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Heute Abend bin ich zu mindestens drei Erkenntnissen gekommen. Zum einen, dass sich eine Lungenentzündung on Stage in voller Action mit einem Schluck Bier anscheinend exzellent runter spülen lässt. Zum anderen, dass das allgemeine Rauchverbot seit Anfang des Jahres in Konzertvenues, eine regelrechte Wohltat ist. Und zum Dritten, gibt's die Antwort auf die Preisfrage: was haben Holy Moses mit Reggae Musik gemeinsam?
Ach ja, und bevor ich’s vergesse. Ich muss mich auch schon wieder entschuldigen für mein, fast schon, notorisches Zu-Spät Kommen. Denn dadurch ist mir Strophe Eins der Heavy Metal Orgie, namens Avatar durchs Abendgebet geschlüpft. Zu meinem Excuse kann ich lediglich die auf der Website des Venues, angegebene Beginnzeit nennen, die, wie ich dann festgestellt habe, um einiges vom tatsächlichen Take off abwich. Also kann ich im Endeffekt nicht mal etwas dafür –  und ich wasche meine Hände wiederum in Unschuld, wie damals Pontius Pilatus – Amen!
Traurig ist allerdings wieder mal das, doch etwas dürftige Interesse von Seiten der Thrash-Death – oder weiß der Geier was – Gesellschaft. Ich meine, wenn zu Slayer und Konsorten, oder wie erst kurz vor Weihnachten zu Machine Head, mehr als 3.000 Headbanger den Weg ins Münchner Fegefeuer finden, dann kann mir nicht ein einziger Klabautermann verzapfen, dass für diese Musikrichtung keine Klientee mehr vorhanden sei. Okay, okay, Obituary und Holy Moses genießen jetzt  nicht unbedingt den Status von vorhin Genannten, aber als unbeschriebene Blätter kann man diese zwei Verfechter lieblicher D - & C-Dur Kunst auch nicht unbedingt bezeichnen. Das miese Wetter, das Rauchverbot, ein Abend worauf ein Werkstag folgt, -  alles Gründe, aber keine Entschuldigung. Nun, die eigentliche Ursache des Besucherdefizits werden wir hier an dieser Stelle wohl nicht mehr eruieren und ich will auch keineswegs noch mehr Zeit damit verschwenden. Fakt ist, dass sich schätzungsweise in etwa 350 verlorene Seelen zum Schwermetal Libretto versammelt haben, vor allem männliche, versteht sich.

Holy Moses, holy Moses ertönt es aus den Boxen, wieder und immer wieder, quasi zur Einstimmung auf das pseudo-sexy Tete’a’Tete mit gleichnamiger Band, bzw. deren, lt.eigener Aussage Lungenentzündungs-gepeinigten weiblichen Aushängeschild.                                                                                    
Zugegeben das Intro hier hat was.... und es kündigt die Truppe namentlich, und das in Überlänge an. Allerdings weniger in Sachen Stilistik denn die geht eher in die  Rasta-Reggae Ecke.. Eieiei, - hätte es damals nicht schon Lee ‚Scratch’ Perry’ gegeben, wer weiß, - ob Holy Moses heute Holy Moses heißen würden. Jener Dub-Reggae-Techno Star hatte nämlich mit dem Song Holy Moses anno 1984 einen Hit. Das Ganze stammt übrigens von seinem Album
Mystic Miracle Star’. (Anm.: dies sei nur für die musikalische Allgemeinbildung hinzu gefügt.:-)))
                                                                                                                  

                                                         
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Unsere Holy Moses gibt’s auch schon so lange, nein, um genau zu sein, sogar noch ganze 4 Jahre länger. Wobei Frontnachtigall Sabina Classen erst ein Jahr nach der Gründung hinzu stieß mit grade mal 17 Jahren.. – Und alle Achtung Mädel, - hast Dich seitdem gut gehalten für Dein, inzwischen,doch nicht mehr ganz so jugendliches Alter. Aber keine Angst, ich bin Dir immer noch ein Stück voraus an Jährchen.- Also darf ich das auch sagen.  Und letztendlich ist man immer so alt, bzw. jung, wie man sich fühlt.
Sabina scheint sich allerdings am heutigen Abend etwas zwiespältig zu fühlen und bringt jenes zum Ausdruck, indem sie sich mindestens 4x bei einem gewissen Manni bedankt, der ihr anscheinend zu einem bayrischen Medizinmann verholfen hat, der bei ihr wahre Wunder vollbracht hat. Denn mit einer ausgekochten Lungenentzündung hier noch eine Prügelorgie abzuziehen, das hat anno dazumal nicht mal Rasputin geschafft. Und der hat immerhin neun Mordanschläge überlebt.
                                                                                                        

Aber unsere Sabina ist da beinhart und zieht ihre Koloratur  durch, wie einst Mozarts Königin der Nacht. Na ja, - so ähnlich! Aber immerhin macht sie eine Ansage zwischendurch, die ich ihr sofort aufs Wort glaube. Zitat: „ich huste ja fast schon so gut, wie ich singe“. – Bingo! Und ein Schluck Bier aus der Flasche unterstreicht das Non Plus Ultra, oder besser gesagt, - die Imagepflege.


Bier


oder doch lieber Wasser.
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Wie auch immer, ich denke mal, die Musik, und vor allem auch der Gesang von Holy Moses und Sabina Classen ist mehr oder weniger eine Geschmackssache. Und diejenigen, die sich heute Abend hier befinden, gehören eindeutig zu den Befürwortern dieser Tonleiter Akrobatik. Die Callas lässt grüßen. Aber ich für meinen persönlichen Teil, bleibe lieber bei Lee ‚Scratch’ Perry.
Last but not least, muss man Holy Moses eines lassen. Einen gewissen Unterhaltungswert kann man ihnen keinesfalls absprechen, ob mit oder ohne Lungenentzündung. Abgesehen davon – Gute Besserung und ein Hoch auf die Münchner Ärzteschaft.
    

http://www.holymoses.de/ 

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Obituary, frisch aus Florida importiert, haben so einiges mitgebracht, aber mit Sicherheit nicht den warmen Sonnenschein der amerikanischen Südstaaten. Für jenen würd’ ich jetzt wirklich was geben, inmitten unseres Münchner Schmuddelwetters. Dafür gibt’s Haare ohne Ende. Letzteres fällt als erstes ins Auge, wenn unser floridianischer Nachruf den Altar besteigt. Und das englische Wort Obituary bedeutet ja nichts anderes als eben Nachruf oder auch Todesanzeige. Allerdings sind die Namensträger hier alles andere als scheintot sondern vielmehr  quicklebendig und strotzen nur so vor Tatendrang. Und den kriegen wir auch umgehend mit aller Macht akustisch zu spüren. Mein lieber Herr Gesangsverein, da wachen die sterblichen Überreste von Opa Heinrich wieder auf. Und der zieht dann seinerseits die Todesanzeige umgehend wieder zurück. – Schmarrn!..... Aber die Brüder sollten ernsthaft überlegen, sich ein zweites Standbein als Werbe-Models für Haarshampoo und Perlhirse Kapseln zurecht zu zimmern. Ich bin sicher, sie hätten Erfolg damit.

Anyway, Obituary wurden 1984 geboren, trennten sich 1997 und fand 2003 wieder zusammen. Das Comeback verlief zudem hier in Germany recht erfolgreich, stieg doch das Album „Frozen in Time“ von 2005, in die Top 100 der deutschen Album-Charts ein. Im vergangenen Jahr erschien dann noch das bis dato letzte Teil namens ‚Xecutioner's Return’. Das Line up: John Tardy mit den Megahaaren am Gesangsmikro, Donald Tardy ohne Haare, aber dafür mit Baseball Hat am Schlagzeug, Frank Watkins am Bass, Trevor Peres zupft die eine Gitarre, während Ralph Santolla die andere bedient. Dies allerdings nur zwischenzeitlich, sitzt doch Original Klampfer Allen West z.Zt. noch hinter schwedischen Gardinen, weil er angeblich gegen irgendwelche Bewährungsauflagen verstoßen hatte. Selber schuld, aber ist ja auch egal jetzt. Denn es ändert nichts an den gegenwärtigen Gegebenheiten und tut denen vor allem keinen Abbruch.

Trotzdem hat der Headliner keinen einfachen Stand, da er nicht mit so kleinen Spezial-Einlagen aufwarten kann, wie es vor ihm Holy Moses bewusst und unbewusst getan hatten. Eine weibliches Flagschiff ist ansich schon eine Besonderheit in diesem Genre. Aber auch die Art und Weise der Unterhaltung können Obituary mitnichten so abwechslungsreich umsetzen, wie die Vorgänger. Mir fehlt hier etwas der Entertainment Aspekt, und es wird lediglich  stur und straight through the eyes der Backstage (Club) Teppich geklopft, so dass Aladins Wunderlampe  mit 10facher Schallgeschwindigkeit explodiert. Der Derwischtanz hat eben erst begonnen, und wehe, es verirrt sich ein Ungläubiger ins Auge des Taifuns. Dann Gnade ihm Allah und all seinen Trittbrettfahrern death-metallischem Kulturguts. Ich ziehe es jedenfalls vor, meine üblichen fotografischen Impressionen außerhalb der Schusslinie einzufangen, denn meinen eigenen Nachruf hab' ich noch ein wenig auf Distanz geschoben. 
So wohl denn,…. das thrash-symphonische Kammerkonzert im stilvollen Ambiente, findet mittels einem erfolgreichen Finale im Olympia-reifen Stage Diving ein, für fast alle Besucher, zufriedenstellendes Ende. Und das absolut dunstfrei!

http://www.obituary.cc/