|
|
|
Uihuihuihui... auf geht’s wieder einmal zur fröhlichen Friedhofsparty, natürlich dressed in Black und in aufgelockerter Grabesstimmung. Ganz nach dem Motto: ‚heute schneide ich mir wieder die Pulsadern auf’ – geben sich hier im Backstage Werk heute Abend gleich vier Vertreter des Grufti-Genres die Ehre. Das Ganze läuft unter dem Pseudonym ‚Hellhounds Fest’ und beinhaltet die Bands ‚Chrisis Never Ends’ eine Hardcore Fraktion aus lokalen Gefilden, gefolgt von Avi Inferi aus Portugal, die mit ihrem zwitschernden Frontvogel so manchen Gothic Zombie gleich umgehend und vorübergehend wieder aus der Halle vertreiben. Ich war gar nicht erst drin bis zu diesem Zeitpunkt. Aller mumifizierten Dinge sind drei, und die 69 Eyes erklimmen um Punkt 20 Uhr den Sargdeckel in unserem Mausoleum und beginnen ihren Grufti Pasadoble in gediegenem Schwarz, mit Charme und sehr viel Nebel. Auch
bei dieser Gruppe (Anm. schon wieder Finnen) kann ich bereits mehrere
Vergleiche zur Vergangenheit ziehen. Und es ist nicht von der Kralle zu
weisen, dass Jyrki Pekka
Emil
Linnankivi, der sich nur kurz Jyrki 69 nennt, und seine
Nachtgespenster ein respektables Potential an unterhaltsamer Pret a
porte repräsentieren.
Kurz und gut, die Finnen kreieren hier zwar nicht neues oder gar innovatives, aber das was sie fabrizieren, machen sie gut. Die musikalische Linie ist angelehnt an die der Sisters Of Mercy mit einem Touch Cure, und Sänger Jyrki 69 wirkt fast wie eine Reinkarnation von Joey Ramone. Er ist nur nicht ganz so lang und nicht ganz so dünn wie jene, ebenfalls bereits verblichene, Stilikone des Punkrocks. Nur in der allgemeinen Bewegungsmotorik hat Jyrki unserem Joey um so einiges voraus. Es ist dann auch Gitarrist Timo-Timo (Timo Mikko Pitkänen), der dem Gesamtimage den Hauch von Punk anhand seiner Silhouette gibt. Und noch eine Seltenheit gibt’s aus fotografischer Sicht zu erwähnen, und zwar den Umstand, dass es nur alle Jubeljahre passiert, dass der Drummer einer Band das meiste Scheinwerferlicht abbekommt. Na ja, wenn man bei der heutigen Beleuchtung überhaupt von einer solchen sprechen kann. Aber gut so, denn gerade hinterm Schlagzeug ist wahrlich ein Vulkan am spucken, und das auch noch weiß gedressed.
Auf der Setliste sind sämtliche (wenngleich auch nicht 69) Augäpfel ihrer Karriere vertreten. Ich spreche hier von Songs wie ‚Brandon Lee’, ‚The Rocker’ oder ‚Perfect Skin’, die live, sehr schwungvoll und mit viel Pfeffer in den Eingeweiden fast schon sleazerockig interpretiert werden. Überhaupt, wäre da nicht das schwarze Timbre und das ultratiefe Organ des Frontmanns, könnten die Finnen auch locker als Glamrocker durch gehen. Jawohl, der Sarkophag tanzt Rock’n’Roll hier, und nach einer Zugabe, (Anm.: der 2te Encore auf der Liste wurde leider gekappt) warten sämtliche lebenden Skelettkonstruktionen im Wohnzimmer auf weitere Geschichten aus der Gruft. Und Johnny Cash versüßt uns wiederum die Wartezeit.
http://www.69eyes.com/ Spätestens jetzt gefrieren die Suizide – Gefühle förmlich in den Sauerstoff-Schwingungen, und der Kryptkeeper lädt zum Wettbewerb im Hochseiltanzen für Verwesis ein. Apropo, der Kryptkeeper hört auf den Namen Johan Edlund, erscheint bleichgesichtig mit Mütze und Ellenbogenwärmer, aber ansonsten oben ohne. Und die Jeans sitzt ebenfalls weit unterhalb der Gürtellinie. Ob man das jetzt als sexy bezeichnen kann oder nicht, überlasse ich lieber all den Gothicbräuten im Publikum, die aber anhand ihrer enthusiastischen Gebaren umgehend zeigen, wie sehr sie die Ausstrahlung dieses schwedischen Fürst der Dunkelheit willkommen heißen. Aber gut, das ist ja alles eine Sache des individuellen Geschmacks, wie man so schön sagt. Und schließlich und endlich muss hier eine Stillinie vertreten, und einem Image gerecht werden. Und letzteres ordnet sich nun mal zur Weltuntergangsstimmungsmythologie ein. Heissa, da kommt Freude auf, wenn Johan, der unumstrittene Boss, Thomas Wyreson, Anders Iwers und Lars Sköld a.k.a. Tiamat ihre Frühlingsgefühle vom Stapel lassen.
Übrigens ist das hier für Tiamat
die erste Europa Tour nach sage und schreibe sechs Jahren. Warum es so
lange gedauert hat, bis sich die Klosterbrüder wieder aus ihrem
Mausoleum ausgebuddelt haben, weiß ich nicht zu sagen. Da müsst Ihr
sie schon selber fragen. ’Amanthemes’, das aktuelle satanische Kapitel von Edlund & Co. erschien bereits im vergangenen Jahr. Und deshalb steht es hier auch nicht im Mittelpunkt. Vielmehr bedient man sich einer gelungenen Mischung des tiamatischen Hexentranks mit bevorzugten Bibelabschnitten aus dem erfolgreichsten Werk ‚Wild Honey’ von 1994. Darauf sind Perlen wie ‚Sleeping Beauty’ und ‚Gaia’ zu finden. Mein absoluter Fave dieser Band aber heißt ‚Cold Seed’ vom Album ‚A Deeper Kind Of Slumber’ von 1997. Und der ertönt just als letzter Song vom offiziellen Set.
Alles in allem hat Orpheus aus der Unterwelt aber einen sehr passablen
Eindruck hinterlassen. Und dank gelockerter Atmosphäre (also kein Ölsardinen-Stehen),
keinen Trommelfell Attacke und keinen unmenschlichen Restriktionen wie
bei Dragon Force vor ein paar Tagen, konnte man die beiden
Dusterpraktikanten 69 Eyes und Tiamat auch mit allen Sinnen und Gemütlichkeit
genießen. Und bevor wir uns wieder in unsere Sarkophage nach Hause verkriechen, lässt
Johnny Cash aus der Box den Abend mit einem Hauch von Nostalgie und
Lagerfeuer Romantik feuchtfröhlich ausklingen. Und ehrlich gestanden,
bei derzeit minus 17 Grad könnte man den Ring of Fire auch ziemlich gut
gebrauchen samt Wärmflasche und Schafwollsocken.
|