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In exakt 6 Jahren feiern wir den 200sten
Jahrestag zur Geburt einer Epoche, die sich vor allem durch
Zurückgezogenheit,
Privatleben, Traditionsbewusstsein, konservative Haltung, Resignation, Rückzug
in die Innerlichkeit, Ordnung; Gefühl, Phantasie, Humor und
Heiterkeit
auf dem Grunde der Schwermut auszeichnete. Und zu verdanken haben wir
diesen, ca. 33jährigen Zeitraum einem gewissen schwäbischen Lehrer
namens Gottlieb Biedermeier, nach dem selbstredend dann jene
gesellschaftliche Ära benannt wurde. Märchenerzähler Wilhelm Hauff,
Schriftsteller Adalbert Stifter, Satiriker Johann Nestroy und Dichter
Franz Grillparzer gingen aus
dem Biedermeier hervor, genauso wie der Maler Carl Spitzweg und nicht zu
vergessen Erzählgenie E.T.A. Hoffmann, dessen Geschichte ‚Der
Sandmann’ u.a. eine gewisse Figur
namens Coppelius enthielt. Jener
wiederum war berühmt für seine alchemistischen
Experimente. Und genau um jenen Coppelius geht es hier. Unsterblich und in
vielfacher Form treibt er auch im 20.Jahrhundert sein Unwesen und übt
sich in extravaganten Experimenten. Diese sind allerdings nicht mehr
alchemistischer Form, sondern vielmehr einer musikalisch-exotischen
Vielfalt gewichen. Da hat er sich wohl gedacht, im Zeitalter der
Kernspintomographie kommt man mit Alchemie nicht mehr weit, also verlegen
wir uns auf die musischen Künste. Mozart ist bis heute noch nicht aus der
Mode gekommen, und jenes Genie hat schließlich noch mal 50 Jährchen mehr
auf dem Buckel als die Biedermeier Epoche. Coppelius im neuen Jahrtausend
muss sich ganz schlau gedacht haben, warum nicht die melodiösen Zutaten
von damals mit dem Heute vermischen, gut schütteln, etwas
verfeinern und abschmecken, und mal schauen, wie das musikalische
Experiment als delikat gewürzter Cocktail schmeckt. Das Ganze wird natürlich
aus ebenso exotischen Gerätschaften serviert, die sich da Klarinette,
Contrabass und Cello nennen. Wir verbleiben natürlich trotz aller
Verfremdungen stilecht und geben uns vornehm dekadent. Wohl dem, der sich
heute Abend mit seiner Kutsche oder auch per pedes gnädigst
zum Tete a Te bitten hat lassen, um im edlen Spectaculum Mundi, den
schönen Künsten coppelanischer Klangkunst ehrfürchtigst zu lauschen und
das stilgerecht gewandet in Zylinder, Frack und weißen Handschuhen. Das Odoevre wird uns von einem kleinen, aber feinen Kammer-Orchester aus dem Schwabenländle serviert, das sich da ‚Remember Twilight’ nennt und sogenannten Kammer Core praktiziert. Das Ganze wird angeführt von Harry Potter in spe, bzw. heißt der junge Mann eigentlich Timo mit Vornamen. Und nein, er trägt keine Brille. Aber nichts desto trotz steht seine Stimme in krassem Gegensatz zum Rest der musischen Untermalung, so dass es sich in etwa anfühlt, als ob man einen Schneemann im Kongobecken gesichtet hätte. Aber wie heißt es immer so schön? Gegensätze ziehen sich bekanntlich an. Und das tut es in unserem Fall hier tatsächlich. Dafür sorgen schon die beiden Grazien Anne und Anna, die hingebungsvoll die Saiten ihrer Geigen liebkosen, Florian schindet Eindruck mittels seiner Oboe, Ole sitzt am Schlagzeug, Jörg zupft den Bass und Felix ist Meister der Gitarre. Fürwahr ist das schon eine abenteuerliche Mischung was uns Remember Twilight hier offerieren. Heavy Metal mit einem orchestralen Touch und einem Hauch Chilli würde ich es am ehesten bezeichnen. Aber es erfüllt seinen Zweck mit Sicherheit, nämlich dass die Zuschauer zum aufmerksamen Mithören bewegt werden. Und deshalb tritt hier auch der visuelle Aspekt eher in den Hintergrund. Man legt nicht so viel Wert auf irgendwelche bunte Kostümierungen oder anderweitigen Schnick Schnack, sondern verlässt sich fast ausschließlich auf Harry Potters Zauberspruch, den Timo und seine Kollegen hier in der Tat recht passabel umsetzen. (Anm.: Gruß an den Lichttechniker. – Rübe ab für diese Dunkelkammer hier, in der das Fotografieren fast im Keim erdrosselt wird) Ganz nett macht sich auch die Parabel aus der 3 Groschen Oper als kleine Auflockerungsübung zwischendurch, und Mecki Messer tanzt einen Samba im Publikum. Nun,
mein Eindruck ist nicht der schlechteste hier muss ich sagen. Und sollten
Remember Twilight wieder mal in Münchner Gefilden weilen, dann - hingehen
und anschauen. Harry Potter wird’s Euch danken. Nun aber schnell wieder in die gute alte Biedermeier Zeit zurück geflutscht, um die edlen Herren in ihrem feinen Zwirn gebührend empfangen zu können. Vom
visuellen Aspekt her, hätte Carl Zuckmeier dieses Wohnzimmer hier nicht
besser darstellen können in einem seiner Gemälde. Und Diener Bastille
gibt dem Ambiente noch schnell den letzten Schliff, nicht zu vergessen,
das Pölsterchen, das gut aufgeschüttelt und platziert, Graf Lindorfs
Allerwertesten pflegen soll beim musizieren. Einzig allein das
‚hochmoderne’ Radiogerät passt nicht ganz in diese Epoche, so ist es
doch nach langer Entwicklungszeit (die um 1865 mit Maxwells
elektrotmagnetischen Wellen begann) erst
im Jahr 1923 von einem gewissen Herrn Tesla in dieser Form kreiert worden. Bei Coppelius herrscht Demokratie in wahrstem Sinn des Wortes. Das fängt beim Gehrock und Zylinder an und setzt sich in ausgewogener Abwechslung, was die jeweilige Parade Rolle bei einer Etüde betrifft, fort. – ‚Tumult’ nennt sich der aktuelle und insgesamt zweite Opus der Grafschaften, der einmal mehr genau das wider spiegelt, was die werten Herren so speziell macht da oben. Der Wahnsinn hat einen Namen, und das Prost gilt dem Absynth und all den anderen Wohlgenüssen, die dieser galanten Mixtur aus hübschen Biedermeier-Metal-Klängen den prickelnden und einzigartigen Geschmack verleiht. Und die Sinnesorgane der anwesenden Münchner Genussspechte der Gegenwart werden zu einer musikalischen Zeitreise stimuliert, bei der selbst Franz Schubert sein Forellenlied verkastrieren würde, um einmal hier mitmischen zu können. Hoch lebe hingegen Iron Maiden und andere Headbanger Aristokraten, deren Künste mit schillerndem Einfallsreichtum in eine halsbrecherische Karussellfahrt verwandelt werden. Allerdings erreicht dieser Trip wiederum nicht ganz das gepflegte Publikum, sondern stoppt kurz vor der Endstation. Im Klartext, unsere Münchner Freunde der schönen Künste nehmen den Begriff Biedermeier zu wörtlich . Und der steht bekanntlich für Idyll, Ruhe und Biederkeit und keinesfalls für einen ausgeflippten südkaledonischen Regentanz, der hier wiederum doch sehr angebracht wäre. Denn was die coppelanischen Hoheiten in ihrem Kabinett da oben vollführen, schreit geradezu nach Partystimmung und vor allem nach einem ordentlichen Da capo. Nun, dank bayerischer Gemütlichkeit
lassen sich die emsigen Zuhörer zumindest zu letzterem hier hinreißen,
um noch eine Draufgabe des geschmeidigen Arrangements bunter
Melodienexperimente zu erhaschen. Da tanzt die Klarinette mit dem
Contrabass einen Rumba da’mour, und der Metal Headshaker
wird vor allem von Bastille mit lustvoller Hingabe bis fast zum
multiplen Orgasmus verlustriert. Mei war des scheeennnnn!
Und um die kleine Nachtmusik gefühlvoll ausklingen zu lassen, Ihr
wisst ja, das Nachspiel ist auch wichtig....,
sei noch abschließend bemerkt, dass ein Auftritt von Coppelius
nicht nur ein Konzert, sondern ein sinnliches Lustspiel der Extraklasse
ist mit etlichen phantasievoll- gestalteten Variationen und Stellungen.
Und es verfehlt vor allem
niemals seine Wirkung. Verhütung wird hier übrigens keine empfohlen. |
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