478

Ich möchte wirklich wissen, welcher geistreiche Kopf den Begriff Viking Metal erfunden hat. Denn der ist in etwa genauso idiotisch wie der Ausdruck True Metal. Nein, es ist sogar noch abstrakter, vor allem wenn der Titel auf finnische Bands gemünzt wird. So ist doch allseits bekannt, dass die Wikinger, die bis 1066 nach Christi die Weltmeere beherrschten, die größten Feinde der Finnen waren. Mein lieber Schwan, ich für meinen Teil, werde mich hüten, diesen Ausdruck zu verwenden und mich lieber auf die Stilistik des Folk-Metals festlegen. Folk wahrscheinlich auch nur deshalb, bei bei einigen dieser Bands ein, von mir so „heißgeliebter L  Dudelsack verwendet wird, oder auch, weil zumindest teilweise in skandinavischer Sprache, egal ob finnisch, schwedisch oder norwegisch gezwitschert wird.  Dazu kommt noch eine, mehr oder weniger fantasievolle Kostümierung, die allerdings nur ansatzweise an die Wikinger Kultur erinnert, wenn man’s mal ganz genau nimmt. Fotogen ist es allemal, also warum nicht.

Ensiferum ist jedenfalls latein und bedeutet so viel wie – ein Schwert tragend.- Und so nennen sich heute auch unsere finnischen, antiken-Neuzeit Krieger, die uns mit ihren fröhlichen, skandinavischen Folklore Melodien beglücken wollen. Begleitet werden sie von zwei weiteren Vertretern, eine davon, ebenfalls aus Finnland, die sich stilistisch nur geringfügig vom Headliner unterscheiden, die einen etwas weiter weg, die anderen, wie soll man es nennen, sogar noch etwas mehr hin zu dieser Linie als Ensiferum.
Im Backstage Werk tummeln sich schätzungsweise ca. 7 – 800 Verfechter der nordischen Musikkultur. Und mitunter sieht man sogar einen gehörnten Helm blitzen und eine Felljacke. Na denn viel Vergnügen bei den stickigen Temperaturen hier drinnen. Aber der richtige Fan bleibt da cool und lässt sich keinesfalls beirren. Nach dem Motto: nur die Harten kommen durch. Also alles kein Problem....

Und los geht der Reigen mit  Tracedawn, wie schon erwähnt, auch aus finnischen Breiten.

Madonna, das sind ja noch Kinder, ist mein erster Gedanke beim Anblick der Jungs. Ich wette, da ist keiner älter als 21, wenn überhaupt. Eines steht fest, für den Nachwuchs im skandinavischen Folkmetal ist jedenfalls gesorgt. – Und sie lassen sich auch nicht lumpen und hauen, wie man so schön, banal sagt, voll auf die Bretter der Backstage Gallere. Und ich muss gestehen, für ihr jugendliches Alter, sind diese Knaben ganz schön professionell, aber  hallo!!!! Das Posing stimmt obendrein bis ins kleinste Detail. Und es ist eine Freude sie im Bild festzuhalten. Die Lichtverhältnisse sind wieder einmal äußerst bescheiden und kommen vor allem von hinten. Da ich Blitzlicht nur im äußersten Notfall verwende, meide ich unter den gegebenen Umständen auch den Fotograben und versuche das Geschehen vielmehr von etwas weiter hinten im Publikum per Zoom-Objektiv festzuhalten. Eine weise Entscheidung, wie sich alsbald herausstellt.
Okay, zurück zur Band, die seit 4 Jahren auf der Bühne steht und aus Antti Lappalainen (Voc), Tuomas Yli-Jaskari (Git), Roni Seppänen (Git), Perttu Kurttila (Drums), Vili Itäpelto (Keyb.) und Pekko Heikkilä (Bass) besteht. Wie man sieht, oder vielmehr liest, handelt es tatsächlich um eine rein finnische Partie. Und die hat inzwischen 2 Alben auf den Markt geworfen. – Ihre musikalische Richtung bewegt sich allerdings (wie auch vorhin schon angemerkt) eher weg von der der anderen beiden Vertretern. Und ich würde das Ganze eher in die reine Death Metal Ecke einstufen, nicht ohne einen gewissen melodischen Touch. Wahrlich interessant das Ganze, und hervorragend interpretiert. Alle Achtung. Diese Boys haben meinen Respekt. Es scheint, als ob alle Sechse mit ihren Instrumenten geboren wurden. Und wenn sie so weiter machen, dann wird sich ihr Name sicher noch weitgehend etablieren im Genre. Tracedawn hinterlassen einen sauguten Eindruck, nur leider ist das Set wieder mal viel zu kurz, als Opener.

http://www.withoutwalls.albumit.fi/




Der zweite Streich nennt sich dann Metsatöll, und..... die kommen, ums ganz genau zu nennen, aus Estland.

 Tja, und jetzt wird’s richtig folkloristisch. Anders kann ich’s fast nicht beschreiben. Hier stimmt der Look und auch der estnische Gesang, der beschwörend auf uns nieder prasselt. Dabei versteht hier drinnen kein arktischer Wüstenfloh auch nur eine Silbe von den dargebotenen, gejodelten Stories. 11 Jahre hat die Truppe auf dem Buckel inklusive 7 Alben im Tornister. Und auch hier ist vom Original nur noch Sänger Markus „Rabapagan“ Teeäär übrig geblieben. Der kuriose Bandname steht übrigens für ein Pseudonym des Wortes Wolf. Und jener Meister Isegrimm findet sich auch wiederholend in den Songtexten wieder deren Hauptthematik die Unabhängigkeitskriege des 13. und 14. Jahrhunderts behandelt. Metsatöll integrieren alt-estnischen Runengesang und traditionelle Melodien in ihre Musik ein. Und sie lassen sich wahrlich nicht lumpen in ihrer Inbrust und Spielfreude. Relativ beeindruckend finde ich auch die Darbietung von Lauri „Varulven“ Õunapuu (Anm. was für Namen!!!) der sich nicht nur an der Gitarre übt, sondern auch an Flöte, Dudelsack, bzw. nennt sich das estnische Sackpfeife, in der Landessprache – Torupill genannt, wie ich belehrt werde und am sogenannten Kannel. Und diese exotischen Utensilien werden von Lauri fast schon mit erotischer Hingabe bearbeitet. Da sieht man wirklich gern zu. Er verbiegt sich in anregende Posen mit einem Fast-Überschritt ins Publikum, den Fotograben überspannend. Und unsere Pseudo Wikinger im Publikum würden ihn am liebsten zu sich runter ziehen und im Stehgreif vernaschen – vor allem was die Mädels angeht. Metsatöll nehmen den nordischen Folk sehr ernst. Und diese eigenartigen Gesänge zum Death Metal Beat, erinnern tatsächlich an ein entferntes Wolfheulen. Zugegeben, das Ganze ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber mit etwas Einfühlungsvermögen, Liebe zu Details und Aufgeschlossenheit für jegliche Musik, ist die Darbietung von Metstöll sicherlich nicht uninteressant.

http://www.metsatoll.ee/index.html


 

Schwerter tragen sie nur imaginär, nichts desto trotz geben sich Ensiferum anschließend äußerst progressiv.

Allerdings erinnert ihr Chanel Make up eher an die Hautbemalung von Meskalino-Apachen auf dem Kriegspfad, als vielmehr an das von nordischen Götterboten. Nur die Röcke (ohne Schottenkaro) nehmen sich interessant aus und lassen uns die Frage stelle, - was sich da wohl darunter befindet?J))
Okay, das zu diesem, was zwar dazu gehört, aber nicht ausschlaggebend für eine mehr oder wenige gute Performance ist. Es ist übrigens das zweite Mal, dass ich diese Finnenkapelle live erlebe. Ach ja, die Lichtverhältnis haben sich schlagartig verbessert. Und ab sofort ist es eine Freude und  Leichtigkeit die Brüder auf der Speicherkarte festzuhalten - (natürlich ohne Flashlight, versteht sich). 
Und ich meine, so unattraktiv sind sie denn auch wieder nicht, trotz Bemalung, na ja zumindest zum Teil :-))

Auch bei dieser Band ist lediglich Gitarrist Markus Toivonen von der Urbesetzung übrig. Er ist auch der hauptsächliche Songschreiber. Bassist Sami Hinkka ist für eine Anzahl der Texte zuständig und betont denn auch immer wieder, dass es keinesfalls Wikinger Stories seien, sonder vielmehr  erfundene Legenden und Geschichten, bzw. persönliche Gefühle ausgedrückt in Worten und Songs. Sami ist on Stage definitiv auch der Blickfang. Denn er manövriert seine etwas füllige Figürlichkeit mit amüsant-komischen Bewegungen über die Bühne, so dass jede Bauchschwarte im Takt schwabbelt.



Aber was soll’s. Hauptsache da oben wird Lebensfreude pur ausgedrückt, auch wenn Sänger Petri Lindroos  meistens ein Gesicht zieht, als ob er gleich jedem Einzelnen hier drinnen in den Allerwertesten treten wolle. Aber das gehört wohl zur musikalischen Imagepflege.

Alles in allem kommt der Auftritt von Ensiferum aber sehr gut bei ihren Fans an. Und ich muss auch gestehen, die Finnen besitzen tatsächlich einen hohen Unterhaltungswert. Da wird’s einem keine Minute langweilig. Zugegeben, ich würde mir deren Musik jetzt nicht unbedingt zur  häuslichen Untermalung im Wohnzimmer anhören, aber wie Ihr alle vielleicht wisst, - live ist alles stets eine ganz andere Story als auf Platte. Und ich nehme mal an, dass Ensiferum noch viel vorhaben in Sachen internationaler Eroberung der Massen und Folk-Metal Verfechter. Wohl denn, da gilt dann nur noch der Slogan – der Sieg ist unser! Lange lebe Ensiferum und die finnische Nostalgie der Mitternachtssonne.
http://www.ensiferum.com/