Uihuihuihui... auf geht’s wieder einmal zur fröhlichen Friedhofsparty,
natürlich dressed in Black und in aufgelockerter Grabesstimmung. Ganz
nach dem Motto: ‚heute schneide ich mir wieder die Pulsadern
auf’ – geben sich hier im Backstage Werk heute Abend gleich vier
Vertreter des Grufti-Genres die Ehre.
Das Ganze läuft unter dem Pseudonym ‚Hellhounds Fest’ und
beinhaltet die Bands ‚Chrisis
Never Ends’ eine Hardcore Fraktion aus lokalen Gefilden, gefolgt
von Avi Inferi aus
Portugal, die mit ihrem zwitschernden Frontvogel so manchen Gothic
Zombie gleich umgehend und vorübergehend wieder aus der Halle
vertreiben. Ich war gar nicht erst drin bis zu diesem Zeitpunkt.
Aller mumifizierten Dinge sind drei, und die 69 Eyes erklimmen um Punkt
20 Uhr den Sargdeckel in unserem Mausoleum und beginnen ihren Grufti
Pasadoble in gediegenem Schwarz, mit Charme und sehr viel Nebel.
Auch
bei dieser Gruppe (Anm. schon wieder Finnen) kann ich bereits mehrere
Vergleiche zur Vergangenheit ziehen. Und es ist nicht von der Kralle zu
weisen, dass Jyrki Pekka
Emil
Linnankivi, der sich nur kurz Jyrki 69 nennt, und seine
Nachtgespenster ein respektables Potential an unterhaltsamer Pret a
porterepräsentieren.
Leider Gottes, muss man notieren, dass das nur etwa 300 Münchner
Gruftis zu schätzen wissen, die sich hier dressed, ebenfalls in Black,
zu dieser Düster-Lustorgie eingefunden haben und sich jetzt zu Johnny
Cashs Westernballaden einstimmen. Yep richtig gelesen, und ich
resultiere daraus, dass hier einer der örtlichen Verantwortlichen ein Riesenfan
der, bereits verstorbenen Country Ikone ist. Nun gut, jene musikalische
Pausenuntermalung steht zwar in krassem Kontrast zur eigentlichen
Darbietung heute Abend. Aber erstens ziehen sich Gegensätze bekanntlich
meist an. Und good old Johnny war zu Lebzeiten ja auch immer in Schwarz
gekleidet und erhielt daraufhin den Beinamen – the Man in Black. So
ist zumindest eine Gemeinsamkeit zu unseren heutigen Nachtschattengewächsen
gegeben. Mir soll’s recht sein. Die meisten Trauerweidenhier, achten nicht mal auf jene Nebensächlichkeit.
Aber back zu den 69 Eyes, die es, man möchte es kaum glauben, doch tatsächlich
fast schon 20 Jahre lang gibt. Und sie wirken weder verschimmelt noch
haben sie Grünspan angesetzt. Im Gegenteil was da gerade in diesem
Moment da oben abgeht, erinnert an alles andere als an einen
Leichenschmaus.
Kurz und gut, die Finnen kreieren hier zwar nicht neues
oder gar innovatives, aber das was sie fabrizieren, machen sie gut. Die
musikalische Linie ist angelehnt an die der Sisters Of Mercy mit einem
Touch Cure, und Sänger Jyrki 69 wirkt fast wie eine Reinkarnation von
Joey Ramone. Er ist nur nicht ganz so lang und nicht ganz so dünn wie
jene, ebenfalls bereits verblichene, Stilikone des Punkrocks. Nur in der
allgemeinen Bewegungsmotorik hat Jyrki unserem Joey um so einiges
voraus. Es ist dann auch Gitarrist Timo-Timo
(Timo Mikko Pitkänen), der dem Gesamtimage den Hauch von Punk anhand seiner
Silhouette gibt. Und noch eine Seltenheit gibt’s aus fotografischer
Sicht zu erwähnen, und zwar den Umstand, dass es nur alle Jubeljahre
passiert, dass der Drummer einer Band das meiste Scheinwerferlicht
abbekommt. Na ja, wenn man bei der heutigen Beleuchtung überhaupt von
einer solchen sprechen kann. Aber gut so, denn gerade hinterm Schlagzeug
ist wahrlich ein Vulkan am spucken, und das auch noch weiß gedressed.
'Christian Death' & 'From
Dusk 'Till Dawn'
'Perfect Skin'
'Devils'
Auf der Setliste sind sämtliche (wenngleich auch nicht 69) Augäpfel
ihrer Karriere vertreten. Ich spreche hier von Songs wie ‚Brandon
Lee’, ‚The Rocker’ oder ‚Perfect Skin’, die live, sehr
schwungvoll und mit viel Pfeffer in den Eingeweiden fast schon
sleazerockig interpretiert werden. Überhaupt, wäre da nicht das
schwarze Timbre und das ultratiefe Organ des Frontmanns, könnten die
Finnen auch locker als Glamrocker durch gehen. Jawohl, der Sarkophag
tanzt Rock’n’Roll hier, und nach einer Zugabe, (Anm.: der 2te Encore
auf der Liste wurde leider gekappt) warten sämtliche lebenden
Skelettkonstruktionen im Wohnzimmer auf weitere Geschichten aus der Gruft. Und
Johnny Cash versüßt uns wiederum die Wartezeit.
Aftershow sieht man endlich mal
Jyrkis Gesicht...
Resultat: Test bestanden :-)))
Und was dann anschließend folgt, übertrifft das Intermezzo von den 69
Eyes noch um Längen in Sachen Grabesstimmung.
Spätestens jetzt
gefrieren die Suizide – Gefühle förmlich in den
Sauerstoff-Schwingungen, und der Kryptkeeperlädt zum Wettbewerb im Hochseiltanzen für Verwesis ein. Apropo,
der Kryptkeeper hört auf den Namen Johan Edlund, erscheint
bleichgesichtig mit Mütze und Ellenbogenwärmer, aber ansonsten oben
ohne. Und die Jeans sitzt ebenfalls weit unterhalb der Gürtellinie. Ob
man das jetzt als sexy bezeichnen kann oder nicht, überlasse ich lieber
all den Gothicbräuten im Publikum, die aber anhand ihrer
enthusiastischen Gebarenumgehend
zeigen, wie sehr sie die Ausstrahlung dieses schwedischen Fürst der
Dunkelheit willkommen heißen. Aber gut, das ist ja alles eine Sache des
individuellen Geschmacks, wie man so schön sagt. Und schließlich und
endlich muss hier eine Stillinie vertreten, und einem Image gerecht
werden. Und letzteres ordnet sich nun mal zur
Weltuntergangsstimmungsmythologie ein. Heissa, da kommt Freude auf, wenn
Johan, der unumstrittene Boss, Thomas Wyreson, Anders Iwers und Lars Sköld a.k.a. Tiamat ihre
Frühlingsgefühle vom Stapel lassen.
Übrigens ist das hier für Tiamat
die erste Europa Tour nach sage und schreibe sechs Jahren. Warum es so
lange gedauert hat, bis sich die Klosterbrüder wieder aus ihrem
Mausoleum ausgebuddelt haben, weiß ich nicht zu sagen. Da müsst Ihr
sie schon selber fragen.
Tatsache ist aber auch, dass Mastermind Johan,
im Gegensatz zu seiner Düsterkultur, momentan lieber dem warmen
griechischen Klima in Thessaloniki frönt und dort seit längerer Zeit
lebt. Außerdem soll er bekennender Satanist sein. Aber da ihm bislang
noch keine Hörner gewachsen sind (Anm.- obwohl... wer weiß, was sich
unter der Haube befindet :-)) und er sich diesbezüglich, zumindest live on Stage, eher bedeckt hält,
stört das hier keinen viatnamesischen Darmbazillus.
Also
so what...?!Hauptsache
das Ambiente passt zur Musik. Und jenes ist schummrig undmeist in gediegene Rotschattierungen getaucht (zum Leidwesen von
uns Fotografen) Aber man muss schließlich dem allgemeinen Tenor gerecht
werden, und der besteht mit Sicherheit nicht aus blassrosa Duftwolken.
Ausstrahlung hat Meister Edlund aber allemal, und zwar mittels eines so
sphärisch dichten Vibes, dass der Rest seiner diabolischen Tiamat
Sippschaft im Dunst der Nebelkanonen versickert.
’Amanthemes’, das aktuelle satanische Kapitel von Edlund & Co. erschien bereits im vergangenen Jahr. Und deshalb steht es hier
auch nicht im Mittelpunkt. Vielmehr bedient man sich einer gelungenen
Mischung des tiamatischen Hexentranks mit bevorzugten Bibelabschnitten
aus dem erfolgreichsten Werk ‚Wild Honey’ von 1994. Darauf sind
Perlen wie ‚Sleeping Beauty’ und ‚Gaia’ zu finden. Mein
absoluter Fave dieser Band aber heißt ‚Cold Seed’ vom Album ‚A
Deeper Kind Of Slumber’ von 1997. Und der ertönt just als letzter
Song vom offiziellen Set.
'Vote For Love'
Alles in allem hat Orpheus aus der Unterwelt aber einen sehr passablen
Eindruck hinterlassen. Und dank gelockerter Atmosphäre (also kein Ölsardinen-Stehen),
keinen Trommelfell Attacke und keinen unmenschlichen Restriktionen wie
bei Dragon Force vor ein paar Tagen, konnte man die beiden
Dusterpraktikanten 69 Eyes und Tiamat auch mit allen Sinnen und Gemütlichkeit
genießen. Und bevor wir uns wieder in unsere Sarkophage nach Hause verkriechen, lässt
Johnny Cash aus der Box den Abend mit einem Hauch von Nostalgie und
Lagerfeuer Romantik feuchtfröhlich ausklingen. Und ehrlich gestanden,
bei derzeit minus 17 Grad könnte man den Ring of Fire auch ziemlich gut
gebrauchen samt Wärmflasche und Schafwollsocken. http://www.churchoftiamat.com/
'Cold Seed'
'The
Sleeping Beauty' - 'Gaia'
PS: was den angeblichen
Satanismus betrifft.....
Warum verabschiedet sich Herr Edlund dann ganz zum Schluss mit:
'God
Bless You' ?
Hier in diesem Clip zu sehen/hören