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Es gibt ein nettes Sprichwort, das so manches entschuldigt, äh sorry, vielleicht auch nur entschuldigen sollte... und das lautet:
“Der größte Feind der Menschheit wohl, ist sicherlich der Alkohol. Doch in der Bibel steht geschrieben, Du sollst auch Deine Feinde lieben“ – Hicks, iiiich `abe gessschprooochhheennn – und Prostataaaaaaa.
Und es gibt Leute, die diesen Reim sehr wörtlich nehmen und vor lauter Nächstenliebe schier überschäumen. – Wenn man dann dadurch, und verschiedene andere ungesunde Exzesse, sowie eine Affäre mit einem Supermodel zum Rockstar avanciert, dann kann daran doch gar nicht so viel falsch sein, oder?!
Und das alles, obwohl Mr. Doherty sowohl mit den Libertines, Babyshambles als auch auf Solopfaden noch nie eine Hitsingle verbuchen konnte. Und überhaupt... kann man bei Doherty ohnehin nie 100%ig sicher sein, ob und dass er überhaupt auftritt bei einem angesetzten Konzert, zumindest bis zu der Sekunde, wo er effektiv in Fleisch und Blut da oben steht (oder sollte ich eher sagen – wankt?)

Doch tut er, jawohl tut er heute Abend hier in München im ausverkauften Backstage Werk. Denn bevor noch der erste Supportact die Bühne betrifft, wankt unser Suff-Junkie über die Bretter und lallt ein paar undefinierbare Statements ins Mikrophon. – Ufffff  - atmet Klein-Adlerauge auf.... – das ist ja schon mal was. Wir können also schon mal sicher sein, dass er effektiv da und vor Ort ist, und auch noch aufrecht steht und schrägwärts stolpert. – Ob der dann auch wirklich singt, wird sich noch zeigen.

Zu den Aufwärmern will und kann ich nicht viel sagen. Denn diese wirken irgendwie – wie von weit her geholt und abgestellt, damit überhaupt jemand da oben einen aufzaubert. Erst kommt eine junge Lady, (Anm: na ja Lady ist da zuviel gesagt) - die versucht mit einer Art Rapgesang-Talk das Publikum zu animieren, und das ganz ohne zusätzliche Instrumentierung. Das Gekreische geht einem nach spätestens 5 Minuten derart auf die Nerven, dass es etliche Leute bevorzugen die Zeit im Foyer oder gar draußen zu verbringen. Support Nummer Zwei erweist sich zwar gesanglich um Welten  besser, aber wie er da so oben steht mit Schlapphut und nur mit Gitarre und Mundharmonika bewaffnet, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich hierbei um Bob Dylan für Arme handelt. 45 Minuten lang dauert sein Szenario effektiv, - gefühlt allerdings 3 Stunden. Und der Dritte im Bunde steht jenem wiederum in nicht viel nach, wobei bei dem Kaspar, die Stimme dünner als kalter Kaffee ist.
 
Und jetzt is’ es endlich Zeit für Pete - hicks....

.... die volle Rotweinflasche wartet schon... und nein es ist nicht die Bühne die schwankt oder gar ein mittelschweres Erdbeben, sondern der Weingeist sorgt  für das halblahme Wüstenschiff, das kurz vor dem kentern ist – hoppala, fast wären wir jetzt auch noch hingefallen und hätten den Boden geküsst. Grad nochmal die Kurve gekriegt – hicks! – tssshhhhulllddiigggunnggg... und gleich noch ein Schluck... zur Stärkung.

Mein lieber Herr Gesangsverein!!!! Ich muss gestehen, da vorne drin im Fotograben in so kurzer Distanz hab’ ich es gleich zwei Mal wirklich mit der Angst zu tun bekommen. Einmal, als Pete so intensiv zu würgen beginnt, dass man meinen könnte, im nächsten Moment ergießt sich sein Mageninhalt auf den Bühnenboden. Und zum anderen als die Schnapsdrossel den Anschein macht in Kürze in die Horizontale für ein ausgedehntes Nickerchen zu sacken. Tut er aber dann Gott sei Dank doch nicht und hält sich wacker am Mikrophonständer fest. –

Auch er ist allein da oben, nur mit einer Gitarre versehen. Falsch – nicht ganz! Mitunter leisten ihm zwei identitätslose Tänzerinnen Gesellschaft, die im Prinzip aber überflüssig sind.  Und was soll ich sagen.. mit jedem weiteren Song und Schluck scheint sich unser Spargeltarzan Junkie mehr zu erholen. Alle Achtung, er vergisst keine Textzeile und verfehlt keinen Ton. Wie schon eingangs erwähnt, ist es ja allein schon respektabel, dass er überhaupt heute Abend da oben steht, - vor allem nach dem gestrigen Ausrutscher beim Bayerichen Rundfunk, wo unser B’suff  mit dem Deutschlandlied für einen handfesten Skandal gesorgt hat. -
Heute Abend benimmt er sich jedenfalls fast schon vorbildlich und schafft tatsächlich satte 80 Minuten und natürlich selbstredend die Flasche Rioja und mindestens eine Schachtel Zigarretten.

Zum Grand finale leistet ihm dann gar Dylan für Arme nochmal Gesellschaft für ein letztes Ständchen. Und 1.200 Kiddies jubeln ihm zu, wobei mir nach wie vor schleierhaft ist, was sie an diesem Vogel, der sich anscheinend im Nonstop Delirium befindet,  so cool finden. Aber wahrscheinlich ist es genau diese versoffene, torkelnde Hilflosigkeit, der treue Dackelblick, der Hut und die Skandale und Schlagzeilen, die Pete Doherty jene groteske Exotik verleihen, die wiederum so viele Fans anziehen wie die Motten das Licht. – Seine Musik.... nun ja, die gibt’s natürlich auch noch. Nur der Hit, der fehlt noch...

Andererseits Hauptsache ist, dass der Alk... Vorrat nicht versiegt... – und wer weiß, ob der ihn bis zum nächsten Einstand nicht doch schon besiegt hat.  Also wars denn letztendlich vielleicht doch ganz gut, dass wir ihn hier und heute noch mal ausgekundschaftet haben.
So, und jetzt ab  nach Hause, - aber nüchtern... denn mein Führerschein is’ mir denn doch lieber... als eine Fata Morgana ala’ Pete Doherty.... Prost!

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