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Frage: was macht man, wenn zwei Konzerte der gleichen Stilistik an einem Abend in zwei gegenüberliegenden Venues des selben Veranstalters stattfinden? Eine Situation ,wo viele Fans sich nicht mehr entscheiden können, welche von beiden Messen, also entweder Agnostic Front oder Exodus sie besuchen sollen.
Ganz einfach, man legt die beiden  Events zusammen und macht daraus ein großes Konzert Dieses wurde kurzfristig, aber mit effektivem Nachhall entschieden. Demzufolge ist die Backstage Halle 'sehr' gut gefüllt, und der Reigen beginnt für mich mit den beiden  Agnostic Front Supportbands
Do Or Die und die Hoods.
Leider entzieht es sich meiner Kenntnis ob davor schon
Evile gespielt hatten, die eigentliche Supportband für Exodus. 
Gerappter Hardcore Metal mit punkigen Einflüssen ist hier angesagt. Und das Moshpit tobt bereits bei diesen Vertretern des Genres wie die Ausläufer von Hurricane Katrina. Fotograben gibt’s keinen. Also heißt es einmal mehr, äußerst seitlich platziert, sein möglichstes zu versuchen, die Szenerie irgendwie mit der Linse festzuhalten. – Zugegeben, diese Musik muss man wirklich mögen, um daraus etwas gewinnen zu können. Aber am meisten amüsiert mich immer, dass bei jenen aggressiv-hinaus gebrüllten Laudationes so gut wie kein Wort verständlich ist. Die Fans stört das allerdings wenig. Es ist die Gangart und der Antrieb, der von der Bühne und aus den eigenen Reihen kommt, und der sich wie Starkstrom weiter leitet. Da fliegen die Becher und auch so mancher Body durch den Fleischwolf faschiert. Aber egal, Hauptsache die Partystimmung wird dem Image gerecht. Ich selbst kann jenen Supportacts nicht so viel abgewinnen und will mich deshalb auch einer ausführlicheren Kritik entsagen. Denn ansonsten kann ich keine Objektivität gewährleisten. -

Agnostic Front betreten als vorletzte das Geschehen, und so mancher hier freut sich, für ein und denselben Eintrittspreis zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können. Die Truppe wurde bereits 1982 gegründet und besteht heute nach wie vor aus dem Kubaner Roger Miret am Gesangsmikro.  Des weiteren dabei -  Vinnie Stigma (Gitarre), Mike Gallo (Bass), Steve Gallo (Schlagzeug) und statt  Lenny Di Sclafani  zupft seit 2005 Joseph Porfido die Leadgitarre.  Musikalisch vereinen Agnostic Front Hardcore mit Punk zu einer außergewöhnlichen Mischung. Das ist kein – Hau drauf und los Geprügel. Sondern in der Musik ist eine deutliche Songstruktur und Individualität erkennbar. Miret hat einmal gemeint: "Für mich ist Hardcore Punk eine Bewegung und nicht zwei unterschiedliche Musikstile". In einem Stück besingt er sich sogar selbst als ‚Godfather Of Hardcore’. Und irgendwie nimmt man ihm das auch noch umgehend ab. Abgesehen davon wirken die fünf Musiker wie wandelnde Plakatsäulen, dank der zahlreichen Tattoos, die sämtliche Gliedmaße, die nicht von Stoff bedeckt sind, schmücken. Kein Wunder, besitzt doch Gitarrist Vinnie Stigma ein Tattoo Studio in New York.

Vor allem aber sind Agnostic Front in Europa unterwegs, um die aktuelle Scheibe ‚Warrior’ zu promoten. Und das tun sie auch tatkräftig, intensiv und mit sehr viel Power. Ich muss gestehen, ich bin positiv überrascht. Hier wird, wie ich schon zuerst erklärt habe, nicht nur rein gebrettert, sondern es zieht sich ein sehr rhythmischer melodischer Leitfaden durch die Stücke. Yep, das gefällt mir.- Und nicht  nur mir, denn die Meute ist inzwischen so außer Rand und Band, dass jeder vernünftige Otto Normalverbraucher das Moshpit in der Mitte in weitem Bogen meidet. Den einzigen Nachteil, den Agnostic Front durch die Zusammenführung der beiden Konzerte genießt, ist die Tatsache, dass ihnen somit kein normal-langes Headlinerset gegönnt ist. Aber das ist eher eine zeitliche Frage.-
http://www.agnosticfront.com/


Exodus hingegen sind die ungekrönten Kings des Thrashmetals und auch dieses Abends. Und ein junger Mann neben mir meint ganz aufgeregt, dass er heute zum ersten Mal den lieben Gott, besser gesagt, Gary Hold live erlebe. Tja, eigentlich nicht weiter verwunderlich, war doch dieser Fan noch nicht mal geboren, als Exodus in den Startlöchern standen 1982. Aus jener Zeit sind nur noch Tom Hunting am Schlagzeug und eben jener Gary Hold (git) übrig geblieben. (Anm.bzw. waren auch sie zwischenzeitlich weg). Seit 2005 singt Rob Dukes, der mit seiner zierlichen Figürlichkeit fast dreiviertel der Bühne für sich allein einnimmt. Jack Gibson bedient den Bass und Lee Altus zupft die zweite Gitarre. Das elfte und bis dato jüngste Album nennt sich The Atrocity Exhibition... Exhibit A’ und ist im vergangenen Jahr erschienen.- Fans wissen das ohnehin alles.... so what ?!
Der Fünfer scheint jedenfalls hervorragend aufeinander abgestimmt zu sein. Und der Club verwandelt sich im Nu in ein Dezibel  Inferno jenseits vom Schlaraffenland. 

Ach du heilig-kastriertes Kanonenrohr, - eigentlich dachte ich bei der vorhergehenden Band bereits, dass der Zenith erreicht wäre was das Halleluja im Hexenkessel angeht. Aber weit gefehlt. Exodus verstehen es noch einmal einen Starkstrom Schub drauf zu katapultieren. Die Ampere Skala schießt zum Andromedanebel in unseren Stammhirnzellen und verführt diese zum  multiplen Orgasmus wie einst Casanova halb Venedig flach gelegt hat. 
Inzwischen drängern sich allerdings so viele Apostel nach vorne an die Bühne, dass die Bewegungsfreiheit für’s sogenannte moshen sichtlich eingeschränkt ist. – Jenen Umstand empfinde ich persönlich nicht unbedingt als Nachteil. Denn ich will auch unter erschwerten Umständen noch ein paar Eindrücke mehr mit der Kamera festhalten.
Aber irgendwie schaffen es die Wahnsinnigen dann doch wieder, sich genügend Platz zu verschaffen für ihren moshigen Dschungeltanz. – Na ja, irgendwie gehörts ja auch dazu... - Ich geb's ja zu!

Nun, ehrlich gestanden, bei Exodus tue ich mich etwas härter als bei Agnostic Front, dem Kunstgenuss eine klare Linie  abzugewinnen. Dabei hab' ich die Karriere dieser Band von Beginn weg, also von 1982 bis heute, mitverfolgt. - Die Könige des Thrashs,  deren Mitglieder zum Teil mit Sicherheit genau wie ich selbst , auch schon den runden 40er überschritten haben, werden jedenfalls  ihrer Reputation und Linie vollends gerecht. Gediegene Imagepflege im fortgeschrittenen Stil nennt man das Odeuvre mit sehr viel Mitgefühl für ,bereits hörgeschädigte, Trommelfelle. Aber pfeif drauf, da oben steht schließlich der Kaiser von Chi.... äh pardon -  Exodus....., erhaben und unantastar und.... die 10 Gebote des Thrashmetals sind noch nicht zu Ende gebetet.

Aber während die Band  mit bitterböser Miene den Klabautermann aus sich raus prügelt, in einer Lautstärke, so dass, wie schon erwähnt, sogar ein Taubstummer nach Ohropax verlangen würde, - funkelt Gitarrist und geistiger Kopf der Band – Gary Hold wie ein Lausbengel unterm Weihnachtsbaum. Der Mann besitzt das Special little Something, wie man zu sagen pflegt . Und er strahlt, kroteskerweise, trotz der Stilistik, eine.... wie soll man sagen, -  gewisse Ruhe aus.  Dabei steht er mitnichten steif wie ein.... ja ...wie ein Spazierstock in der Landschaft, sondern schließt sich tatkräftig der Stage Motorik an, sofern es die Leads erlauben, versteht sich. Kurz und gut, er hat Sexappeal. Und das heißt was in dem Genre. Hätt ich nicht gedacht.... is’ aber so... (Anm. - auf sowas schaut halt auch nur  Frau, sorry about that:-))) Und derer sind heute Abend weiß Gott nicht viele zugegen bei dieser Marschrichtung.  Ja, ja ich weiß, - Music comes first, aber ...na  ja und  Gitarre spielen kann der Kerli ganz nebenbei auch noch hervorragend. Sollte sich mal um einen Wettbewerb mit Al Di Meola bewerben.... Halt, das ist dann doch etwas zu hoch nach den Sternen gegriffen.... oder etwa nicht?!

Nun, im Endeffekt ist dieses Finale hier in München zum Schluß der Frühjahrstour ein Erfolg auf dem gesamten Weißwurscht Äquator. Bravo - gut gemacht und das Amen in der Kapelle  ist gesprochen. Exodus haben sich ihren Ruf im Metier einmal mehr mit Lorbeeren ausgebettet. – Der Sieg ist unser, lautet der Slogan..... und wir hier warten jetzt schon wieder auf’s nächste Mal...

...na ja, ich für meinen Teil nicht unbedingt in erster Linie was die Musik und die Lautstärke angeht. Aber bei solchen Fotoaussichten wie links, da werd' sogar ich zum Exodus Fan :-))) 
 ...und  ich Döskopf habs auch noch verwackelt... :-)
http://www.exodusattack.com 
 


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