444



Wir sind zwar hier in München relativ verwöhnt was Tourneen verschiedenster Künstler betrifft, und es trudelt fast alles ein was Rang und Namen hat, in der bayerischen Landeshauptstadt, - aber eben nur fast alles. Und genau so einen Fall haben wir vorliegen mit Heaven & Hell, deren südlichste Station in Germany das beschauliche Bamberg im Frankenland ist, in etwa 2 ½ Autostunden von München entfernt, - bei gutem Verkehr, versteht sich. Und was soll man noch groß darüber spekulieren?! Tatsache ist, dass bei diesem Event dann fast schon familiäre  Gefühle aufkommen, auf Grund von so vielen bekannten Gesichtern aus der Heimatstadt, die den Weg auf sich genommen haben, um eben die aktualisierte Black Sabbath Version auszukundschaften. Wie ich dann im Interview vor der Show erfahre, handelt es sich bei diesem ‚Heaven & Hell’ Projekt definitiv um eine Eintagsfliege. Sprich, eine langanhaltende Tour und ein Album, und das soll’s dann wieder gewesen sein. So jedenfalls ist der augenblickliche Stand. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt. Es hat bekanntlich schon so Mancher seine Meinung, und das nicht nur einmal geändert in Sachen Reunion, Neuanfang oder Wiederauferstehung. Also lasst uns den Augenblick genießen, denn diesen kann uns keiner mehr nehmen, egal was später noch passiert.

Auch meine Wenigkeit feiert ihr Debüt in der Jako Arena, die sehr praktisch, direkt linker Seite am Weg von der Autobahn zur Innenstadt liegt. Sie ist also keinesfalls zu verfehlen, und eine Wegbeschreibung ist überflüssig. 6.000 Leute sollen in den Palast hinein passen, habe ich mir sagen lassen. Im Vergleich zu unserer Münchner Olympiahalle und sogar das Zenith, wirkt dieses Venue aber immer noch klein. Und zu allem Überfluss ist es auch noch zur Hälfte mit einem schwarzen Vorhang abgehängt. Sprich, ich schätze die werte Zuhörerschaft auf vielleicht 2.500 Fans über den Daumen gepeilt. Und wie gesagt, davon vermute ich mindestens die Hälfte als angereiste Gäste aus Nürnberg und München.
Das Spektakel beginnt relativ früh um 19.30 Uhr bei strahlendem Sonnenschein draußen und dafür umso weniger Beleuchtung drinnen. In der Tat verhalten sich die visuellen Verhältnisse so sparsam da oben auf dem Altar, dass man genauso gut links und rechts ein paar Glühwürmchen hätte positionieren können. Sparflamme ist das richtige Wort. Oder hat man sich erhofft, dass die Solarkraft durch die Wände dringt? Das werden wir wohl nicht mehr erfahren, aber  so mancher der anwesenden Bildberichterstatter hat diesen Umstand mit Sicherheit fuchsteufelswild verflucht. Dabei  scheint das Medien Interesse gerade heute besonders groß zu sein, und zwar so groß, dass sogar der AC/DC Fotograben vor kurzem noch  trostlos verlassen gewirkt hat, im Gegensatz zu diesem Tummelplatz hier. Aber für den ambitionierten Fotografen stellt natürlich erstere Trostlosigkeit ein wahres Paradies dar, und nicht jene Jako Arena Fußgängerzone wo man sich alle paar Sekunden auf den großen Zeh tritt, um den nächsten Schnappschuss zu erhaschen.  Die örtliche Obrigkeit ist denn auch besonders fürsorglich mit ihren Anweisungen. Auf die Idee, dass Mann oder Frau seine Fotoutensilien auch im Fotograben  deponieren könnte zwischen den Einsätzen, ist man hier noch nicht gekommen. Mein leiser Vorschlag diesbezüglich wird denn auch dankend angenommen.

So aber jetzt endlich zum Prolog des Abends, der von Tim ‚Ripper’ Owens samt All Star Band bestritten wird.

All Stars in Metalkreisen versteht sich. Seine Wenigkeit Mr. Owens profitiert selbstredend immer noch von seiner Vergangenheit mit Judas Priest, Yngwie Malmsteen und Iced Earth. Und seine Freischwimmversuche haben sich bislang nur in ein gemächliches Brustpaddeln  entwickelt, aber noch keinesfalls in ein Speedkraulen. Nachtigall ich hör Dir zwitschern, und das tut er denn auch mit aller Inbrust und Ausdruckskraft zu derer er in der Lage ist. Muss er auch, denn in dem Fall ist man wirklich auf den rein musikalischen Aspekt angewiesen. Das Auge kriegt nichts zu speisen und muss hungern. Also erfüllt die Trauerfunzel-Beleuchtung doch noch irgendwie seine Zwecke und man muss den blanken Tatsachen buchstäblich nicht ins Auge schauen :-)) Andererseits, was nützt es, wenn sich eine schillernde Nachtigal on Stage als ein Keuchhusten infizierter Schwachschnabel Uhu entpuppt. (Anm.: den gibt’s wirklich!) Also lassen wir bei jener ersten Strophe der Metalopera hier, lieber unsere werten Lauscher als Jury fungieren. Übrigens gelten jene Umstände dann nachkommend auch für Kapitel Nummer 2 in der Triologie. 

Aber halt, so schnell schießen wir Bayern auch wieder nicht (Anm.: in meinem speziellen Fall, müsste ich genaugenommen – Tiroler – sagen) Noch sind wir bei Timmy Boy, der sich auf dieser Konzertreise mit so Namen wie Dave Ellefson (Ex-Megadeth Git.), Simon Wright (Ex-AC/DC Drums.) und Chris Caffery (TSO, Savatage usw. Git) umgibt. Und halt einen Bassisten hamma auch noch. Und der hört auf den klingenden Namen....... Ergo, das sind alles Herrschaften, die der versierte Headbanger auf gut deutsch, zum pflichtbewussten Allgemeinwissen zählt. Und wehe, dem ist nicht so, dann ist die Ernsthaftigkeit  des Pseudometallers anhand von gravierenden Defiziten zweifelhaft in Frage gestellt.  Aber gut, ich nehme mal nicht an, dass sich heute Abend überhaupt jemand der letztgenannten Spezies vor Ort befindet. Also  sind meine Erklärungen zu Timmy’s  Partycombo ohnehin nur eine kleine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme für den Fall, dass sich ein Unwissender unter den Lesern dieses nachträglichen Reports befindet. 
Eine weitere Tatsache muss ich an dieser Stelle noch anführen, und zwar eine, die sich bis zum Grand Finale von Heaven & Hell wacker hält. Und das ist die allgemeine Bombenstimmung im Saal. Mein lieber Herr Gesangsverein!!!! Jede Leichenschmausgesellschaft hätte ihre helle Gaudi  an so viel Anti-Enthusiasmus, bei dem man fast  das Unkraut im Kartoffelacker hinterm Haus wachsen hört, wäre da nicht die Musik. 
30 satte Minuten sind dem Opener wie üblich vergönnt. Und innerhalb dieser Zeit schlachten wir auch alles aus, was die 7 Gebote vom Ripper hergeben (siehe Setlist) inklusive eine Hommage an glorreiche Priest Zeiten in hohem C samt Kolaratur Einlage.  Nicht zu verachten sind auch ein paar beachtlichen 6 Saiten Riffs von Christopher Caffery, dem einer mal dringend einen Friseurtermin verpassen sollte - siehe drunter.

Aber dann ist auch schon Schluss mit lustig, und Timmy Boys Intermezzo ist schwuppdiwupp wieder Vergangenheit. Ob’s viel gebracht hat...? Hmmmm, ich weiß nicht. Aber gut, Hauptsache dabei sein und die Welt aus den Angeln heben, äh sorry, ich meine die Erdäpfelwurzeln...

http://www.timripperowens.com/




Meistro Pell lässt sich dann nicht lange bitte, und das bei selbiger Düsterfunzel Beleuchtung.

Zudem besitzt der Augapfel der Partie auch noch das ungeheuere Talent, stets neben, und nicht im spärlichen Scheinwerferlicht zu posieren. Ob das Absicht; Ignoranz oder unbewusster Zufall ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Axel Rudi macht jedenfalls, wie immer, den Eindruck allerhöchster Konzentration und seine zusätzliche karge Motorik erinnert immer wieder, fast schon banal, -an jene eines Herrn Blackmores. Tja, mag schon sein, dass The Man in Black das große Vorbild von Axel ist. Aber zumindest kann letzterer das volle und sonnige Haupthaar immer noch sein eigen nennen, ist einige Jährchen jünger und leidet nicht unter posttraumatischen Depressionsphasen wie eben Ritch the Great.  Dafür aber muss es unser deutscher Vorzeigegitarrero wiederum erst mal schaffen, so ein (simples) Jahrhundertriff, wie das von Smoke On The Water zu kreieren. Na ja, so hat alles seine Vor- und Nachteile und als Trost für unseren Rudi sei noch angemerkt, es ist noch keine Rocklegende vom Himmel gefallen. Einen guten Namen hamma ja schon. Der Rest wird sich noch entwickeln oder auch nicht. 

Erwähnt sei noch der pell’sche Augapfel namens Johnny Gioeli.
Was ich zuerst schon als Nachtigall beschrieben habe, entpuppt sich hier als Enrico Caruso des Hardmetalls. Seine einstige Langhaarmähne hat er schon vor langer Zeit dem Perückenmacher einverleibt (Anm.: Chris nimm Dir ein  Beispiel) und trotz pseudo-bravem Max und Moritz Image, lässt er die meisten anderen Metalchorknaben um Längen hinter sich, was die immense Ausdruckskraft seiner Lungenbläschen  betrifft. Der Fokus der Aufmerksamkeit in dieser Kappelle schwappt hin und  her zwischen Pell’scher Gitarrenakrobatik und des exzellenten Rock’n’Rolls von Johnnys Stimmbandsehnen.  Auch der Rest der Rentner - oh pardon... Rocker-Gang ist immer noch der selbe mit dem smarten Ferdinand am Keyboard, (Anm.: den Haarfön kriegst du noch zum nächsten Geburtstag). Etwas links postiert der Herr mit dem unaussprechbaren ID und Image-pflegender Sonnenbrille am Bass (Anm.: letztere ist von unbedingter Unabdingbarkeit bei unserem nicht vorhandenen grellen Scheinwerferlicht), und last but not least und vor allem nicht zu übersehen/hören ist Mike - the Animal, vor dem jedes Schlagzeug vor Ehrfurcht erzittert. Ich bin der Meinung, unser Multikulti Drummer ist so ziemlich der Einzige seines Schlages, der als solcher locker eine Alleinunterhaltung als Frontmann durchziehen könnte.

Wie auch immer, als zweiter Anheizer des Backofens gibt’s sogar eine Galgenfrist von ganzen 45 Minuten, - eh schon bekannt. Eine Dreiviertelstunde, während der man etliche Trümpfe ausspielt, die Pells Backkatalog herzugeben hat. Aber trotz allen aufgezählten Attributen, Assen und Bonuspunkten, die dieses Quintet aufzuweisen hat, gelingt es auch ihnen nicht wirklich, die anwesenden Murmeltiere aus dem Winterschlaf zu holen. Sandmännchen lässt grüßen und das fröhliche Lied von der Forelle, Ihr wisst schon... die, die im Bächlein helle... usw usw...in Wort und Ton von Ösinachbarn Franzi Schubert kreiert, hätte in etwa die gleiche Wirkung erzielt.

http://www.axel-rudi-pell.de



Aber noch ist nicht aller Tage Feierabend. Und der Joker macht sich bereit zum finalen Schlag samt Castus und Pollux zur linken und rechten Bühnenseite in Pose gesetzt, um der verschlafenen Gesellschaft endlich einen gehörigen Tritt in den Allerwertesten zu verpassen, ohne Rückversicherung und Krankentransport, versteht sich.

Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich persönlich noch nie wirklich viel mit der Musik von Black Sabbath ohne Ozzy anfangen konnte. Aber bitte nicht falsch verstehen, ich bin keineswegs eine überdimensionale Verehrerin von Mr. Osbourne, oder dergleichen. Und ich bin immer noch der Meinung, dass Tony Iommi ein grandioser Gitarrist ist und Ronnie James Dio zu den besten Rockstimmen überhaupt gehört. Ich schiebe es mal simpel erklärt auf eine reine Geschmackssache, die absolut nichts damit zu tun hat, ob etwas gut oder schlecht ist. – Miserabel ist in diesem Moment nur die Mischtechnik, für die der zuständige und verantwortliche Tontechniker normalerweise durch den Fleischwolf gedreht gehörte. Und bei aufmerksamer Beobachtung merkt man den Höllenbrüdern da oben auch deutlich deren Unmut an, anhand von eindeutigen Gesten in Richtung Technik. Tony Iommi, die graue Eminenz, entschuldige, die Schwarze... (trifft jedenfalls besser zu), - der, der sich vornehm englisch zurückhaltend und unnahbar gibt. Heißa, wenn ich es nicht besser wüsste aus diversen Begegnungen aus der Vergangenheit... Aber gut, hier gilt es selbstredend ein Image zu wahren – klar doch! Was Ronnie James Dio angeht kann ich nur sagen: wauw, es ist immer wieder schwer beeindruckend, wie toll sich der Wichtelmann gehalten hat. Und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er sich älter macht als er ist... Ich meine, die meisten von uns machen sich normalerweise jünger. Aber bei Dio und selbsterklärte 68 Lenze.... nein, nein, nein.... das will und mag keiner glauben. Is’ aber so.-  Übrigens, - Wichtelmann in wahrstem Sinn des Wortes. Denn mein Wauwau beim Männchen machen, erzielt in etwas die gleiche Größe wie unser Gardemaß Papagallo. So geschehen vor einigen Jahren bei uns in München.


na ja, fast....
Aber die Beiden haben sich immer noch lieb...

Well, das ist nicht der springende Punkt auf dem i. Fakt ist, so gering sich die physische Vertikale bei Ronnie verhält, so riesengroß ist seine individuelle Austrahlung und Bühnenpräsenz und vor allem die Stimme. Ich glaube, ich übertreibe nicht, wenn ich behaupte, dass Mr.Dio mit zu den allerbesten Stimmen im Hardrock gehört.

Bei Bassist Geezer Butler bin ich heute schon einmal ins Fettnäpfchen getreten, als ich irrtümlicherweise seinen Lieblingsfußball Verein Aston Villa mit dem FC Birmingham verwechselt habe. Aber Gnade vor Recht, und ich bin noch lebendig aus der Garderobe gestolpert. Last but not least – Vinnie Appice am Rundum Schlagwerk im wahrsten Sinn des Wortes. Und ich kann Euch versichern, er vergisst niemals, ein merry Xmas an Weihnachten zu wünschen.

Anyway back to the Action hier, und die entpuppt sich als theatralisches Gesamtkunstwerk mit der ganzen Ernsthaftigkeit der klassischen Metal Philosophie, selbstredend mit dem Höhepunkt des gleichnamigen Epos ‚Heaven & Hell. Trotzdem kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Stoff hier für einige Fans eine Nummer zu hoch ist. Der berühmte Funke will und will einfach nicht 100%ig zünden. Und auch ich muss gestehen, Black Sabbath im klassischen Line up mit ‚Warpigs’ und ‚Iron Man’, oder Dio mit ‚Holy Diver’ und ‚Don’t Talk To Strangers’ ist mir eindeutig lieber, als diese intellektuelle, bombastisch-symphonische Himmel und Höllen Dichtung, die uns Dio, Iommi und Co. hier präsentieren. Versteht mich nicht falsch, ich habe sehr wohl viel übrig für schwierige Fusion Akrobatik und intellektuellen ProgRock Sound, aber dafür muss auch das Drum Herum stimmen und der Vibe. Aber das tut es eben im Fall von Heaven & Hell nicht wirklich. Das kann auch der kurze Feuerzauber  gegen Ende der Metalopera nicht heraus reißen. Und vielleicht eruiert genau dadurch auch die maue Gesamtstimmung hier.


zumindest die ersten Reihen zeigen ein wenig Reaktion zum guten Schluss

Langer Rede kurzer Sinn, up there on stage, das sind vier hervorragende Musiker, die eine brillante Darbietung liefern, perfekt und lückenlos. Aber mir fehlt hier das gewisse Etwas, der Sparkle. bzw. springender Funke. Und ich möchte fast wetten, dass vielen Besuchern hier schlicht und ergreifend der ultimative Wiedererkennungswert an Mitstampfhits fehlt, bis auf wenige Ausnahmen... Keine Frage, das hier war qualitativ hochwertigstes Entertainment, aber ich für meinen Teil kann nur sagen: der ‚Holy Diver’ und der ‚Iron Man’ bringen mich trotzdem noch 100x schneller zum ultimativen Orgasmus als die Eintagsfliege von ‚Heaven & Hell’. Also please Dio come back again soon. Ich bringe auch Sina mit – versprochen!

http://www.heavenandhelllive.com/ 

Hier gibts noch einige off stage Schnappschüsse