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Frage: woran misst man heutzutage einen wirklichen Superstar? Nun, da könnte man jetzt so einige Aspekte aufzählen, wie zum Beispiel Kultstatus, CD-Verkäufe, ausverkaufte Hallen und natürlich musikalische Qualität. Obwohl traurigerweise genau letzteres oft eben nicht zum Superstarstatus verhilft. – Aber wie auch immer, ich mache es mir da etwas einfacher und sage: - egal mit was und wodurch, aber ein Superstar ist ein Künstler dann, wenn er es schafft, mindestens die halbe Titelseite einer konservativen, lokalen Tageszeitung einzunehmen, wenn er für ein Konzert anrückt, oder bzw. schon gespielt hat. Das, meine Freunde, schaffen nun wirklich nur eine Handvoll Seelen und dazu gehört u.a. auch Mr. Slowhand Clapton. Und ich spreche hier beileibe nicht nur von München, sondern schlicht und ergreifend und ohne Übertreibung gilt jene Tatsache für so gut wie jeden Ort auf dieser schönen Welt, und das wiederum seit vielen, langen Jahren. Der Ruf, einer der größten Solokünstler überhaupt zu sein, wird obendrein von der Tatsache unterstrichen, dass er als einziger Musiker gleich drei Mal in der Rock’n’Roll Hall of Fame vertreten ist, einmal mit den Yardbirds (1992), mit Cream (1994) und als Solo-Künstler (2000).  Dass er bereits mehrfach den Grammy Award bekommen hat, sei an dieser Stelle nur am Rande erwähnt.
Clapton ist also ein Mann, der musikalisch eigentlich schon alles erreicht hat, was es überhaupt zu erreichen gibt. Dafür musste er aber privat so manchen Tiefschlag einstecken, nicht zuletzt den Tod seines Sohnes Connor, der 1991 bei einem Sturz aus dem 53. Stock eines Hochhauses in New York ums Leben gekommen war. Heute ist er in dritter Ehe mit der Grafikkünstlerin Melia McEnery  verheiratet und hat mir ihr drei weitere Kinder.
Zurück zur Gegenwart und der Tatsache, dass ein Clapton Konzert immer so gut wie ausverkauft ist, egal ob es in Berlin auf der Waldbühne vor 22.000 Zuschauern ist, oder so wie hier in München am Königsplatz vor etwa 15.000 Fans. Letztere geringere Zuschauerzahl hat allerdings vielmehr den Grund, dass auf dieses Areal einfach nicht mehr Leute passen, vor allem wenn es, so wie heute bestuhlt ist.
 


Understatement in jeder Beziehung, auch was das
Fotopass Design betrifft

Eine weitere Tatsache stellt sich, indem ich auch hier wieder feststelle, wie easy und problemlos die Zusammenarbeit dieser Megastars mit der Presse ist. Dabei hätten gerade sie es eigentlich gar nicht mehr notwendig, noch mehr promotet zu werden. Die Fotoaquise klappt ohne Probleme, und vermaledeite Foto-Knebelverträge gibt’s gleich 3x keine.  Wahrscheinlich deshalb, weil den ganz Großen inzwischen dieses, meist übertriebene, Geltungsbedürfnis fehlt, dass so manche Fast- oder noch nicht - Superstars besitzen, um sich dann damit profilieren zu wollen. Kurz und gut, Mr. Clapton ist es höchstwahrscheinlich ziemlich sch... egal, wer und wie viele da knipsen. Hauptsache sie tanzen nicht direkt vor seiner Nase herum. Und somit heißt es wieder einmal hinten beim Mischpult Position einzunehmen mit Stativ und Totschläger Objektiv bewaffnet.
Diesmal ist es allerdings nicht der frühe Vogel, der den Wurm fängt, sondern simpel das Reglement der Stadtväter, die einen vorgezogenen Konzertbeginn erfordern, da um 22 Uhr Zapfenstreich sein muss. Nicht weiter verwunderlich, liegt unser Königsplatz hier quasi mitten im Herzen der Stadt.
 
Der Prolog wird von Jacob Dylan bestritten, dessen Ähnlichkeit mit seinem Vater Bob fast schon banal ist, sowohl was den visuellen Aspekt als auch den akustischen Ton betrifft.

Bei sämtlichen jiidischen Synagogen und ihren 12armigen Leuchtern, der Jüngling hier nimmt sich fast schon wie ein Klon vom Alten aus. Nur die Stimme klingt vielleicht nicht ganz so exzessiv näselnd und provozierend. – Jacob ist übrigens das jüngste von vier Kindern, die Bob Dylan mit seiner Ex-Frau Sarah hat. Inzwischen ist er 39 Jahre alt, selbst verheiratet mit der Schauspielerin Page Dylan, und ist ebenfalls Vater von vier Kindern. – Mit seiner Band ‚The Wallflowers’, die er 1989 gründete,  hat er bislang fünf Alben aufgenommen und 2 Grammys für Best Rock Vocal Performance  und Best Rock Song "One Headlight" erhalten. -  Seit der Plattenvertrag mit Interscope ausgelaufen ist, ist auch die Zukunft der Wallflowers ungewiss. Fürs erste  hat Jacob einen Solovertrag unterzeichnet und unter den Fittichen von Rick Rubin im vergangenen Juni das Album ‚Seeing Signs’ veröffentlicht. Der Supportslot mit Clapton gibt ihm nun die Chance, das Werk der breiten Masse vorzustellen. – Mein erster Gedanke ist: gut, dass der Platz bestuhlt ist. Denn Jacobs Musik besteht aus leisen, leicht melancholischen Tönen und entspricht im Großen und Ganzen seinem Alterego. Es ist Musik zum zuhören und nicht zum Party machen. Er stellt seine Band vor, die sich übrigens ‚Gold Mountain Rebels’ nennt. Bei sich selbst lässt er den Nachnamen weg. ‚I am Jacob’ – das ist alles und spricht für sich. Er ist definitiv ein Künstler, der nicht dauerhaft im Schatten seines großen Vaters stehen will und sich keinesfalls mit diesem assoziieren möchte. Deshalb stand er auch noch nie mit ihm gemeinsam auf einer Bühne. Nur einmal bei einem Festival 1997 traten Sohn und Vater hintereinander auf. Fest steht, dass der Sprössling ohnehin nie den Status seines Erzeugers erreichen wird, auch wenn sich seine Abstammung dank der, eingangs bereits erwähnten, Ähnlichkeit nicht verbergen lässt.

Aber er kann sich durchaus einen individuellen, eigenständigen Ruf erarbeiten. Die Wallflowers waren erst der Anfang. Mal schauen, was noch folgt. Ich für meinen Teil denke, dass Jacob in einer kleineren Halle mit intimeren Ambiente besser rüber kommen würde als hier bei einem Open Air, wo ohnehin jeder nur auf Mr. Clapton wartet. Hier und heute Abend erinnert seine Performance eher an eine Schlaftablette. Aber wie gesagt, das liegt zum Teil sicherlich am Ambiente. 10 Tage lang bestreitet Jacob das Vorprogramm von Eric Clapton gerade, um dann anschließend in den USA mit Countrylegende Willie Nelson zu touren. Mal schauen, wann er uns das nächste Mal beehrt.
http://www.jakobdylan.com/

Pünktlich in der Pause thront eine große, dicke schwarze Wolke über dem Audithorium und ergießt ihr erquickendes Nass über all die anwesenden Schäflein, sehr zur Freude von uns Fotografen, die bekanntlich den Regen als größten Feind für ihre Babies deklarieren. Aber ebenso pünktlich hört das Geplätscher wieder auf, als der zweite Teil des Happenings in Startposition geht. Nach dem üblichen Motto: Clapton, kommt, spielt und siegt schon im voraus, beginnt der Meistro seine Show relativ unspektakulär. Es ist noch nicht ganz dunkel, und zur sogenannten blauen Stunde vermitteln auch die Schweinwerfer noch nicht die beabsichtigte Wirkung aufs Geschehen.
Unspektakulär ist auch seine Erscheinung, die in Schlabberjeans, dunkelblauem Sweatshirt und 3-Tagebart eher den Eindruck eines Straßenmusikanten im U-Bahnschacht, erweckt. Fehlt nur noch der Hut, in den die Münzen fallen.

Aber mit dem ersten Ton ist dieser Eindruck wie weg geblasen, denn ein Clapton hält nun mal was er verspricht. Und das ist astreiner Sound und fantastisches Können, unterstrichen durch eben jenes Understatement. Mit ‚Tell The Truth’ beginnt er seine 1 ¾ stündige Blues-Session, die sich aus eigenen Kompositionen, aber auch aus Songs von Robert Johnson oder Rick Derringer zusammen setzt.
Übrigens wie er zu seinem Spitznamen Slowhand kam, erklärt Clapton in seiner Autobiographie folgendermaßen: Zu jener Zeit gehörte ich zur Band „Casey Jones and the Engineers“. Wir traten unter anderem in einem Club namens „CrawDaddy“ auf, dessen Besitzer Georgio Gomelsky war. Die Band spielte in der Regel gecoverte Songs, die normalerweise drei Minuten lang waren und streckten sie auf fünf bis sechs Minuten. Ich spielte damals auf sehr dünnen Saiten, weil man die Töne darauf besser ziehen konnte, und es passierte häufiger, dass eine Saite mitten in einem Stück riss. Während ich die neuen Saiten aufzog, verfiel das Publikum in ein leises Klatschen. Dieser „slow hand clap“ inspirierte Georgio dazu mich „Slowhand“ Clapton zu nennen“. -

Aber zurück zum Blues, der heute Abend den Ton angibt. Ein Ton, in welchem die Wurzeln dieses Ausnahmemusikers liegen. Ihm zur Seite stehen Doyle Bramhall II, an der zweiten Gitarre. Und jener greift ihm auch gesanglich unter die Arme. Fürwahr, er steht Clapton was das Talent betrifft, in kaum etwas nach. Genauso verhält es sich mit Chris Stainton am Keyboard. Er liefert hier einige der besten Soli, die ich seit langem erlebe. Weiters steht da oben noch Willie Weeks und zupft den Bass. Abe Laboriel jr. Hat Steve Gadd am Schlagzeug abgelöst, weil jener momentan noch mit James Taylor durch die USA tourt. Und die beiden hübschen, üppigen Background Sängerinnen hören auf die Namen Michelle John und Sharon White. Aber eigentlich sind letztere überflüssig, denn Claptons Stimme kommt heute sehr intensiv herüber.

Den Mittelteil des Sets bestreitet er akustisch und sitzend. Nein, man kann musikalisch gesehen nicht meckern. Das sitzt alles 150%ig perfekt. Und trotzdem existieren einige Umstände, die nicht nur mir einen seichten schalen Beigeschmack vermitteln. Da wäre zum einen der nichtexistente Draht zum Publikum. Im Gegenteil, man hat eher den Eindruck, Clapton kredenzt sich da oben selbst ein Ständchen ohne sich um das Geschehen off Stage zu kümmern. Die Ansagen sind steril und wie man so schön sagt, notwendiges Übel. – Sicherlich kann man nicht erwarten, dass der Bär tanzt, wenn das Publikum sitzend genießt. Aber gerade deshalb müsste die Connection zwischen Künstler und Fans umso mehr gepflegt werden. Tut sie aber nicht.


Zweites Manko ist die Setliste ansich, die vor allem aus Bluesklassikern besteht. Nicht, dass dagegen etwas einzuwenden wäre, denn das was Clapton da von sich gibt ist ohne Makel. Aber viele Fans haben sich hinterher gefragt: wo war ‚Lay Down Sally’, - ‚Tears In Heaven’ oder ‚I Shot The Sheriff’, ‚After Midnight’ und ‚Pretending’ und und und.... -  Das sind alles Standards, die eigentlich zu einem Clapton Gig unabdingbar dazu gehören. Lediglich die Hits ‚Wonderful Tonight’, ‚Layla’ und ‚Cocaine’ haben es ins Programm geschafft. Danach geht er... – einfach so, ohne sich auch nur noch einmal dem Publikum zuzuwenden. – Eine Zugabe gibt’s dann mit ‚Crossroads’. Danach geht er abermals ohne weiteren Abschied und ist in der, bereits wartenden, Limousine schneller in der Nacht entschwunden, als der erste Besucher das Gelände verlassen hat. Ob letzteres nun daran liegt, dass Good old Eric keine großen Verabschiedungen mag oder er, menschenscheu wie er nun mal ist, so schnell wie möglich einfach weg will, das werden wir wohl nicht mehr erfahren. Eigenartig mutet es allemal an und hinterlässt wahrscheinlich beim größten Teil der Besucher sowie auch bei mir eher gemischte Gefühle was diesen Auftritt betrifft. Fazit: „Ein musikalisch brillantes Event, aber mit nur teilweisem Wiedererkennungswert, und das ohne jeglichen Spirit.“
http://www.ericclapton.com/