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Heiland Sakrament und alle 150 ¼  Suren des heiligen Korans. Was is’n das hier? – Auf jeden Fall nicht die Papstrede oder etwaige Gesänge von Buckelwalen. – Hmmm.... ich frage mich, wie man diese Art von Tonstruktur oder was auch immer das darstellen soll, eigentlich nennt. ‚Sludge-Post-Hardcore’ steht in der Beschreibung bei Wikipedia. Und man kann sich jetzt darunter vorstellen was man will. Tatsache ist aber, dass man so was erst mal live gesehen und erlebt haben muss, um sich eine richtige Vorstellung machen zu können. Und Leute, seid versichert, letztere kriegt Ihr samt Trauerflor und Düsterambiente doppelt und dreifach Frei Haus geliefert. Jede Beerdigung ist eine Beachparty mit Knalleffekt verglichen mit dem bitter-todernsten Weltuntergangs - Requiem, dass sich uns hier offenbart.
Fotografieren ist nur ohne Blitzlicht gestattet, steht in fetten Lettern auf mindestens 4 Monitorboxen vorne auf der Bühne geschrieben, zusätzlich auch noch riesengroß am Haupteinlass. – Na und, denkt sich unsereins der knipsenden Profi Zunft. Dieser Umstand ist doch Standard bei den meisten Konzerten, ohne dass dabei explizit jedes Mal darauf hingewiesen wird. – Ich bin mir nicht sicher, warum man ob dieser Regel so vehement darauf pocht. Haben unsere Trauerweiden hier generell etwas gegen das Blitzlichtgewitter der Fans, oder hängt jener Umstand mit einem erhöhten Konzentrationslevel zusammen den man anscheinend zum Bedienen der unzähligen Special Effects braucht? – Nun, dem Ambiente entsprechend ist der visuelle Aspekt tatsächlich auf ein Minimum herunter geschraubt bis auf die Leinwand im Hintergrund des Altars, die sich offensichtlich den vier Elementen unseres menschlichen Daseins verschrieben hat – Luft, Wasser, Erde und Licht. Schön anzuschauen – fürwahr, und Hauptsache es kommt theatralisch rüber damit das Bild zum Ton passt... oder der Ton zum Bild – wie auch immer.....

’A Storm Of Light’ nennt sich Kapitel Nr. 1, das aus drei Individuen besteht, wovon der Glatzkopf zur Rechten, der Chef zu sein scheint. 

Er hört auf den Namen Josh Graham und scheint in dem Genre fürwahr kein Unbekannter zu sein, so hat er schon mit seiner Vorgänger-Combo Red Sparrows für eine gewisse Reputation gesorgt. ‚And We Wept the Black Ocean Within’ nennt sich das aktuelle Debüt Machwerk des Trios, bzw. von Josh Graham. Als ein akustisches Weltuntergangsszenario wurde diese CD einmal bezeichnet und als atmosphärische Mischung aus Doomcore und psychedelischen Ambient-Elementen. Live setzt sich diese Klangflut aus einer aggressiv-hoffnungslosen Psychose und kryptisch verschlüsselten Texten zusammen. Ja, Herrschaftszeiten, sind wir hier eigentlich bei einer Unterhaltungsveranstaltung oder bei der Aquise zum Jüngsten Gericht. Die halbe Zeit kniet Mr. Graham ohnedies auf dem Boden und sucht anscheinend des gestrigen Tag, bzw. den richtigen Button für den nächsten zweideutigen Soundstrudel.

Ein Stück unter mindestens 10 Minuten gibt’s hier gar nicht. Und es ist höchstes Einfühlungsvermögen, Verständnis für’s Skurrile und vor allem Geduld gefragt. Trotzdem scheinen eine ganze Menge Leute diesem musikalischen Plädoyer an die vier Gezeiten zu frönen. Denn unser Metropolis ist gut gefüllt mit, sagen wir mal, so um die 400 Freunde Der Apocalypse, die mit Weltuntergangsmienen verzückt  den bombastsichen Düstersymphonien lauschen.
http://www.astormoflight.com/

Neurosis setzen sogar noch eins drauf in Sachen Komplexität. 

Kaum zu glauben, dass es die Vögel bereits seit mehr als 20 Jahren gibt. Im Gegensatz zu den Kollegen vorher, sind diese Weltuntergangspropheten etwas heftiger unterwegs in Sachen Soundeskapaden und Geräuschkulisse. – Gerade mal neun Titel sind auf der Setliste vermerkt. Aber diese Hardcore Kaskaden scheinen eine abstrakte Unendlichkeit gepachtet zu haben, und ehrlich gestanden, weiß ich irgendwann nicht mehr, wann ein Kapitel aufhört und das nächste anfängt. Scott Kelly und Steve van Till wechseln sich ab in der Front-Dominanz, oder sollte ich es besser als Profil-Neurose bezeichnen? Ihrem Namen werden sie allemal gerecht. Übrigens die, hier noch ausgeprägteren visuellen Leinwand Perspektiven werden von keinem Geringeren als von  Josh Graham vom Supportact Storm of Light kreiert. – Die morbiden Psychoexzesse schweifen in tiefste Abgründe verzweifelter Frustration des allgemeinen Daseins und stellen eine bedrohliche Collage aus Industrial-Lärm, Hardcore-Brachialität, beängstigendem Doom Rock und seltsamen Samples dar, die bestehende Genregrenzen verwischt und somit schlicht und ergreifend als Crossover zu bezeichnen sind.Hoast mi? – Würd’ der Bayer jetzt sagen. – Aber wie schon mal oben erwähnt, wer diesem experimentellen Oktavenbrei nicht selbst beiwohnt, kann sich schwer etwas darunter vorstellen. 

Selbst beschreiben die Stadtneurotiker ihre Produkte als „Sonic exploration, spiritual dedication, purity and originality of heart.” Genauso verworren wie ihre Musik, klingt auch deren Beschreibung. Also belassen wir’s dabei und ich werde hier einen Teufel tun, diese akustisch-traumatischen Zustände noch weiter auseinander zu zerklabautern, zumal vom Sinn des Gesungenen ohnehin kein Zauberspruch zu verstehen ist. Also erfreuen wir uns an den klaustrophobisch-depressiven Lichtspielereien, die durch Ozeanwellen, atomare Explosionen, Wale, angstverzerrte Gesichter bis hin zu schwarzen Raben in Szene gesetzt werden. 

Irgendwann langt’s mir jedenfalls mit ‚Given To The Rising’ (Titel des letzten Albums von 2007) und ich ziehe mich dezent aus dem Tempel der Depri – Apostel und ihren pechschwarzen Klang-Aversionen zurück. Die verzückten Gesichter und riesengroßen Lauscher all der restlichen Underground Verfechter werden mir ein Rätsel bleiben. Denn für jene stellt das Requiem hier wahrscheinlich eher ein: Don’t Worry, Be Happy’ Happening dar...  - Also bitte fragt mich jetzt nicht, - ob das jetzt brillante Darbietung war oder eine Werbung für einen Suicide-Wegweiser ins Fegefeuer. 
http://www.neurosis.com/
 


Hier ein kleine Kostprobe von Neurosis' Psychotrip namnes
'Locust Star' - verlinkt von You Tube