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“Den Namen haben wir uns gegeben, weil wir eben so wie eine kalte Suppe sind, in der alles Mögliche herum schwimmt, und die immer wieder anders schmeckt, eisgekühlt, versteht sich“. So und nicht anders erklärt Sänger Jan-Henrik Ohme im Interview nach dieser Show hier den Bandnamen, der, für alle die’s immer noch nicht wissen, von der berühmten spanischen kalten Gemüsesuppe abgekupfert ist.
Und wieder haben wir es hier mit einem Fall von unterbewerteten Talenten zu tun, die, so gut wie sie sind, doch noch nicht den tatsächlichen Durchbruch geschafft haben. In ihrer Heimat Norwegen ignoriert, haben sich Gazpacho auf den deutschen Markt konzentriert, um mit ihrem Kunstrock die Fans von Gruppen wie Dream Theater, Marillion oder Porcupine Tree auf sich aufmerksam zu machen. Gegründet hat sich die Band 1996, und seitdem sind sechs Alben erschienen. Die neueste CD nennt sich ‚Tick Tock’ und ist eben mal angekommen. Es erzählt die Geschichte des Romans „Wind, Sand und Sterne“ von Antoine Saint-Exupery, und ist somit ein absolutes Konzeptalbum.  Und unter dem Motto ‚Tick Tock’ steht auch die momentane Tournee durch unsere Lande. Cazpacho, das sind, wie schon genannt, Jan-Henrik Ohme am Gesangsmikro, Jon-Arne Vilbo (Git.), Kristian Torp (Bass), Robert R. Johanson (Drums), Thomas Andersen (Keyb.) und Mikael Krømer (Violine/Git.). Und das Sextett lässt sofort erkennen, dass es sich hierbei um ein absolut eingespieltes Team handelt.

Unsere Backstage Halle ist leider nur spärlich gefüllt mit schätzungsweise 150 Freunden dieser, doch schon fortgeschrittenen, exaltierten Muse. Supportband gibt’s keine. Und los geht der Zauber um 20.30 Uhr. Ums im voraus zu sagen, die Band präsentiert uns exakt acht Songs und benötigt für deren Performance sagenhafte zwei Stunden Ihr könnt Euch also in etwa vorstellen, wie lange ein Stück im Durchschnitt dauert. Unter zehn Minuten geht schon mal gar nichts, und die doppelte Zeit erweist sich gerade mal als Durchschnitt. Das mag zwar jetzt vom hören-sagen  etwas abschrecken, aber wie sage ich immer so schön: erst anhören, dann urteilen.
Zugegeben, ich muss mich hier auch erst warm hören, denn der Stoff ist alles andere als einfach. Aber, und das ist der springende Punkt, er ist so gesponnen, dass er zum zuhören animiert, immer mit der Frage im Oberstübchen des Publikums, was kommt als nächstes?! Gazpacho werden oberflächlich in die Kategorie Prog Rock eingeordnet. Selbst distanzieren sie sich allerdings von dieser Beschreibung und verwenden lieber den breitgefächerten Ausdruck Artrock. Passend zur Musik ist auch die Bühnenatmosphäre, nämlich schummrig mit relativ wenig Licht. (Anm. zum Leidwesen von Fotografen wie mir). Gazpacho frönen den ruhigeren Klängen, die fast schon sphärische Schwingungen hervorrufen. Es ist ein Pfad, der sich durch fast undurchdringliches Dickicht windet. Und man weiß nie, was einen nach der nächsten Biegung erwartet. Und genau das macht die Sache eigentlich spannend. Ein Tropfen fällt in ein Rinnsal, plätschert vor sich hin und mündet in einen Bach, der sich mitunter sogar in einen reißenden Strom verwandelt, der unvermittelt aber wieder versiegt, um an einer anderen Stelle im Universum als Springbrunnen wieder heraus zu sprudeln. So ungefähr lässt sich Gazpachos Musik beschreiben.

Die Musiker sind Perfektionisten, die alles fest im Griff zu haben scheinen. Hier sitzt jeder Ton an der richtigen Stelle und vervielfältigt sich in abstrakte Verästelungen extrovertierter Melodien. Aber trotz dieser Komplexität muss man kein Individualist oder großer Liebhaber von schwieriger Materie sein, um Gazpachos  Musik zu mögen. Ich selbst gehöre auch nicht unbedingt zu den Verfechtern  langwieriger Frickelarien. Und ich muss gestehen, anfangs habe ich hier so meine Probleme, diese Muse in mir aufzunehmen. Aber je fortgeschrittener die Stunde, desto eingängiger wird der Stoff, und es erweckt den Eindruck, als ob sich die Band mit jeder Minute steigert und an Spielfreude gewinnt. Und was soll ich sagen? Die zwei Stunden sind im Null Komma Nix um, und  im Nachhinein kann ich  ohne zu zögern behaupten: Freunde, es war keine einzige Sekunde langweilig. Gazpacho sind eine interessante, neue Erfahrung, die es durchaus wert sie, sie einmal gewonnen zu haben. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass der eine oder andere unter uns Gefallen an dieser Musik findet. Und verdient haben es die Norweger allemal, dass sie hoffentlich bald eine größere Resonanz erhalten und sich einen Namen im Genre sichern.
Ich für meinen Teil wünsche ihnen viel Glück, den ewigen Jungbrunnen, und hoffentlich gibt’s bald den Erfolg, der ihnen zustehen würde.

http://www.gazpachoworld.com/   

Einige Aftershow Schnappschüsse sind im Diary zu finden