.....und nein, sie hören
nicht auf, es ist nicht ihre Abschiedstournee, und die kreative Pause
wird auch keinesfalls länger als ein Jahr dauern. Das jedenfalls
versichert mir Backyard Babies Bassist Johan Blomquist vor der Show. Und
wenn der das behauptet, dann muss es wohl so auch stimmen.
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Fakt ist, nach 23 Jahren Non Stop Aktivität
ist halt etwas die Luft raus. Wir werden alle nicht jünger, und
demzufolge benötigt der Mensch nun mal ab und an eine Pause, um neue Kräfte
zu sammeln und sein Burn Out Syndrom auszukurieren. Aber diese kurze
Tour mit gerade mal 3 vorerst letzten Terminen in Germany, die ziehen
die Schweden noch durch. Und ehrlich gestanden, von Ermüdungserscheinungen
kann eigentlich absolut keine Rede sein.
Ausverkauft ist die Devise, was in unserer Backstage Halle in etwa
soviel wie 600 Chrysanthemen bedeutet. Und kurios ist die Tatsache, dass
im benachbarten, wesentlich größeren Backstage Werk Mastodon gerade
mal mit ca. 450 interessierten Zaungästen aufwarten können. Ergo: hier
in der Halle tanzt der Bär heute Abend und zwar keinen bedächtigen
Walzer sondern einen flotten Boogie Woogie – mindestens...
Tracy Gang Pussy erfreuen uns als erstes mit ihrer Anwesenheit.
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Und die stammen nicht aus Skandinavien,
sondern, man höre und staune, aus Frankreich. Yep, hier haben wir die
erste Post Glamrock Truppe aus diesem Land. Frisch importiert aus Paris
mit 4 Alben im Gepäck, wobei das jüngste Werk schlicht und ergreifend
„Number 4“ heißt. Allerdings erinnern mich die Franzmänner eher an
ein paar verwegene Trauerweiden im Spätherbst, die mit einem
Elektromasten zusammen gerumpelt sind.
Ihre Musik ist eine Mischung aus Glamrock mit punkigen Anleihen.
Und es wird ziemlich schnell deutlich, dass der Headliner des heutigen
Abends zu den Vorbildern von Tracy Gang Pussy zählt, welche wiederum
bereits zur nächsten Generation von Sleaze-Grufti-Rockern zählen.
Gitarrist Revlon gründete übrigens seine Pussys 2002 in der Stadt der
Liebe. Und seitdem ist schon so einiges Wasser die Seine hinunter
geflossen.
Nun gut, sehr viel gibt’s nicht zu sagen zu dem 40 minütigen
Intermezzo, das einmal mehr im düstersten Halbdunkel liegt, so dass ein
Knipsen der hopsenden Tatsachen zum Kraftakt avanciert Und ich kann mich
auch nicht so richtig anfreunden mit dem Stoff, den Tracy Gang Pussy da
von sich geben. Nach dem Motto: alles schon mal irgendwann, irgendwo gehört,
nix neues und nix aufregendes. Die Truppe versucht das Image tollwütiger
Rock Animals zu verkörpern. Aber sorry, irgendwie wirken sie eher wie
eine aufgesetzte Parodie des Klischees.
Ergo, ich hab zwar auch schon
schlechteres gesehen und gehört, aber unbedingt lebensnotwendig sind
Tracy Gang Pussy auch wieder nicht. Andererseits.... wie ich immer zu
sagen pflege: sie haben noch viel Zeit um sich hoffentlich weiter zu
entwickeln – oder auch nicht.
http://www.tracygangpussy.com/
Und die Backyard Babies kommen, sehen und haben augenblicklich die
Situation under controll.
Ach ja, und von wegen müde und
ausgebrannt. Also langsam können sich die Brüder einen anderen Excuse
für die bevorstehende, einjährige Pause ausdenken. Denn den Burn Out
nimmt ihnen spätestens jetzt keine lahme Schnapsdrossel mehr ab.
Insbesondere Gitarrist Dregen lässt seine dünnen Gliedmaße förmlich
übers Kuckucksnest flattern. Ich glaube der Kerli verbrennt bei jeder
Show mindestens 5.000 Kalorien, deshalb gibt’s auch kein Milligramm
Fett an seinem Spargeltarzan Konterfei zu entdecken. Schwierig –
schwierig zudem das Unterfangen ihn im Bild einzufrieren. –

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Nicke Borg gibt sich etwas mehr
sophisticated. Aber vor allen Dingen sei vermerkt - 23 Jahre im exakt
selben Outfit, das muss ihnen erst mal einer nachmachen, denke ich. Und
genau dadurch resultiert diese durch und durch eingespielte Routine in
der Livearbeit. Die ganze Backstage Halle feiert eine einzige große
Party zu Songs wie ‚Brand New Hate’ , ‚Abandon’, ‚Electric
Suzy’ und etliche mehr. Der Punk gibt dem Sleazerock Contra und
umgekehrt. –
Ich persönlich muss jetzt gestehen, dass mich einige gemischte Gefühle
plagen bezüglich der Show hier, aber nicht etwa weil diese schlecht
oder gar etwa weniger powervoll ist als früher – im Gegenteil. Aber
ich denke einfach, dieses Feeling kommt daher, dass ich die Schweden
einfach schon einmal zu oft in sehr kurzer Zeit live on Stage gesehen
habe. Das letzte Mal war im
vergangenen Jahr als Opener für Mötley Crüe im Münchner Zenith. Aber
auch als Headliner waren die Backyard Babies bereits des öfteren in
unseren Breiten zu Gast.
Anyway, inzwischen ist ein Durchkommen in der Menge zum Ding der Unmöglichkeit
geworden, und ich denke mal, Mastodon nebenan in der wesentlich größeren
Halle würden sich den großen Hammerzeh abschlecken, würden sie diese
überschwängliche Resonanz erhalten, die hier grad angesagt ist. Wie
auch immer, die Backyard Babies haben bewiesen, dass die Allgemein
Konstitution noch lange nicht morsch ist und sie immer noch Pfeffer
unterm Allerwertesten besitzen. Also sehen wir das eine Jahr Pause
einfach mal als ausgedehnter Urlaub, und wer weiß mit was wir dann überrascht
werden.
http://www.backyardbabies.com/

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Ach ja, ums nicht außen vor zu
lassen....Sogar der unauffällige Kapuzenmann mit den Triefaugen, der
sich ganz hinten in der Halle eisern an seinem Bier festhält, wird vom
allgemeinen Enthusiasmus angesteckt. Aber der hat seinen großen
Auftritt erst einen Abend später an selber Stelle. Und das meine Herrschaften
war dann ein Höllenspektakel der ganz anderen Art -
(siehe Live Review 520 in Kürze). |