der Stiefsohn von Van Leer und mit seinen gerade mal 28 Lenzen ein Gitarren-Wunderkind, wie man so schön zu sagen pflegt. Last but not least  am Bass noch Bobby Jacobs. -

Aber um noch einmal zurück zu blicken in die Vergangenheit, sei im Stenostil  kurz erwähnt, dass die holländische Band vor allem in der ersten Hälfte der 70er Jahre ihre größten Erfolge erzielte mit Songs wie Sylvia, FocusI, Tommy oder dem Mega Hit Hocus Pocus.

1976 verließ Akkerman die Band und Van Leer machte allein weiter unter dem Pseudonym Focus. Erst 1985 taten sich die Zwei noch mal für eine Scheibe zusammen und spielten auch in der Folgezeit  ein paar Mal miteinander, bis dann Anfang der 90er endgültig Schluss war mit der Kooperation und auch Focus. Es dauerte über 10 Jahre bis Thijs van Leer 2002 erneut ein Line up names Focus auf die Beine stellte. Mit dabei, wie oben bereits erwähnt, auch Pierre van der Linden, der von der zweiten Focus Scheibe 1971 weg, in der Band war. Die Musik dieser sogenannten Artrock Band lässt sich schwer beschreiben.Sie ist voll von Zitaten und Versatzstücken, Bearbeitungen klassischer Komponisten wie Bartok, Haydn, Brahms. Man findet Anspielungen auf gregorianische Gesänge, Volksmusik, Barockmusik bis hin zum Funk oder fernöstlicher Musik.
Obwohl die Musiker in damaligen Interviews ihre Stücke oft als Späße oder banale Einfälle darstellten, wird deutlich, dass sich die Musik sowohl hinsichtlich Virtuosität (z.B. wurde 1973 Jan Akkerman vom Melody Maker als weltbester Gitarrist gekürt) wie auch kompositorisch auf sehr hohem Niveau abspielte.

Und das tut es immer noch, stelle ich und ca. 250 andere Leute heute Abend fest.

Die Show beginnt pünktlich um 20.30 Uhr ohne Supportact und hört fast ebenso pünktlich um 23.30 Uhr wieder auf. Aber Focus verstehen es, diese 3 Stunden äußerst abwechslungsreich zu gestalten, inklusive all der bereits erwähnten Greatest Hits und auch so einiges an neuem Material aus dem aktuellen Album ‚Focus 9 new skin’, das im vergangenen Jahr erschien. (Anm. 2006 gab es bereits ‚Focus 8’). Übrigens für alle unter Euch, denen der Name Focus nur vom hören ein Begriff ist, dem sei gesagt, - ich gehe jede Wette ein, wenn Ihr die Melodie von Hocus Pocus, Tommy, King Of House oder Sylvia hört, dann sagt Ihr: ach ja, das kenn’ ich doch!  Klar doch, diese Songs waren Weltklassiker und gehören fast schon zur Allgemeinbildung des klassischen Rockfans. –  Thijs van Leer schwingt unsichtbar den Taktstock da oben, bzw. handled wie immer die Orgel, Querflöte, und den spärlichen Gesang, der noch nie eine Rolle bei Focus gespielt hat.

                                                                                                              klicken und Sample zu Hocus Pocus anhören.

Und Stiefsohn Niels van der Steenhoven, der mir hinterher geflüstert hat, dass er erst sein halbes Leben lang Gitarre spielt (also 14 Lenze) steht ohne Übertreibung eine Stufe über dem Naturtalent.  Man spürt die klassische Ausbildung fast zum greifen. Und zwischen all den 10- 15 Minütern, platziert man selbstredend noch ein ausgedehntes Solo für Pierre van der Linden am Schlagzeug. Ich brauche wohl nicht erwähnen, dass auch dieses nur oberstes Niveau statuiert.

Fakt ist, - dass das hier ein geschliffener Diamant ist, der viel zu lange in der Schublade verstaubt ist, und nunmehr versucht, seinen Brillantschliff wieder aufzupolieren. Man kann nur hoffen, dass der Glanz von damals noch ein paar Lichtschimmer hinterher schickt. Zu befürchten ist allerdings, dass diese schwierige Materie nur noch von einstigen Fans der Band und wirklichen Kennern verstanden wird. Denn wenn Focus als eines nicht zu bezeichnen sind, dann ist das – easy listening. Und die meisten unter uns sind damit schlichtweg überfordert. Und kein Sprichwort passt abschließend besser als: Operation gelungen, Patient scheintot. -  Schade, denn das hier war und ist allererste Sahne und vor allem gnadenlos - und zeitlos gut.
http://www.focustheband.com/

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