|
|
|
Tatort: Olympiahalle
– 12.000 Tickets – ausverkauft. So sieht’s heute Abend hier
aus für den Auftritt von Billie Joe Armstrong und seine Kollegen, noch
besser bekannt unter dem Pseudonym ‚Green Day’. Aber seid mal
ehrlich. Habt Ihr etwas anderes erwartet?
Ich jedenfalls bin wenig überrascht obgleich dieser Tatsache.
Ich meine, schaut Euch doch nur mal an, was dieses Trio bislang erreicht
hat mit seinen, doch eher simplen, aber sehr clever arrangierten
Punkrock Songs. Man muss sich das so vorstellen. Alle bislang veröffentlichten
Studioalben, und derer sind es bis jetzt acht Stück, besitzen
Doppel-Platinstatus, und das wohlgemerkt in den USA. Sämtliche darüber
hinaus verliehenen Auszeichnungen will und kann ich an dieser Stelle
hier nicht mehr aufzählen. Denn das würde jeglichen Rahmen sprengen. Waren Green Day mit ihren ersten Alben noch relativ individuell und auf Punk only zugeschnitten, haben sie spätestens seit ‚American Idiot’ zu einer eher straighten Linie gefunden. Es handelt sich dabei um Musik, die sofort ins Mittelohr schießt, dort Station macht und sehr easy zum mitgrölen geeignet sind. Wie auch immer man den Sound der Band definiert, Fakt ist, Green Day haben den Punk wieder auferstehen lassen, neu definiert und ihn eben kommerzialisiert. Und das war ein sehr genialer Schachzug. So ist doch der Durchschnittsamerikaner mehr oder weniger einfach gestrickt. Wenn dann noch politisch-geschickte, aber sofort verständliche Anspielungen in den Texten verwoben sind, dann kommt das gerade dortzulande umso besser. – Fest steht, mit den letzten beiden Alben, das vorhin genannte ‚American Idiot’ und das neue Teil ‚21st Century Breakdown’ ist diese Band endgültig nicht mehr tot zu kriegen. Green Day das ist vor allem Billie Joe Armstrong, unterstützt durch Mike Dirnt (Michael Ryan Pritchard) am Bass und Tre`Cool (Frank Edwin Wright III), der seit 1990 das Schlagzeug bedient. Und jetzt sind die Drei, inklusive einiger Ergänzungsmusiker wieder on Tour und verkaufen einmal mehr die größten Venues auch in Europa in Blitzesschnelle restlos aus. Und was noch dazu kommt, es heißt, ein Green Day Konzert dauert locker 3 Stunden. Mal schauen ob das stimmt. Denn für mich ist das hier der Einstand und das erste Mal, dass ich die Gruppe live erlebe. Vorerst sollen ‚Prima Donna’ aus Hollywood L.A. für etwas Stimmung sorgen. Und Prima Donnas das sind sie auch im
wahrsten Sinn des Augenscheins. Glamrock meets Punk, und das mit einer
Arroganz, dass einem schier die Luftblasen in den Nasenlöchern platzen.
Dabei sind diese Kerlis höchstens mal Mitte 20, geschweige denn, alte
Profis. Drei Jahre gibt’s diese Band jetzt. Und auch hier ist es
hauptsächlich der Sänger, der auf den Namen Kevin Preston hört, und
der für die meiste Bewegung da oben sorgt, sowohl in physischer
Verausgabung als auch von der Visualität her. Zugegeben es ist nie
einfach, als Opener, mit der halben Bühne und noch weniger Energie die
Massen in einer so großen Halle aufzumöbeln. Und trotz all der
Anstrengung, will es denn auch nicht wirklich gelingen. Vielleicht ist
es aber auch die, vorhin erwähnte Arroganz und Unnahbarkeit, die nicht
so recht ankommt bei den 12.000 Green Day Verehrern und Verehrerinnen.
Aber ich könnte mir Prima Donna andererseits ganz gut in einem kleinen
Club vorstellen, und dass sie dort wesentlich mehr Espirit verströmen könnten,
wenn sie nur wollten. Musikalisch ist das, was die Knaben fabrizieren
nichts neues, aber es rockt zumindest. Es ist nur der allgemeine Tenor
und der Vibe, der mich an dieser Gruppe etwas stört. Aber ich würde
sie mir in kleinerem Rahmen auch nochmal antun, warum nicht?! Der Bunny Spaß ist zu Ende und kurze Zeit später stürmt der frisch erblondete Billie Joe auf die Bühne und nimmt, trotz seiner nicht gerade üppigen Körpergröße nicht nur die ganze Bühne sondern gleich die komplette Halle für sich ein. Halleluja, das ist der absolute Hammer. Um ehrlich zu sein, ich hatte ursprünglich nicht soooo viel erwartet, als das was ich jetzt in diesem Moment hier serviert bekomme. Die ganze Bude steht augenblicklich Kopf. Und die vollgestopfte Arena entwickelt sich in kürzester Zeit in ein einziges riesiges Moshpit. Sowas hab’ ich hier eigentlich noch nie in dieser Art erlebt. Passenderweise geht’s mit dem Stück ‚Song Of A Century’ los um umgehend in das einmalige ‚21st Century Break Down’ überzugehen. Publikum und Band schaukeln sich gegenseitig in einen immer größeren und intensiveren Adrenalinrausch. Vielleicht sind es gerade die Entzugserscheinungen obgleich der langen Abstinenz dieser Band hier in Europa, die sich jetzt in einem derartigen Energieschub entladen. Ein kleiner Laufsteg von der Bühne ins Publikum sorgt zusätzlich für eine noch intensivere Nähe zu Billie Joe Armstrong, der dies auch kontinuierlich ausnützt. – Ein Green Day Knaller jagt den nächsten, und dazwischen gibt’s zwei Mal eine Jamsession, die ein witzig vorgetragenes ‚Iron Man’ von Black Sabbath oder ‚Rock You Like A Hurricane’ von den Scorpions enthält, oder in der zweiten Auflage dann den Oldie ‚Stand By Me’, ‚Satisfaction’ von den Stones und nicht zuletzt gedenkt Mike Dirnt sogar ‚Schnappi dem Kleine Krokodil’ – Nun ja, ob das so rühmlich für unsere deutsche Musikkultur ist, bezweifle ich. Vom Schlagzeuger Tre Cool sieht man zwar nicht so viel, aber Mr. Dirnt rückt dafür einige Male in den Vordergrund.
Das Trio wird on Tour noch von Jeff Matika (seit 2009) an der Rhythmusgitarre/Background Gesang ergänzt, ferner ist da Jason Freese (seit 2003) am Keyboard, Posaune, Sax, Akustikgit. und Jason White (seit 1996) an Lead/Rhythmusgitarre und Background Gesang. – Aber es sind nicht nur die beiden Jamsessions, die das Hitfeuerwerk von Green Day auflockern, sondern auch spaßige Einlagen, die Billie Joe injiziert. Zum Beispiel holt er an einem Punkt Fans aus dem Publikum auf die Bühne und ergänzt die Band durch jene für eine kleine Sondereinlage. Oder aber auch so wird mitunter ein Fan auf die Bühne für ein Ständchen mit Billie Joe geholt. – Green Day spielen an einem Punkt auch mal liegend und gewanden sich in Fantasie-Kostüme. Und von den vielen Video-Projektionen, Knalleffekten und dem Feuerregen samt Wasserdusche fürs Publikum und die Klopapier-Kanone will ich gar nicht erst lange debattieren. Man kann es drehen und wenden wie man will. Aber eine Performance von Green Day ist nicht „nur“ ein Konzert. Es ist viel mehr schon fast ein Musiktheater. Hin und wieder werden sogar ein paar Stimmen laut, dass sie es lieber sehen würden, wenn sich die Band auf die wesentliche Musikshow konzentrieren würde. Aber das ist nur eine geringfügige Minderheit. Green Day haben auch in München die volle Punktzahl erhalten, - auch von mir – in jeder Hinsicht. –
Und
noch etwas habe ich bislang nur selten hier in der Olympiahalle erlebt.
Nämlich dass eine Band 2 Stunden und 40 Minuten da oben buchstäblich
ihre komplette Energie verschwendet. Und das schönste ist, es ist keine
Sekunde lang langweilig. – Hinterher heißt es sogar, dass Billie Joes
Stimme nicht 100%ig okay gewesen sei, deshalb wären es eben leider
„nur“ 2.40 Stunden geworden. Normalerweise macht er die 180 Minuten
immer voll. – Viel mehr bleibt mir nicht zu sagen, außer dass ich im
Augenblich wirklich das Glück habe, so viele wirklich gute Konzerte
hintereinander erleben zu dürfen. Und Green Day ist, wie soll ich
sagen, das Sahnehäubchen auf der Torte. Und die Verantwortung trägt
fast zur Gänze nur Billie Joe Armstrong – und das hoffentlich noch
recht lange – Amen!
|